Kategorie Innovation & Technologie - 14. Februar 2019
Innovation durch Partnerschaften in der Bahnindustrie
Nach dem im vergangenen Sommer in Kraft getretenen Bundesvergabegesetz 2018 sind nun auch sogenannte Innovationspartnerschaften möglich – bei der Beschaffung können benötigte neue Produkte oder Leistungen gemeinsam mit den Lieferanten entwickelt werden. Die ÖBB haben ein solches Vergabeverfahren unter anderem für alternative Antriebsmodelle auf nicht-elektrifizierten Strecken sowie für ein digitales Parkplatz-Informationssystem für Park&Ride-Anlagen in Niederösterreich gestartet.
Die Innovationspartnerschaft sei eines der elf im Bundesvergabegesetz (BVergG 2018) vorgesehenen Vergabeverfahren und eröffne neue Chancen für die Bahnindustrie und deren Auftraggeber, wie auch Bundeminiser Norbert Hofer bei der Präsentation betonte: „Die Fördermöglichkeiten durch das BMVIT spielen dabei eine große Rolle. Jedes fünfte der geförderten Projekte wäre ohne diese Förderung nicht oder nur in deutlich geringerem Ausmaß durchgeführt worden.“
Alternative Antriebsmodelle auch bei der Bahn
Mit der Innovationspartnerschaft können öffentliche Auftraggeber Produkte und Dienstleistungen maßgeschneidert auf ihre Bedürfnisse von privaten Unternehmen entwickeln lassen und diese dann auch beschaffen. In Österreich fungiert die öffentliche Hand als Leitkunde der Bahnindustrie. Diese enge Zusammenarbeit stärkt den Aufbau von Know-how im Inland sowie die technologische Unabhängigkeit vom Ausland.
„Die ÖBB nehmen ihre wichtige Rolle als Innovationsmotor der österreichischen Bahn-industrie wahr. Im Jahr 2018 hatten die ÖBB rund 100 Innovationsprojekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 25 Mio. Euro laufen. Mit der neuen Innovationspartnerschaft soll die Beschaffung von innovativen Leistungen durch die gemeinsame Entwicklung mit Partnern für die ÖBB deutlich erleichtert werden“, so Andreas Matthä, CEO ÖBB-Holding AG. So entwickle man derzeit als Alternative für nicht-elektrifizierte Strecken den Cityjet eco, einen Elektrozug der auch batteriebetrieben fahren kann, damit Pendler auf Nebenstrecken nicht umsteigen müssen. Man sei auch dabei, alternative Antriebsmodelle für Verschubloks zu entwickeln und setze dabei stark auf Wasserstoff.
https://www.facebook.com/unsereOEBB/videos/cityjet-eco-teaser/298440604081773/
„Die Feedbackschleife bestehend aus F&E, Produktion und Markt ermöglicht es, rasch auf Marktbedürfnisse zu reagieren und Know-how aus Forschung und Produktion zu verbinden“, erklärte auch Manfred Reisner, Präsident des Verbands der Bahnindustrie. Das neue Modell sei „sehr revolutionär, wir werden noch üben müssen, wie das funktioniert“.
Für die Bahnindustrie seien Kooperationen mit den ÖBB und auch mit den Wiener Linien wichtige Referenzprojekte, sagte Reisner, immerhin habe man eine Exportquote von 70 Prozent. Die österreichische Bahnindustrie beschäftige 9.000 Leute direkt und insgesamt rund 20.000 Menschen in Österreich indirekt. Allerdings habe die Branche immer mehr Probleme, geeignete Nachwuchskräfte zu bekommen.
Neuer Master-Lehrgang
„Vor allem die Digitalisierung und die Automatisierung sind Treiber für die verstärkte Nachfrage. Wir haben daher gemeinsam mit der FH Technikum Wien das bestehende Ausbildungsangebot erweitert und den Master-Lehrgang „Rolling Stock Engineering“ entwickelt.“ Die Inhalte des Lehrgangs beziehen sich auf das rollende Material, das sich auf den Schienen bewegt. Züge und Waggons mit den zugehörigen Komponenten wie Antriebstechnik, Klimatisierung, Energieversorgung, Drehgestelle, Bremsen sowie Türen.
Im Lehrgang wird technisches Wissen auch um wirtschaftliche, ökologische und rechtliche Kenntnisse erweitert. Der Lehrgang, der von der Weiterbildungsakademie der FH Technikum Wien, der Technikum Wien Academy, abgewickelt wird, startet ab dem WS 2019/20 mit 20 Studienplätzen und ist als dreistufiges Programm aufgebaut, das mit einem Master (MSc) abgeschlossen werden kann. Ein Master-Lehrgang-Programm, „das es europaweit so noch nicht gibt“.
Zahlen, Daten, Fakten zum Cityjet eco
Im gemeinsamen Pilotprojekt mit Siemens testen die ÖBB die neuen Cityjets eco. Ein erster Einsatz im Fahrgastbetrieb ist für die zweite Jahreshälfte 2019 geplant. Die Batterieanlage am Mittelwagen des umgebauten Triebfahrzeuges 119 (4746 049) der Serie DESIRO ML umfasst drei Batteriecontainer, zwei DC/DC-Steller, einen Batteriekühler sowie weitere Elektronikbauteile.
Zum Einsatz kommen Lithium-Titanat-Batterien (LTO-Technologie). Diese modifizierten Batterien erlauben – verglichen mit herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien – deutlich höhere Ladeströme zur Schnellladung. Durch ein spezielles thermisches Konzept der Batteriecontainer erwarten die Expertinnen und Experten, dass es keinen Einfluss auf die Lebensdauer und den Ladezustand der Akkusaufgrund äußerer Witterungsverhältnisse geben wird. Die Lebensdauer der Batterien soll bei Serienreife rund 15 Jahre betragen, was zur Folge hätte, dass sie über die Gesamtnutzungsdauer des Zuges nur einmal gewechselt werden müssen.
Das Pilotprojekt wird mit einem Zug aus der aktuell für die ÖBB laufenden Serienproduktion des Siemens Desiro ML umgesetzt. Die Bauweise des Fahrzeuges ermöglicht es, zusätzliche Dachlasten aufzunehmen. Damit sinkt die ansonsten branchenweit übliche Liefer- und Fertigungszeit eines Neufahrzeugs von bis zu 36 Monaten auf weniger als die Hälfte.