Kategorie Innovation & Technologie - 21. November 2018

Big Data Value Forum: Schlüssel zur Künstlichen Intelligenz

Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie dieses Jahrhunderts. Sie wird wie wenig andere Faktoren unser Leben grundlegend verändern. Was Computer plötzlich zu leisten imstande sind, ist erstaunlich und ungeheuerlich zugleich: Algorithmen erkennen Krankheitsbilder schneller als jeder Arzt, Software steuert Autos und womöglich auch bald Drohnen, eine andere malt und komponiert den alten Meistern zum Verwechseln ähnlich.

Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, so sind sich Expertinnen und Experten einig, ist ein Wendepunkt der Technologiegeschichte und mindestens so weltverändernd wie die Erfindung des Internets, von Computern oder Smartphones und werde unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu wirtschaften nachhaltig modifizieren.

Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist jedoch auf die Verfügbarkeit großer Datenmengen angewiesen. Deswegen ist die Grundlage der Weiterentwicklung dieser Technologie und aller damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen die sogenannte Big Data.

Dieser häufig als Sammelbegriff gebrauchte Terminus, wird für digitale Technologien verwendet, die in technischer Hinsicht für eine neue Ära digitaler Kommunikation und Verarbeitung und in sozialer Hinsicht für einen gesellschaftlichen Umbruch verantwortlich gemacht werden. Er bezeichnet Datenmengen, welche beispielsweise zu groß, zu komplex, zu schnelllebig oder zu schwach strukturiert sind, um sie mit manuellen und herkömmlichen Methoden der Datenverarbeitung auszuwerten.

Spitzen Europäischer Forschung, Entwicklung & Wirtschaft in Wien

In den vergangen Jahren wurden enorme Ressourcen in die KI-Forschung gesteckt. Nun stellen sich Fragen, wie es mit dieser Technologie weitergehen soll, welche Anwendungsbereiche auf dem Sprung in die nächste Phase der Digitalisierung profitieren und wie die Datenmassen effizient und sicher verarbeitet werden können?

Vom 12. bis zum 14. November kamen auch aus diesem Grund die Spitzen Europäischer Forschung, Entwicklung und Wirtschaft in Wien zusammen, um Rahmenbedingungen und Initiativen datengetriebener Innovation und künstlicher Intelligenz zu diskutieren.

Das European Big Data Value Forum 2018 (EBDVF2018) fand dabei als Veranstaltung im Rahmen des österreichischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union unter Beteiligung der Europäischen Kommission und Vertretern der Industrie statt. Mehr als 600 Personen aus 38 Ländern nahmen an der Veranstaltung teil.

Der erste Tag wurde entsprechend durch Bundesminister Norbert Hofer und Direktorin Gail Kent (Europäische Kommission) eingeleitet. Daneben übernahm Mark Shuttleworth (Gründer von Ubuntu) eines der Eröffnungstatements. Danach wurde an zwei Tagen im Austria Center Vienna die technischen Umsetzung in unterschiedlichen Anwendungsfeldern sowie aktuelle Entwicklungen zur Regulierung auf Europäischer Ebene und Rahmenbedingungen für künftige Forschungsförderung diskutiert. Am dritten Tag fanden in der Siemens City Wien Workshops unter anderem zu Networking und Ökosystemen für Daten statt.

Netzwerk zur Förderung der Datenwirtschaft

Österreich ist bei der Etablierung von Plattformen zum legalen und transparenten Austausch von Daten in Europa führend und wird neben dem bereits erfolgreich umgesetzten Data Market Austria weitergehende Initiativen vorstellen. So wurde bei der Konferenz auch die vom BMVIT unterstützten Data Intelligence Offensive (DIO) vorgestellt: Sie ist ein breit angelegter Zusammenschluss von Forschung, Industrie und staatlichen Stellen zur Unterstützungs des Übergangs in die Big Data maßgeblich verarbeitende Datenwirtschaft.

Die DIO soll Sicherheit und Vertrauen schaffen und den Einsatz relevanter Technologien, die Marktbildung, das Management von Daten und intelligente Services fördern.

Um die Vorteile, große Datenmengen mit Hilfe von KI zu interpretieren und zur Effizienzsteigerung optimal einzusetzen, bestmöglich ausnutzen zu können, braucht es neben Forschung auch mehr Kooperationen und Plattformen, zeigten sich Expertinnen und Experten beim European Big Data Value Forum überzeugt.

Dass Künstliche Intelligenz kreativ werden kann, ist bereits eingangs erwähnt worden. Ein von KI angefertigtes Kunstwerk ist nun vor Kurzem in New York für gut 432.000 Dollar (380.000 Euro) versteigert worden. Aber ist das der Weg, den Wertschöpfung aus Digitalisierung nehmen soll, oder was steckt tatsächlich hinter Bestrebungen, die Digitalisierung in der Wirtschaft voranzubringen und fest zu verankern?

