Kategorie Innovation & Technologie - 17. August 2016

Der Satellit im All, das Schwarze Loch in der Badewanne

Seit gestern, Dienstag, ist ein Satellit namens Micius im All, mit dem chinesische und österreichische Physiker (um Anton Zeilinger) „Quantum Experiments at Space Scale“ durchführen werden. Er heißt nach Mo-tse, einem chinesischen Philosophen des fünften Jahrhunderts v. Chr., der sich recht pragmatische Gedanken über das Wohlergehen einer Gesellschaft gemacht hat, aber auch entdeckt haben soll, dass das Licht sich geradlinig ausbreitet.

Ein passender Namensgeber für Experimente, die einerseits die faszinierende, kontraintuitive Quantennatur des Lichts bestätigen sollen, andererseits einige praktische Bedeutung haben könnten: Quantenkryptografie und Quantenkommunikation sollen abhörsichere Datenübertragung ermöglichen.

Zentral dafür ist das Phänomen der Verschränkung: Teilchen, etwa Photonen, bleiben miteinander über beliebige Entfernungen verbunden und scheinen einander augenblicklich zu beeinflussen. Dass diese Verschränkung über 140 Kilometer, von La Palma bis Teneriffa, funktioniert, das haben die Physiker um Zeilinger voriges Jahr gezeigt. Nun probieren sie es über die Distanz von 1000 Kilometern – ins Weltall und wieder zurück. So seltsam die Verschränkung anmuten mag, die Messung wird konkrete Daten liefern und die Voraussagen der Quantenphysik einmal mehr prüfen.

 

Simulation der Hawking-Strahlung

Ganz anderen Charakter hat ein Experiment, über das Jeff Steinhauer (Israel Institute of Technology, Haifa) in Nature Physics (15. 8.) berichtet. Es befasst sich ebenfalls mit Verschränkung – aber von Photonen einer Strahlung, die bisher noch nicht gemessen werden konnte: die 1975 von Stephen Hawking postulierte und nach ihm benannte Strahlung, die aus Schwarzen Löchern kommen soll. Diesen Monstern der Schwerkraft dürfte nichts entkommen, wenn es nach der klassischen Physik geht. Anders in der Quantenphysik: Sie erlaubt, dass aus dem Vakuum ständig miteinander verschränkte Paare von Photonen entstehen, auch am Rand eines Schwarzen Lochs. Jeweils eines dieser Photonen wird vom Schwarzen Loch verschlungen, während das andere ihm entkommt: Das ergibt die Hawking-Strahlung, die bewirkt, dass auch Schwarze Löcher nicht ewig leben.

Doch die Hawking-Strahlung ist viel zu schwach, um aus großer Ferne gemessen zu werden. (Und wirklich nahe will man Schwarzen Löchern ja gar nicht kommen.) So kam der kanadische Physiker William Unruh 1981 auf die Idee, sie im Labor zu simulieren: mit Schall statt Licht, mit Schall- statt Lichtgeschwindigkeit, mit Hydrodynamik statt Gravitation, mit Phononen (Quanten von Schallwellen) statt Photonen. Größen der allgemeinen Relativitätstheorie werden in Größen der Hydrodynamik „übersetzt“, diese werden gemessen.

Das Schwarze Loch in der Badewanne sozusagen. Einer nicht ganz gewöhnlichen Badewanne allerdings: Steinhauer, der das von Unruh vorgeschlagene Experiment nun durchgeführt hat, verwendet ein Bose-Einstein-Kondensat, das ist ein Zustand der Materie, der nur bei sehr tiefen Temperaturen auftritt. So sei es ihm gelungen, die Verschränkung und damit die Quantennatur der Hawking-Strahlung zu bestätigen, schreibt er: „The entanglement verifies the quantum nature of the Hawking radiation“, steht wörtlich in der Arbeit, der Titel lautet: „Observation of Hawking radiation and its entanglement in an analogue black hole“.

„Ich glaube nicht, dass wir aus diesen Simulationen jemals etwas über wirkliche Schwarze Löcher lernen werden“, kommentiert Toby Wiseman, theoretischer Physiker am Imperial College London: „Sehr wohl bestätigen sie Hawkings Ideen, freilich nur in diesem analogen Setting.“ Physik in Metaphern also: ziemlich postmodern. (von Thomas Kramar, Die Presse)