Kategorie Innovation & Technologie - 2. September 2016
Schockgefroren in den Supermarkt
Die Hälfte des in Österreich konsumierten Brotes war vor dem Backen tiefgefroren. Sogenannte Prebake-Produkte gibt es in jedem Supermarkt, der Marktanteil der Brote und Weckerl, die als gefrorene Teiglinge an den Einzelhandel geliefert werden, hat sich zwischen 2005 und 2012 verdoppelt. Ist ein im Supermarkt aufgebackenes Brot ungesünder als frisches? „Nein. An Vitaminen, Ballaststoffen und Stärke ist in Supermarktbrot gleich viel drin wie in frischem Bäckereibrot“, sagt Regine Schönlechner vom Institut für Lebensmitteltechnologie der Boku.
Aber die Wasseranteile im Teigling werden beim Gefrieren zu Eiskristallen und verändern so das Proteinnetzwerk im Teig: Das führt zu kleinerem Volumen beim Aufbacken, zu einer höheren Brüchigkeit und schnellerem Altwerden des Brotes.
Forschung an der Massenware
Schönlechner leitet an der Boku Wien das Forschungsprojekt Frozen Bakery, das von der Forschungsgesellschaft FFG finanziell unterstützt und von der niederösterreichischen Agentur Ecoplus koordiniert wird. Sie will von wissenschaftlicher Seite die Vorurteile gegen Prebake-Produkte beseitigen und an der Zukunft des Brotes forschen. „Es gibt zwei Trends: Einerseits wollen alle möglichst billig einkaufen. Daher nimmt der Anteil an Supermarktware zu. Andererseits kaufen die, die es sich leisten können, Spezialbrot und High-Quality-Produkte. Beides existiert parallel, und ein neues Spezialbrot verdrängt nicht die billigen Semmeln aus dem Supermarkt.“
Das Team der Lebensmitteltechnologen an der Boku untersucht nun, wie man die günstige Massenware noch besser machen kann. Im Branchenprojekt sind Partner aus allen Bereichen involviert, die bei einem guten Brot „mitmischen“: Saatzuchtfirmen, Müllereien, Bäckereien, Backmittel- und Zusatzstoffhersteller und Handelsvertreter. Jeder Arbeitsschritt, von der Saat über die Ernte und Verarbeitung in der Mühle, die Wahl der Hefe in der Bäckerei und die Kontrolle der durchgehenden Kühlkette bis zum Supermarkt, wird genau durchleuchtet und auf Verbesserungspotenzial untersucht.
An der Boku besteht dazu eine Laborbäckerei, wo kleine Mengen tiefgefroren und dann als Teiglinge zu Brot gebacken werden. „Natürlich gibt es auch Verkostungen, an denen wir Forscher teilnehmen, um Geschmack und Textur zu bewerten. Aber sonst backen wir meist in dem Maßstab, den wir für die Labortests brauchen. Manchmal bleibt etwas für uns zum Essen übrig“, erzählt Schönlechner.
Das Team begleitet auch unterschiedlichste Großversuche in Bäckereibetrieben, bei denen an der Rezeptur, den Hefestämmen oder der Art des Knetens gefeilt wird. Auch die Methode des Schockfrierens und die Art der Tiefkühlverpackung – ob einzeln oder in Fünferpackungen, in Folie oder ohne – machen Unterschiede aus. „Ein Punkt ist sicher, dass gefriertolerante Hefe gute Ergebnisse bringt“, sagt Schönlechner. Denn beim Tiefkühlen stirbt ein Teil der Hefezellen ab. „Brot ist eine lebendige Matrix. Das Gefrieren unterbricht den Gärungsprozess und belastet die Hefezellen. Beim Auftauen geht die Gärung weiter.“
Daher ist es wichtig, wie lange die aufgetauten Teiglinge im Supermarkt „herumliegen“, bevor sie ins Backrohr kommen. Hier gleichen Großbäckereien mit ihrer Erfahrung das aus, was ungeschultes Personal an der Brottheke nicht wissen kann. Sie bereiten die tiefgekühlten Brotwaren so vor, dass die Auftauzeit geregelt ist und dass mit einem Standardprogramm alles gut aufgeht: Weckerl, Semmerl, Weißbrot, Schwarzbrot. „Deswegen brauchen Teiglinge die höchste Qualität bei den Zutaten: Denn frisches Brot ,verzeiht‘ mehr. Ein Bäcker kann in den Backvorgang individuell eingreifen, ein Supermarktangestellter nicht.“
Weizen ist ein gutes Getreide
Schönlechner sieht diese Forschung als „Fine Tuning“ des Systems: Die aktuellen Teiglinge sind sehr gut, doch wo kann man sie noch optimieren? So wie es eigene Weizensorten gibt, die sich nicht für Kekse, sondern für Brot eignen, könnte man in Zukunft Weizen züchten, dessen Inhaltsstoffe tiefgekühlte Teiglinge noch besser haltbar machen.
Wichtig ist der Lebensmitteltechnologin zu betonen, dass Weizen als Getreide nichts Schlechtes sei: „Nur für Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit ist Weizen ungesund. Doch für alle anderen ist das ein gesundes Getreide, über das viele Unwahrheiten im Umlauf sind.“ Die Gefahr liege vielmehr in der Einseitigkeit der Ernährung, weshalb Schönlechner rät, beim Einkauf auf Vielfalt zu achten: Vollkorn, Weißmehl und verschiedene Getreidesorten bringen eine für die Gesundheit wichtige Abwechslung. (Von Veronika Schmidt, Die Presse)