Kategorie Informationen & Tipps - 17. Januar 2019

Verkehr, Logistik, Roaming, Raumfahrt: Was der Brexit nach sich zieht

Ungläubige Blicke und jede Menge Unverständnis richteten sich quer durch Europa abermals in Richtung der Insel, die das Europäische Bündnis schon bald verlassen wird: Nachdem sich das britische Unterhaus nun jedoch gegen den EU-Brexit-Deal ausgesprochen hat, ist die Zukunft Großbritanniens in vielelei Hinsicht ungewiss. Viele Fragen blieben bisher unbeantwortet, mögliche Szenarien drehen sich um gänzlich gegensätzliche Positionen. Von einem sogenannten harten Brexit, über einen zeitlichen Aufschub, bis hin zu einem neuen Referendum werden Optionen diskutiert.

Was wären aber mögliche Auswirkungen eines harten Brexit, eines No-Deals auf Österreich? Viele Branchen, deren Agenden auch vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) koordiniert werden, wären davon betroffen. Auch wenn das Brexit-Szenario schon länger skizziert wird, ein solches Chaos kurz vor dem vereinbarten Austrittstermin am 29. März 2019 hätte kaum einer für möglich gehalten.

Der Brexit rückt immer näher. Was sind die Folgen? © pixabay

Auch das BMVIT hat in den vergangenen Monaten unter Hochdruck gearbeitet, um ein No-Deal-Szenario abzufedern. Bundesminister Norbert Hofer: „Wir können mit gutem Gewissen behaupten, dass wir gewappnet sind.“ Allerdings betont Hofer auch, dass es unbedingt notwendig sein wird, zwischen dem Vereinigten Königreich (UK) und Österreich weiterhin eine gute Gesprächsbasis zu haben, um sowohl für die Österreicherinnen und Österreicher wie auch für britische Staatsbürger keine zu großen Nachteile entstehen zu lassen.

Was wird sich ändern? Ein kurzer Überblick:

Logistik

Ein harter EU-Austritt Großbritanniens würde die Transportbranche relativ schwer treffen. An der Grenze drohen erhebliche Wartezeiten. Für die wichtige Branche hätte ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ganz konkrete Folgen: Das Speditionsgewerbe kann heute bereits errechnen, was passieren wird, wenn Zölle eingeführt und der Warenverkehr kontrolliert werden. Allein für eine Zollabfertigung müssten nach Aussagen großer Transportkonzerne durchschnittlich 30 bis 40 Minuten an Zeitaufwand veranschlagt werden.

Was das für den heutigen Lkw-Verkehr bedeutet, zeigt diese Zahl: Durch den sogenannten Kent-Korridor, dessen Routen zwischen Calais und Dover sowie Coquelles und Folkestone verlaufen, transportieren derzeit täglich 11.000 Lkw Waren von und nach Großbritannien. Selbst die für diese Arbeit notwendigen zusätzlichen 1.000 Zollbeamten könnten Wartezeiten von vielen Stunden oder gar Tagen nicht vermeiden.

11.000 Lkw fahren täglich von und nach Großbritannien. © pixabay

Selbst ein geregelter Austritts-Deal würde erhebliche Auswirkungen auf Österreich und Europa haben. Doch in diesem Fall würde den Wirtschaftstreibenden ab dem 29. März 2019 zumindest eine Übergangsphase bis Ende 2020 eingeräumt, in der alles wie bisher liefe und man sich auf die neuen Gegebenheiten und Zollabwicklungen einstellen könnte. Beide Szenarien – Deal und No Deal – werden laut Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer „mit sehr großem administrativem Aufwand verbunden sein“.

Ein Austritt der Briten ohne Vertrag mit der EU wäre ein problematisches Crash-Szenario, wenn ganze Handelsbeziehungen von einem Tag auf den anderen sofort auf WTO-Niveau von Drittländern fielen. Das hieße, es würden alle Zollformalitäten im gleichen Ausmaß wie mit Drittstaaten anfallen, die für die Wirtschaft plötzlich zu implementieren wären.

Per se nichts Ungewöhnliches für die heimische Transportbranche, da es ja zum täglichen Geschäft gehört, die Drittland-Formalitäten zu erfüllen. Die schiere Menge an Mehraufwand und damit verbundene Mehrkosten wären dagegen schon ein Problem. Mögliche Stehzeiten an der Grenze, erneute Lagerkosten und Auswirkungen auf die Lieferqualität von Just-in-time-Lieferungen kämen hinzu. Andersherum kämen für britische Einfuhren die volle EU-Drittlandzölle zum Tragen.

Für die Logistik bedeutete dies eine enorme Herausforderung und die Verladehäfen Calais und Dover dürften ein wahres Nadelöhr werden. Statt derzeit 500 Lkw pro Tag müssten bei einem No-Deal-Szenario über 10.000 Lkw zusätzlich abgefertigt werden.

