Kategorie Innovation & Technologie - 27. August 2020

Klimawandel auf dem Land: So funktioniert die Anpassung in der Praxis

Der Hochsommer hat sich noch einmal zurückgemeldet. Nach einer fast ungewohnt wechselhaften, nach Ansicht von Meteorologen aber recht druchschnittlichen Sommerperiode, gab es doch noch viele auch aufeinanderfolgende Tage jenseits der 30° Celsius. In einer zweiteiligen Serie wollen wir auch heuer versuchen, den Folgen und dem Umgang des Klimawandels, der sich nicht nur im Sommer durch Hitze und Trockenheit bermerkbar macht, nachzugehen – zum einen auf dem Land, zum anderen in der Stadt

© pixabay

Dass dieses Jahrzehnt (wozu 2020 ebenfalls noch zählt) wohl als das heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen zu bewerten ist, wurde bereits im vergangenen Jahr in einem UN Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) prognostiziert.

„Unter den zehn heißesten Sommern der 253-jährigen Messgeschichte liegen neun Sommer aus der jüngeren Vergangenheit“, konstatierte entsprechend auch ZAMG-Klimatologe Alexander Orlik. Die fünf heißesten Sommer der Messgeschichte gab es alle in den 2000er-Jahren (2003, 2019, 2015, 2017, 2018). Von den 20 wärmsten Sommern liegen zwölf im 21. Jahrhundert.

Längst ist der Klimawandel auch in Österreichs Gemeinden angekommen. Lokale Starkniederschläge, Trockenheit und andere Auswirkungen des Klimawandels nehmen zu und verursachen immense Schäden und Kosten. Nicht nur für den menschlichen Organismus drohen durchaus ernste Konsequenzen durch Klimaextreme wie Hitze und Trockenheit, auch alle anderen Organismen leiden zunehmend darunter. Schon jetzt, so zeigt ein Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA, haben Hitzestress, Starkregen, Hagelstürme und Wassermangel die Wachstums- und Lebensbedingungen von Pflanzen dauerhaft verändert. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Witterungsverlauf in Österreich in der laufenden Vegetationsperiode wieder einmal mit einer extrem unausgewogenen Niederschlagsverteilung mit starken regionalen Unterschieden ausgezeichnet hat.

Klimawandel: Österreichs Wälder leiden unter Hitze- & Trockenstress

Für viele Menschen war der Klimawandel bisher nur eine abstrakte Theorie, doch nun ist er durch Extremwetter und dessen Auswirkungen ganz konkret erlebbar. Klar ist, dass Österreich durch seine besondere Lage von den Folgen des Klimawandels verhältnismäßig stark betroffen ist. Wie also können ländliche Gebiete an den Klimawandel angepasst werden?

Unter Klimawandelanpassung wird die Anpassung an die nicht mehr abwendbaren Folgen dieses Klimawandels verstanden. Die entsprechenden Maßnahmen dazu können ganz unterschiedlich aussehen und betreffen Gebäude und Siedlungen ebenso wie die Land- und Forstwirtschaft. Aber auch Vorsorgemaßnahmen der Bevölkerung im Falle von Naturkatastrophen wie Hochwasser fallen unter das Thema Klimawandelanpassung. Dass diese notwendig sind, dürfte unbestritten sein. Klar ist aber auch, dass Maßnahmen der Klimawandelanpassung keinesfall den Klimaschutz ersetzen. Allenfalls können sie als eine notwendige Ergänzung zu dringend benötigten Klimaschutzmaßnahmen betrachtet werden.

Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) fördert über den Klima- und Energiefonds seit 13 Jahren die Klimawandel- und Klimawandelfolgenforschung in Österreich und hat mit dem ACRP, dem Austrian Climate Research Programme, das größte österreichische Forschungsprogramm dieser Art ins Leben gerufen. Eine tragende Säule des Programmes ist das ACRP-Steering Committee. Dieses soll im Spätherbst 2020 mit neuen, herausragenden Persönlichkeiten des In- und Auslandes besetzt werden.

Austrian Climate Research: Österreichs größtes Förderprogramm zur Klimawandelforschung gestartet

Dotiert aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) wird darin etwa folgenden Fragen nachgegangen: Wie wirkt sich die Klimakrise auf spezifische Bereiche aus, mit welchen Maßnahmen können wir die Klimakrise möglichst rasch stoppen und welche Anpassungen müssen wir jetzt schon in Österreich vornehmen? Die Wissenschaft liefert dazu wichtige Erkenntnisse, die ebenso als Handlungsleitfaden für die Politik taugen.

Zusätzlich zum Klimaschutz, zu dem Klima- und Energiemodellregionen und Klimabündnis-Gemeinden bereits jetzt viel beitragen, sind Strategien zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels gefragt. Die einzelnen Maßnahmen können dabei je nach Region ganz unterschiedlich ausfallen. So sind im pannonischen Flachland, in dem in den nächsten Jahrzehnten Hitze und Trockenheit zunehmen werden, andere Lösungen gefragt als in den alpinen Regionen, in denen das Risiko von Naturgefahren steigt. Wie sich Gemeinden diesen Herausforderungen stellen und wie sie sich auf den Klimawandel vorbereiten können, zeigen Vorbilder aus ganz Österreich.

Österreichs Gemeinden und Regionen sind Vorreiter in der Klimawandelanpassung. 39 Regionen haben schon konkrete Konzepte und Strategien entwickelt, um mit den Folgen des Klimawandels zurecht zu kommen. So unterschiedlich wie die Regionen sind auch ihre Pläne – von Bodenschutz im Osten bis hin zu nachhaltiger Waldwirtschaft im Westen.

Dabei spielen die Klimawandel-Anpassungsmodellregionen (KLAR!) eine ganz besondere Role. KLAR! wurde vom Klima- und Energiefonds entwickelt und wird seit 2016 in Kooperation mit dem BMK umgesetzt. Mit diesem Förderprogramm ist Österreich europaweit Vorreiter in der regionalen Klimawandelanpassung. Unterstützt werden die Gemeinden und Regionen vom südlichen Weinviertel bis in den Vorarlberger Walgau dabei auch von Expertinnen und Experten des Umweltbundesamts.

Über die KLAR!-Regionen des Klimafonds werden Gemeinden in Regionen unterstützt die sich vorausschauend den Herausforderungen des Klimawandels stellen und sich an diesen anpassen wollen. Dort richtete sich der Fokus jüngst auf die fehlenden Niederschläge, gerade im Frühjahr 2020, welches zu den 15 trockensten der Messgeschichte zählte. Die Landwirtschaft fürchtete zu Recht Ernteeinbußen aufgrund fast dürreähnlicher Verhältnisse. Sechs KLAR!-Regionen haben in diesem Zusammenhang bereits erste Maßnahmen gesetzt, um mit dem zu viel oder zu wenig an Wasser und den Auswirkungen auf Boden, Weinbau und Trinkwasser umzugehen.

So verursachen etwa Trockenheit und Bodenerosion in der KLAR! Stiefingtal bereits seit vielen Jahren sehr große Schäden in der Landwirtschaft, der Klimawandel verschärft die Problematik. Damit es nicht zu noch größeren Schäden in der Landwirtschaft des Stiefingtals kommt, braucht es Maßnahmen für einen Erosionsschutz. Diese vermeiden Bodenabtrag durch Wasser, Eis, Wind und Schwerkraft. Es gibt sehr viele geeignete Maßnahmen wie der Erosionsschutz in der Praxis erfolgen kann. Aus diesem Grund wurde dort gemeinsam mit den regionalen Landwirten ein Versuchsfeld eingerichtet, um nachhaltigen Erosionsschutz zu erforschen und zu vermitteln. Schwerpunkt sind hierbei die Mulchsaat sowie welche Begründungsmischungen für das Stiefingtal ideal sind.

Die KLAR! Unteres Traisental – Fladnitztal verfügt über eine besondere Geologie und Morphologie. In Kombination mit dem Klimawandel entsteht dadurch ein massives Grundwasserproblem. Rund 300 Winzerinnen, Winzer, Landwirtinnen und Landwirte haben sich dort zusammengeschlossen, überschüssiges Wasser rechtzeitig zu speichern, um es später sinnvoll zu nutzen. Das Projekt zum regionalen Wassermanagement ist wichtig für die langfristige Qualitätssicherung des Weinbaus im Unteren Traisental.

