Kategorie Klima- & Umweltschutz - 5. November 2024

COP16: UN-Artenschutzkonferenz blieb hinter den Erwartungen zurück

Kritische Bilanz von Klimaschutzministerin Gewesslers: „Mit diesem Ergebnis kann niemand zufrieden sein“

Die UNO-Artenschutzkonferenz im kolumbianischen Cali ist ohne eine Einigung zu Finanzierungsfragen zu Ende gegangen. Die Präsidentin der COP16, die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad, erklärte die Konferenz am Samstag für beendet, da das nötige Quorum für Abstimmungen nicht mehr erreicht werden könne.

 

Ein ernüchternder Kontrast zur Artenschutzkonferenz in Montreal, als vor zwei jahren nach einer nervenzehrenden Nachtsitzung im Kongresszentrum plötzlich Applaus aufbrandete, die Verhandlerinnen sich umarmten und ein neues Weltnaturschutzabkommen feierten. 196 Staaten hatten sich damals darauf verständigt, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen – das sogenannte 30×30-Ziel.

Es hatte Jahre gedauert, sich auf das Kunming-Montreal-Abkommen zu einigen, nun ist allerdings klar, dass die Umsetzung noch viel länger dauern dürfte. Ein erster Versuch ist in Kolumbien nur teilweise gelungen, in zentralen Fragen gilt die erste Konferenz nach Montreal als gescheitert.

„Ich bin ehrlich: Mit diesem Ergebnis kann niemand zufrieden sein. Das Programm auf dieser Konferenz war voll, aber wir haben es nicht abgeschlossen. Diese Lehre müssen alle mitnehmen: Die Zeit drängt. Jetzt gibt es eine letzte Chance. Und es gibt keine Ausreden und keinen Grund für Verzögerung“, so die kritische Bilanz von Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Es sei zwar ein Teil geschafft, aber es bleibe dennoch viel Arbeit. „Ich bin froh, dass wir bei der Weltnaturkonferenz in wichtigen Bereichen gut vorangekommen sind. Es bleibt aber auch klar – genug ist das nicht. Gerade bei der Umsetzung des Kunming-Montreal-Abkommens haben wir noch richtig viel zu tun.“

Die kolumbianische Konferenz-Präsidentschaft hatt noch am Freitag in einem neuen Papier unter anderem den Beginn eines Verhandlungsprozesses vorgeschlagen, um bis zur nächsten COP im Jahr 2026 in Armenien einen neuen Fonds zu schaffen, mit dem reiche Staaten die ärmeren Länder beim Artenschutz unterstützen. Die reichen Staaten haben sich bereits verpflichtet, ihre jährlichen Hilfen zum Naturschutz bis zum Jahr 2030 auf 30 Milliarden Dollar zu erhöhen.

Österreichischen Schutzgebiete wachsen weiter

Gewessler gab am Rande der Weltnaturkonferenz bekannt, dass die österreichischen Schutzgebiete in den kommenden Jahren nochmals um 600 Hektar wachsen werden. Möglich wurde das durch die die diesjährige Ausschreibung des Biodiversitätsfonds, über die Ausweitungen finanziert werden können. Im Zuge dieses Calls wurden mehrere Projekte aus ganz Österreich eingereicht. Zur Umsetzung stehen insgesamt 27 Millionen Euro zur Verfügung.

Damit wollte Österreich auch in den schwierigen Verhandlungen auf der Weltnaturkonferenz ein Zeichen setzen, um ein Ergebnis der Konferenz zu erzielen. „Am Ende geht es beim Naturschutz um die Welt, in der wir Menschen leben. Naturschutz ist Menschenschutz“, so Gewessler.

Zuvor war zumindest noch eine Teileinigung erreicht worden. Die Delegierten stimmten der Schaffung eines Fonds für die Aufteilung von Gewinnen zu, die aus der Nutzung von Gendaten von Pflanzen und Tieren stammen. Der sogenannte Cali Fonds sieht vor, dass Unternehmen oder andere Nutzer der Daten, die diese kommerziell verwerten, „einen Teil ihrer Profite oder Einnahmen in den weltweiten Fonds einzahlen“, wie es in der Einigung heißt.