Noch ein Detail zeigt die Herausforderung, die ein harter Brexit an die Transportbranche stellt: Tiere dürften nicht mehr ohne Quarantäne nach Großbritannien oder von dort in die EU mitgebracht oder eingeführt werden.

Luftverkehr

Es ist geplant eine EU-weite Regelung zur Aufrechterhaltung der Flugverbindungen zwischen der EU und UK einzuführen. In jedem Fall wird auf österreichischer Ebene für weiterhin bestehende Verbindungen im Luftverkehr Sorge getragen werden. Allerdings kann es dennoch zu Flugausfällen kommen, sodass Reisen nach UK ab dem 30. März 2019 mit Vorsicht zu planen sind. Darüber hinaus sollten Reisende bei Buchungen darauf achten, ob in den Vertragsbestimmungen Klauseln enthalten sind, die einen Ausfall der Reise bei einem Austritt UKs ohne Abkommen vorsehen.

Bezüglich der Ansprüche von Passagieren bei Verspätung oder Absage eines Fluges ist nach derzeitigem Stand mit keinen unmittelbaren Änderungen zu rechnen, da UK angekündigt hat alle Fluggastrechte auch weiterhin zu gewährleisten. Alle Ansprüche bleiben jedenfalls wie bisher erhalten, wenn es um Flüge einer europäischen Fluggesellschaft geht oder um Flüge aus der EU nach UK.

Straßenverkehr

Autofahrten in UK sind auch nach dem Austritt weiterhin möglich. Es ist laut Ankündigung des UK für Besitzerinnen und Besitzer eines österreichischen Führerscheins auch nicht notwendig einen internationalen Führerschein mitzuführen. Voraussichtlich wird allerdings das Mitführen der Grünen Karte als Versicherungsnachweis verpflichtend sein.

Besitzerinnen und Besitzer eines britischen Führerscheines, die in Österreich wohnhaft sind, müssen ihren Führerschein umschreiben lassen. Die neuerliche Ablegung der Fahrprüfung ist dabei nicht notwendig.

Für Besitzerinnen und Besitzer von Autos, die entsprechend einer Typengenehmigung in Verkehr gebracht wurden, die von einer Behörde des UK ausgestellt wurde, ändert sich durch den Austritt nichts.

Telekommunikation

Ab dem 30.März 2019 werden Verbraucherinnen und Verbraucher aus der EU, die ihr Mobiltelefon im Vereinigten Königreich nutzen (bzw. auch umgekehrt, britische Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU) nicht mehr berechtigt sein, von der EU-Roaming-Verordnung zu profitieren. Der jeweilige Mobilfunkanbieter kann dann festlegen, welche Tarife für seine Kundinnen und Kunden gelten, wenn sie das internationale Roaming im Vereinigten Königreich nutzen.

Brexit heißt auch: Aus der EU-Roaming-Verordnung auf der Insel. © pixabay

Die Mobilfunkanbieter sind verpflichtet, ihre Kunden über die Höhe der Roaminggebühren zu informieren, allerdings wird empfohlen, vor Antritt einer Reise nach Großbritannien bei diesem Erkundigungen einzuholen.

Mit dem Austritt fällt UK auch aus dem EU-Regelungsbereich für Beendigungsgebühren, welche sich die Telekommunikationsbetreiber gegenseitig verrechnen. Dies könnte zu höheren Gesprächsgebühren bei Telefonaten zwischen EU und UK führen.

Markenschutz

Gemeinschaftsmarken und -designs, sowie sonstige geistige Eigentumsrechte, die in der EU registriert sind, gelten ab dem 30. März nur noch im Gebiet der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten. Sollten Sie Inhaber eines derartigen Schutzrechts sein mit geschäftlichen Interessen in Großbritannien und noch keinen entsprechenden Antrag gestellt haben, wird dringend geraten dieses umgehend auch in Großbritannien eintragen zu lassen.

Raumfahrt

Ein ungeregelter Austritt der Briten aus der Europäischen Union könnte auch zu einer Herausforderung für die Europäische Raumfahrtagentur ESA werden. „Wir müssen Probleme angehen“, sagte ESA-Chef Jan Wörner am Mittwoch in Paris.

Es sei unklar, wie mit für die Raumfahrt wichtigen Gütern verfahren werde, die in Großbritannien produziert und dann in die EU geliefert werden. „Weil wir nicht wissen, wie es ausgehen wird, müssen wir unterschiedliche Szenarien in Erwägung ziehen.“

„Wir haben nicht die Absicht, unsere Aktivitäten mit Großbritannien zu reduzieren“, betonte Wörner. Großbritannien habe bereits vor dem Referendum zugesichert, ein ESA-Mitgliedsstaat zu bleiben. „Und das ist gut so.“ Es gebe allerdings Diskussionen, was das Satellitennavigationssystem Galileo betrifft. An einigen Komponenten soll Großbritannien nach dem EU-Austritt nicht mehr teilhaben können.