Kategorie Innovation & Technologie - 26. März 2019

Mit den Flugkünsten von Ahornsamen aus dem Weltraum zur Erde

Dieses Schauspiel ist einem seit der Kindheit wohlbekannt: Jedes Frühjahr zeigt die Natur in Parks und Wäldern ihr Arsenal an flugfähigen Früchten und Samen. Von den Bäumen trudeln Ahornsamen wie von Zauberhand gemächlich von den Bäumen durch die Luft. Kleinen Propellern gleich wirbeln sie gen Boden. An stürmischen Tagen sind sie durch Windböen in der Lage, kilometerweit zu gleiten. Was uns als Kind beeindruckte, ist für die Wissenschaft ein hochinteressantes Forschungsfeld. Können wir von Früchten und Samen eine neue Art des Fliegens lernen?

 

Bisher standen vor allem Tiere Modell für menschliche Flugobjekte: Vögel, Fledermäuse oder Gleithörnchen waren die Vorbilder aus der Natur. Vermehrt rücken nun auch Pflanzen mit allerlei Schrauben-,  Gleit- und Schirmfliegern in den Fokus für originelle und funktionsfähige Fliegermodelle.

Moderne Bionik

Genau jene Ahornsamen standen auch Pate für ein ambitioniertes Raketenprojekt unter Beteiligung des TU Wien Space Teams: Aus dem Weltraum wurden Messgeräte abgeworfen, die nach diesem Prinzip ganz ohne Fallschirm wohlbehalten zur Erde zurückkehrten – aus  75 Kilometern Höhe. Gelungen ist das mit Hilfe von Flügeln, die die Sonden – sehr ähnlich wie bei den Ahornsamen – in Rotation versetzen und abbremsen. Der Start erfolgte bereits am 4. März, die Auswertung der Daten habe nun den Erfolg des Projekts belegt, teilte das Space Team mit.

 

Die Projektidee klingt beinahe unmöglich: Kann man röhrenförmige Messgeräte aus dem Weltraum abwerfen, die im freien Fall Messdaten sammeln und dann ganz von selbst, ohne Fallschirm, unversehrt zur Erde zurückkehren? Das Projekt Daedalus, ein Zusammenschluss von Studierenden der Universität Würzburg und des TU Wien Space Teams, hat nun bewiesen: Ja, das lässt sich machen. Eigentlich wäre das Experiment schon vor einem Jahr geplant gewesen, damals gab es allerdings unerwartete Probleme mit der deutsch-schwedischen Trägerrakete. Am 4. März konnte der Raketenstart mit den Messgeräten an Bord endlich nachgeholt werden. Nun, nachdem die Daten ausgewertet sind, zeigt sich: Das Projekt war ein voller Erfolg.

Das Space Team der TU Wien ist ein vom Weltraumministerium (BMVIT) unterstützter Studierenden-Verein, der in den letzten Jahren immer wieder aufwändige Weltraumprojekte durchgeführt hat – von der Entwicklung eigener Raketen bis zum Start eines Mini-Satelliten.

Hoch hinaus zum Datensammeln

Das Ziel im Projekt Daedalus war es, ein Gerät zu entwickeln, mit dem man günstig und einfach meteorologische Daten sammeln kann. Die Höhe von etwa 70–80 Kilometern ist besonders interessant: Für Wetterballons, die höchstens auf 30 bis 40 Kilometer aufsteigen können, ist das bereits zu hoch, und mit Satelliten lässt sich dieser Bereich der Atmosphäre nur schlecht erfassen.

Die Grundidee für das neuartige Messgerät erinnert an Ahornsamen, die durch ihre langen Flügel ganz langsam und sanft zu Boden sinken. Auch die drei röhrenförmigen Sonden des Daedalus-Projekts sind mit Flügeln ausgestattet, die ihren Fall bremsen.

https://www.facebook.com/rexusbexus/videos/vb.375803267122/386939625419889/?type=2&theater

 

Bionik nennt man dieses Prinzip: Erfolgreiches Lernen von der Natur für die Verbesserung der aktuellen Technik. Das Ziel moderner Bionik sind Innovationen, die Rohstoffe und Energie sparen, und Umwelt und Natur schonen.

Fun Fact: Auch Leonardo da Vincis bahnbrechende Ideen zu Hubschraubern kamen ihm höchstwahrscheinlich während der Untersuchung oder des Spiels mit Ahornsamen. Leonardo war ein ausgefuchster Bioniker, der sich bei seinen Entwürfen oft auf Dinge aus der Natur stützte und sich von ihr inspirieren ließ

Das Geheimnis des Ahornsamenfluges ist noch gar nicht so lange gelüftet. Man wußte, dass die aerodynamische Form der Samen und die Rotation für den nötigen Auftrieb sorgen. Dadurch bleiben die Samen länger in der Luft. Es war lange Zeit allerdings ein Rätsel, warum die Ahornsamen ihrer Größe gemäß nicht schneller zu Boden fallen. Forscher fanden heraus, dass sich über der oberen Kante des Flügels eines rotierenden Samens ein kleiner Luftwirbel bildet. Dieser verringert den statischen Luftdruck, wodurch der Samen einen Schub nach oben erhält.

Vom Sturz- in den rotierenden Gleitflug

In den Weltraum befördert wurden die Sonden im Rahmen von REXUS/BEXUS, einer Kooperation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit dem Swedish National Space Board und der ESA. In einem unbesiedelten Gebiet in Schweden werden im Rahmen von REXUS/BEXUS Raketen gestartet, die von Studierenden entwickelte Instrumente in eine Höhe von 70 bis 80 km transportieren.

„Nach dem Auswerten der Daten können wir nun sagen, dass unser Experiment plangemäß verlaufen ist“, berichtet Christoph Fröhlich, Präsident des Space Teams. 130 Sekunden lang stieg die Rakete auf, dann wurden die drei Sonden in einer Höhe von 75 km plangemäß ausgeworfen. Im freien Fall wurden sie auf 800 Meter pro Sekunde beschleunigt, bevor sie nach dem Wiedereintritt in die Atmosphäre abgebremst wurden. Bei der Landung hatten sie noch eine Geschwindigkeit von etwa 25 m/s. Mit Hilfe von Satellitenkommunikationsmodulen meldeten die Sonden dann ihren Aufenthaltsort, per Hubschrauber konnten alle drei schließlich geborgen werden – etwa 33 km von der Startrampe entfernt.

„Bis auf einige Flügel, die vermutlich durch Kontakt mit Bäumen bei der Landung abgebrochen sind, blieben die Sonden unversehrt“, sagt Christoph Fröhlich. Entscheidend für das Team war die Frage, ob der Ahornsamen-artige Bremsmechanismus korrekt funktioniert hat. „Wir konnten nun die Sensordaten auswerten, dazu gehören die Sinkgeschwindigkeiten und die Drehgeschwindigkeit der Sonden. Sie zeigen, dass die Sonden wie geplant in einer stabilen Rotation abgebremst wurden. Sie sind also nicht bloß wie ein Stein nach unten gefallen, und es kam auch nicht zu unkontrolliertem Trudeln.“

Das bedeutet, dass die im Rahmen des Daedalus-Projekts entwickelte Technologie funktioniert und sich für Atmosphärenexperimente bestens eignet. „Diesmal ging es uns darum, die Methode zu demonstrieren, in Zukunft wollen wir auch wissenschaftliche Experimente in der Atmosphäre durchführen“, sagt Christoph Fröhlich. Eine Nachfolgemission ist bereits geplant.

Weiterführende Links:

INFObox: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben.