Kategorie Klima- & Umweltschutz - 17. Februar 2025
Die faszinierenden Reisen österreichischer Kaiseradler
Vor 26 Jahren kehrte der Kaiseradler nach über 200 Jahren Abwesenheit als Brutvogel nach Österreich zurück. Gnadenlose Verfolgung durch Abschüsse und Gift sowie der Einsatz von Pestiziden brachten ihn in ganz Mitteleuropa an den Rand des Abgrunds. Doch nicht zuletzt aufgrund von Schutzbemühungen haben sich die Bestände in den letzten 25 Jahren unverhofft gut entwickelt. Dennoch ist er mit rund 50 Brutpaaren immer noch eine sehr seltene Vogelart und gilt als gefährdet.

Kaiseradler © Richard Katzinger
Seit der Wiederansiedlung sorgt BirdLife Österreich unermüdlich für den Schutz der majestätischen Adler und hat dank intensiver Forschung auch ziemlich genaue Einblicke in ihr Leben und ihre Wanderbewegungen. Neue Zahlen belegen, dass die Tiere zum Teil enorme Strecken zurücklegen, oft über 300 Kilometer am Tag und zum Teil mehr als 50.000 Kilometer bis zur Ansiedlung als Brutvogel.
Die mit Sendern versehenen österreichischen Adler besuchten so bereiets schon 24 europäische Länder. Rund 50 Jungadler hat BirdLife seit 2011 mit kleinen GPS-Sendern ausgestattet, die spannende Einblicke in die Lebensweise und das Reiseverhalten der Tiere geben. Für die Greifvögel sei der kleine Rucksack keine Behinderung, sagt Matthias Schmidt, Greifvogel-Experte bei BirdLife. Der Sender wiegt gerade einmal 25 Gramm und ist mit einem Solarpanel und einem Akku ausgestattet. Für die rund vier Kilogramm schweren Vögel keine große Last. Geht die Lebensdauer des Senders zu Ende, löst dieser sich von alleine.
- Zur Besenderung werden einzelne Jungtiere vorsichtig aus dem Nest genommen © BirdLife Österreich
- Der nur 25g schwere Sender ist für die großen Greifvögel keine Bürde © BirdLife Österreich
- Die GPS-Daten geben Schmidt wichtige Hinweise zu Lebensstil und Todesursachen der Kaiseradler © BirdLife Österreich
Aus ihren neuen Brutgebieten im Weinviertel und Nordburgenland unternehmen Jungtiere teils erstaunlich lange Reisen, wie BirdLife nun feststellte. Manche Tiere bereisten zwölf Länder oder mehr und unternahmen ausgedehnte Ausflüge nach Bayern, an die Adria oder sogar bis in die Ukraine.
Der Grund für das Reiseverhalten junger Kaiseradler liege in der Entwicklung, sagt Schmidt. Als „Junggeselle“ würden Kaiseradler extensiv ihren Lebensraum erkunden wollen, ein logisches Muster gebe es allerdings nicht.
- Flugroute des Kaiseradlerweibchens Artemisia © BirdLife Österreich
- Flugroute des Kaiseradlers Rudi © BirdLife Österreich
„Sie entscheiden einfach je nach Lust und Laune, wo es Nahrung gibt oder wie das Wetter oder die Flugbedingungen sind“, sagt er. Von oben suchen die Kaiseradler sich ihr künftiges Revier. Doch die meisten kehren wieder zurück ins Weinviertel, zeigen die Daten.
Denn Kaiseradler suchen offene, steppenartige Lebensräume, erklärt Schmidt, „so wie man es hier in den pannonischen Teilen von Österreich hat.“ Auch das Nahrungsangebot, Kaiseradler ernähren sich zu einem nicht unwesentlichen Teil von Aas, sei angesichts der vielen Verkehrswege und damit zusammenhängenden Wildschäden gut.