Erste Anwendungen zeigen bereits auf, wohin die Reise mit KI in der Industrie gehen könnte. Der Technologiekonzern Siemens, in dessen Österreich-Zentrale am 14. November der dritte und letzte Tag des Forums in Form von Workshops stattfand, hat bereits einschlägige Erfahrungen mit KI gesammelt. „In Spanien konnten wir für den Bahnbetreiber Renfe mit KI-Methoden die Verfügbarkeit der Züge signifikant nach oben schrauben“, erklärte Thomas Hahn, Chief Expert Software bei Siemens und frisch gekürter Präsident der European Big Data Value Association bei einem Hintergundgespräch der apa.

Best Practice in Österreich

Per Reinforcement Learning konnte man auch den Betrieb von Windparks um ein bis drei Prozent effizienter machen oder bei Gasturbinen die Stickoxid-Emissionen um ein Viertel reduzieren, erklärte der globale KI-Chefexperte der Siemens Forschungsabteilung. Dabei werden laufend Daten aus dem Betrieb der Anlage mit zahlreichen anderen Informationen wie zum Beispiel Wetterprognosen kombiniert und wieder in die Steuerung rückgeführt. Die Anlage lernt dadurch ständig dazu und optimiert sich gewissermaßen selbst.

„Big Data ist die Basis und oben drauf sind die KI-Komponenten, die diese Hilfen bieten können“, sagt Stefanie Lindstaedt, Leiterin des Instituts für Wissenschaftstechnologie und des Know-Centers der Technischen Universität (TU) Graz. In Österreich habe man allerdings noch zu wenig begriffen, dass man anfallende Daten im Betrieb eines Unternehmens als eigenen Wert begreifen könne und daher in die Dateninfrastruktur investieren müsse – „weil man damit ganz neue Dinge machen kann“.

Unternehmen müssten sich dementsprechend viel stärker über Plattformen miteinander vernetzen, so Lindstaedt, die auch dem wissenschaftlichen Beirat der unlängst von BMVIT und BMDW eingerichteten Digitalisierungsagentur vorsteht. Über die Interaktion mit einem großen Netzwerk an Akteuren, auch dem Wettbewerb, könne man völlig neue Arten der Wertschöpfung erschließen.

Assistenzsysteme mit automatischer Bilderkennung würden etwa Autolackierereien dabei helfen, Lackfehler zu finden und das Lackiersystem besser einzustellen. Aber auch beim Durchforsten und Analysieren von Textdaten könnten schon heute KI-Systeme helfen. In einem Projekt des Know-Centers habe man die Angebotslegung für das Grazer Siemens-Werk beschleunigt, das Drehgestelle für Straßenbahnen und Züge produziert.

„Wenn Siemens ein Angebot für Drehgestelle legt, dann kommen von dem potenziellen Käufer 200.000 Anforderungen herein“, sagt Lindstaedt. Gefüttert mit bisherigen Angeboten und den Expertenantworten darauf, hat ein KI-System gelernt, selbst Anforderungen abzuarbeiten und ein vorausgefülltes Angebot zu generieren. Nur wo sich das System unsicher ist, müssen noch Menschen zur Überprüfung hinzugezogen werden: „Dadurch reduzieren wir 200.000 Anforderungen auf 10.000, die sich tatsächlich noch ein Mensch anschauen muss.“

Gretchenfrage Ausbildung

Bleibt die oft gestellte Frage, ob durch solche Methoden sukzessive menschliche Arbeitskraft ersetzt wird. „Die Anforderungen an Menschen an solchen Arbeitsplätzen werden höher“, so Lindstaedt. Andererseits könne auch mehr Zeit für kreative Arbeiten genutzt werden, wenn Software und Maschinen vermehrt Routinearbeiten übernehmen.

Umso wichtiger sei es, verstärkt Datenwissenschafter und KI-Expertinnen und -Experten auszubilden. Die Ausbildungen müssten aber idealerweise mit anderen Disziplinen wie Sozialwissenschaften, Psychologie oder Wirtschaft verschränkt sein – wie etwa in einem aktuellen, gemeinsamen Studiengang der Universität Graz und der TU Graz. Ziel müsse es sein, IT-Ergebnisse besser interpretieren zu können und nicht einfach alles zu glauben, was Algorithmen als Lösungen präsentieren, betonte die Expertin.

Ebenso wichtig wie Kommunikationsplattformen seien Pilotprojekte, neue Technologien aktiv zu erproben, führte Harald Loos, Forschungschef von Siemens Österreich, ins Treffen. Mit Pilotfabriken zu den Themen Industrie 4.0 oder für Gebäude und Energie wie in der Smart City Aspern verfüge Österreich über spezifische Stärken, „Dinge auszuprobieren und für die Umsetzung zu lernen“.

apa/red

INFObox: Zur aktiven Gestaltung des digitalen Wandels haben das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) die neue Digitalisierungsagentur (DIA) eingerichtet, die als Ansprechpartner für alle Digitalisierungsfragen fungieren soll. Die DIA wird von den beiden Ministerien finanziert und in der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) in Wien eingerichtet. Daneben gibt es nun die vom BMVIT unterstützte Data Intelligence Offensive (DIO): Sie ist ein breit angelegter Zusammenschluss von Forschung, Industrie und staatlichen Stellen zur Unterstützungs des Übergangs in die Datenwirtschaft.