Ab einer gewissen Einkommenshöhe müssten Profiteure ein Prozent ihres Gewinns oder 0,1 Prozent ihres Einkommens in den Fonds geben, heißt es in der Einigung. Die Mittel des Fonds sollen dann unter Aufsicht der UNO zur einen Hälfte an die Staaten gehen, in denen die Arten vorkommen und zur anderen Hälfte an die entsprechenden indigenen Völker. Die Einigung ist für die in dem Dokument genannten Branchen, darunter Pharma- und Kosmetikindustrie, allerdings nicht bindend.

Alarmierende Zahlen zur Artenvielfalt

Expertinnen zeichnen indes ein düsteres Bild von der Lage des Planeten: Demnach ist die Lebensgrundlage sowohl von einer Million Pflanzen- und Tierarten als auch die des Menschen stark gefährdet. Die ausgebliebenen Fortschritte zur Umsetzung des globalen Naturschutzabkommens von Montreal sind vor diesem Hintergrund ein herber Rückschlag.

Durch menschliche Aktivitäten seien bereits jetzt drei Viertel der Erdoberfläche erheblich umgewandelt und zwei Drittel der Ozeane geschädigt, erklärte der Weltrat für Biologische Vielfalt (IPBES). Zwischen 1970 und 2015 verschwanden über ein Drittel der Feuchtgebiete auf den Kontinenten. „Die Bodenverschlechterung durch menschliche Aktivitäten untergräbt das Wohlergehen von mindestens 3,2 Milliarden Menschen“, heißt es im jüngsten Bericht des IPBES.

Gleichzeitig wird darin betont, dass der Nutzen einer Wiederherstellung der Böden zehnmal höher wäre als die entsprechenden Kosten. Wie dringlich der Plan ist, das Kunming-Montreal-Abkommen bis 2030 umzusetzen und unter anderem 30 Prozent der zerstörten Land-, Binnengewässer-, Meeres- und Küstenökosysteme „wirksam wiederherzustellen“, unterstreicht der jüngst veröffentlichte Bericht der Datenbank Protected Planet. Dem zufolge liegen aktuell nur 17,6 Prozent der Land- und Binnengewässerflächen sowie 8,4 Prozent der Meeres- und Küstengebiete in ausgewiesenen Naturschutzgebieten.

Das bedeute, dass bis 2030 noch eine Landfläche von der Größe Brasiliens und Australiens zusammen sowie eine Meeresfläche, die größer als der Indische Ozean ist, ausgewiesen werden müssen, um das 30×30-Ziel zu erreichen.

Für den WWF Österreich, der an der Seite des Klimaschutzministeriums (BMK), des Umweltbundesamtes und des Außenministeriums zur Österreichischen Delegation gehörte, war das vorläufige Ende der Konferenz auch deshalb „eine herbe Enttäuschung“. „Während die biologische Vielfalt massiv zurückgeht und unsere Lebensgrundlagen bedroht sind, fehlen der Politik Ambition und Konsequenz für echte Fortschritte“, sagt WWF-Experte Joschka Brangs. „Wir fordern die Staatengemeinschaft auf, schleunigst Lösungen für alle wichtigen offenen Fragen zu präsentieren. Alles andere wäre eine politische Bankrotterklärung.“

Greenpeace Österreich wertete die fehlende Entscheidung über die Finanzierung bei der COP16 in einer Aussendung als „herben Schlag für den internationalen Artenschutz“. Ursula Bittner, Artenschutzexpertin bei Greenpeace kommentierte: „Den Verhandelnden ist wohl der Ernst der Lage nicht bewusst. Ohne ausreichend finanzielle Mittel ist Naturschutz zahnlos.“

Greenpeace begrüßte jedoch die Anerkennung afroamerikanischer Gemeinschaften im Rahmen der Konvention und das neu eingerichtete Gremium für die Rechte von Indigenen. „Diese Fortschritte werden jedoch leider von der unzureichenden Finanzierung überschattet. Es ist inakzeptabel, dass die reichen Länder ihre Zusage von 20 Milliarden Dollar brechen. Der Staatengemeinschaft muss klar sein: ohne intakte Ökosysteme gibt es kein Leben auf diesem Planeten“, wurde Bittner in der Aussendung zitiert.

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