Um einen erfolgreichen Schutz des Kaiseradlers auf nationaler und internationaler Ebene zu ermöglichen, wird auch das nötige Grundlagenwissen gesammelt: Neben den Brutstandorten werden auch der Bruterfolg, die Jungenanzahl, die Todesursachen sowie die Nahrung und der Lebensraum der seltenen Adler-Art untersucht.
1,9 Millionen Flug-Kilometer
„Eine der ersten Erkenntnisse war, dass sich das Verhalten der Kaiseradler von Tier zu Tier stark unterscheidet. Während der eine Jungvogel im ersten Winter nach Griechenland fliegt, verbringt der andere einen Großteil seiner Zeit im Weinviertel“, so Schmidt. „Jeder dieser Lebenswege ist eine Geschichte für sich“. Dass diese oft nicht glücklich enden, zeigt die hohe Todesrate durch illegale Verfolgung.
„Der Abschuss von Artemisia, die zuvor über halb Europa geflogen ist und mit ihrem Anblick viele Menschen erfreut hat, war sicher eine der traurigsten Lebensgeschichten“, so Schmidt. Es gibt aber auch sehr schöne, wie jene der Kaiseradler-Dame Esperanza, welche 2024 bereits in ihrem 12. Lebensjahr ist und neun Jungvögel erfolgreich erbrütet hat.
Vor allem in den ersten Jahren sind die jungen Kaiseradler sehr umtriebig. So besuchte etwa der Kaiseradler Rudi seit dem Verlassen des elterlichen Reviers im Jahr 2023 bereits 12 Länder und legte dabei mehr als 30.000 Flugkilometer zurück. Tagesflugstrecken von über 300 Kilometern sind dabei keine Seltenheit.
Insgesamt legten die Kaiseradler auf ihren Reisen durch Europa mehr als 1.9 Millionen Kilometer zurück. Diejenigen, die nicht illegaler Verfolgung, Kollisionen oder anderen Todesursachen zum Opfer fallen und die Jugendjahre überleben, werden nach Erreichen des brutfähigen Alters sesshaft und beziehen ein eigenes Revier.
Die in Österreich geschlüpften und besenderten Jungvögel taten das vor allem in Österreich, aber auch in den Nachbarländern Slowakei, Tschechien und Ungarn. Die Reviergrößen der brütenden Kaiseradler variieren sehr stark, können sich aber über mehrere hundert Quadratkilometer erstrecken. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten sind auch hier gut erkennbar. Während manche Individuen ihre tägliche Routine haben und nur sehr kleinräumig unterwegs sind, gibt es andere, welche auch als Brutvogel immer wieder lange Erkundungsflüge über hunderte Kilometer unternehmen.
Die Rückkehr des Kaiseradlers ist sicherlich eine der Erfolgsgeschichten für den Vogelschutz in Österreich. „Viele Menschen haben unsere Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten in unterschiedlichster Form unterstützt. Von den engagierten Vogelkundler:innen, den Landnutzer:innen und diversen Projektpartnern bis hin zu den Spender:innen. Ihnen allen gebührt Dank, denn ohne deren Hilfe wäre Vieles nicht möglich gewesen, was dem Kaiseradler die Rückkehr nach Österreich erleichtert hat.“, so Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich.
Hintergrund
Der Kaiseradler (Aquila heliaca) zählt zu Österreichs herausragenden Naturgütern. In den vergangenen beiden Jahrhunderten hatte der Greifvogel einen schlechten Stand in Mitteleuropa und wurde rigoros verfolgt. Ende der 1980er lebten nur noch wenige Dutzend Paare in Ungarn und der Slowakei. Erst durch intensive Schutzbemühungen erholten sich seine Bestände und Ende der 1990er kehrte der majestätische Adler als Brutvogel nach Österreich zurück, wo er knapp 200 Jahre als ausgestorben galt. Kaiseradler sind in Österreich und der gesamten Europäischen Union streng geschützt und global gefährdet.