Um sich zur Klimawandelanpassung regional besser abzustimmen, haben Landwirtschaftende in der KLAR! Mittleres Raabtal in Kooperation mit vielen Expertinnen und Experten eine bemerkenswerte Vernetzung geschaffen, um höheren Temperaturen, längeren Trockenperioden und dem häufigeren Auftreten von Starkregen und in dieser Folge Erosion und Bodenverdichtungen entgegenzuwirken. Um nachhaltig neuen Humus aufzubauen, die Bodenstruktur zu verbessern, die Wasserspeicherfähigkeit zu erhöhen und so widerstandsfähiger gegenüber den Klimaänderungen zu machen, kommen Mikroorganismen im Ackerbau sowie Expertisen zum Erkennen neuralgischer Erosionsstellen in den Ortsteilen zum Einsatz.

© KLAR! Bucklige Welt – Wechselland

Die Entwässerung von Güterwegen, Forst- und Bergstraßen ist in der KLAR! Bucklige Welt durch die topografischen Gegebenheiten bzw. steilen Hanglagen bei Unwetterereignissen durch Verklausungen und daraus resultierenden Überschwemmungen sowie Vermurungen eine Herausforderung. Die KLAR! Bucklige Welt- Wechselland hat sich zum Ziel gesetzt, bewusstseinsbildende Maßnahmen in der Wasserrückhaltung der kleinstrukturierten Straßenentwässerung durchzuführen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die künftigen Sanierungen und Neubauten von Güterwegen, Forst- u. Bergstraßen durchgeführt werden können.

So sollen Best-Practice Beispiele in der Region identifiziert werden, die zur Bewusstseinsbildung bei der Wasserrückhaltung auf Güterwegen, Forst- und Bergstraßen dienen. Ebenso sollen diese Kleinstrückhaltebecken als Trinkbrunnen für Tiere fungieren und deren Auswirkungen auf die Biodiversität aufgezeigt werden. In einem weiteren Schritt sollen die Ergebnisse als Konzept für künftige Sanierungen und Neubauten von Güterwegen, Forst- und Bergstraßen dienen, damit diese Infrastruktur vor Starkregenereignissen, die infolge des Klimawandels vermehrt erwartet werden, bestmöglich geschützt ist.

Das BMK unterstützt seit vielen Jahren die Beratung für Gemeinden zum Thema Klimawandelanpassung. Unterschiedliche Institutionen stehen neben dem Team des Umweltbundesamtes österreichischen Gemeinden und Regionen für Auskünfte zum Thema Klimawandelanpassung in der Praxis zur Verfügung. Die Klimaschutzkoordinatorinnen und -koordinatoren der Bundesländer stehen ebenso für Auskünfte bereit wie auch speziell ausgebildete Klimawandelanpassungsberaterinnen und -berater. Speziell zum Themenbereich Schutz vor Naturgefahren können „Naturgefahrencheckerinnen und Naturgefahrenchecker“ eintägige Vorsorgechecks in Gemeinden durchführen.

Was kostet uns die Klimakrise?

Der Vorsorgecheck Naturgefahren im Klimawandel richtet sich an BürgermeisterInnen, AmtsleiterInnen, BauamtsleiterInnen, VertreterInnen von Einsatzorganisationen und InteressensvertreterInnen in der Gemeinde, wird vor Ort durchgeführt und zeigt auf, wo für die Gemeinden Handlungsbedarf besteht. Dafür analysieren lokale und regionale WissensträgerInnen, welche Gefahren für die Gemeinde relevant sind. Werden sich künftig in der Region Hochwasser- oder Starkregenereignisse häufen? Verstärkt der Klimawandel die Hitzegefahren oder verursachen Lawinen und Windwurf im Wald zunehmend Schäden? Sind diese Fragen geklärt, werden die Risiken abgewägt und eingeschätzt, wie sie sich in Zukunft entwickeln. Ausgebildete AuditorInnen unterstützen bei der Selbstanalyse, zeigen auf in welchen Bereichen es Unterstützung braucht und wo man sie findet.

Lernpotential für andere Regionen

„Konkrete Klimaschutzmaßnahmen bieten Chancen für die Menschen und für die Wirtschaft. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten sind Investitionen in den Klimaschutz auch eine wichtige Unterstützung für viele lokale Betriebe und Unternehmen“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Die ab sofort zur Verfügung stehenden fünf Millionen Euro flössen so direkt in die Regionen, sorgen für Wertschöpfung vor Ort und sichern nachhaltige Green Jobs.

© KLAR! Naturpark Pöllauer Tal / Reinhold Schöngrundner

„Ob im Wintertourismus oder im Obstbau – wie gerade der Spätfrost zeigt – wir spüren den Klimawandel im ganzen Land. Dank der maßgeschneiderten Strategien werden die Folgen des Klimawandels vor Ort gemildert und wirksame Anpassungen vorgenommen“, ergänzt Klima- und Energiefonds-Geschäftsführer Ingmar Höbarth. Bei der Umsetzung von Maßnahmen könnten die Regionen ihm zufolge viel voneinander lernen und zu Vorreitern für Energiewende, Klimaschutz und Klimawandelanpassung werden.

Gemeindepaket für Klimaschutzprojekte

Nicht zuletzt sorgt das im Zuge der Coronahilfen der Bundesregierung beschlossene Gemeindepaket für zusätzlichen Schwung auch für klimaschutzrelevante Projekte in ländlichen Regionen. Der Bund stellt eine Milliarde Euro an Investitionszuschüssen zur Verfügung. Mindestens 20 Prozent der Mittel sollen für ökologische Maßnahmen verwendet werden, wodurch mit diesem Gemeindepaket der Bundesregierung auch weitere 200 Millionen Euro für Klimaschutzprojekte in Städten und Gemeinden zur Verfügung stehen. Das ausgehandelte Paket sieht vor, dass der Bund 50 Prozent von Investitionsprokjekten übernimmt, die entweder von 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2021 begonnen werden oder bereits ab 1. Juni 2019 begonnen wurden, wenn die Finanzierung aufgrund der Corona-bedingten Mindereinnahmen nicht mehr möglich ist.

„Mit einer Milliarde Euro werden wir Österreichs Gemeinden unterstützen, die Folgen von Corona abzufangen. Dieses Paket unterstützt nicht nur die Regionen Österreichs, es ist vor allem eine Investition in den Klimaschutz in unsere Gemeinden. Damit schaffen wir Arbeitsplätze, Lebensqualität und Wertschöpfung in den Regionen in Österreich“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Gerade jetzt sei es wichtig mit Investitionen in den Klimaschutz die Konjunktur zu beleben.

Das Geld fließe so nicht nur in Modernisierungsmaßnahmen, es werde auch direkt die regionale Wirtschaft gefördert. Das Gemeindepaket setzt in dieser Hinsicht auf die vielfältigen Klimaschutzprojekte in den österreichischen Gemeinden. Dabei wird die thermische Sanierung und Errichtung von Gebäuden, die Schaffung von öffentlichen Wohnräumen, die Errichtung von Photovoltaikanlagen und die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität gefördert. Auch Investitionen in Schulen, Kindergärten oder Seniorenheime und Behinderten-Einrichtungen sind Teil des Pakets und können so für klimagerechte Modernisierung und damit auch der Klimawandelanpassung sorgen.

INFObox: Der Klima- und Energiefonds ist die Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft und entwickelt in enger Kooperation mit dem BMK Strategien und Förderprogramme für die nachhaltige Transformation des Energie- und Mobilitätssystems. KLAR! ist das europaweit erste Programm zur Klimawandelanpassung und unterstützt österreichische Regionen bei diesem Unterfangen, um Wohlstand im ländlichen Raum abzusichern bzw. auszubauen. Mit Hilfe des Programms, das vom Klima- und Energiefonds 2016 in Kooperation mit dem BMK gestartet wurde, entwickeln Modellregionen in ganz Österreich ihr maßgeschneidertes Anpassungskonzept und regional abgestimmte Maßnahmen und setzen diese in weiterer Folge um. Seit dem Frühjahr 2018 implementieren die ersten Regionen die geplanten Maßnahmen, diese werden von 39 Regionen nun weiter vertieft. Mit diesem Förderprogramm ist Österreich europaweit Vorreiter in der regionalen Klimawandelanpassung und verbindet einen Bottom-Up-Ansatz mit den Zielen der nationalen Klimawandelanpassungsstrategie.

 

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