Kategorie Innovation & Technologie - 22. Oktober 2015
Der Laster der Zukunft tankt eiskalt
Graz – Wie kann ein Straßentransport ohne Diesel aussehen? Gibt es sinnvolle Alternativen? Es wird an Elektro-Lkws gearbeitet, die aber von schweren Akkus und geringen Reichweiten gebremst werden. Selbst Oberleitungen für Lastzüge auf Straßen werden erwogen. Nicht zuletzt der aktuelle VW-Abgasskandal verleiht der Forderung nach neuen Technologien Nachdruck.
Einer der vielversprechendsten Kandidaten für einen Dieselersatz ist verflüssigtes Erdgas oder LNG (Liquefied Natural Gas). Kühlt man Erdgas, das hauptsächlich aus Methan besteht, auf unter -160 Grad Celsius ab, wird es flüssig und weist nur noch einen Bruchteil des Volumens auf. „In diesem flüssigen Zustand kann man es in entsprechend isolierten Behältern lagern, um es als Treibstoff für Lkws zu verwenden“, sagt Matthias Rebernik. Genau das möchte der Gründer des Grazer Start-ups Cryoshelter ehesteffizient ermöglichen. Das 2013 gegründete Unternehmen wurde unter anderen von der österreichischen Förderagentur AWS unterstützt und erhielt kürzlich einen EU-Grant in der Höhe von 1,7 Millionen Euro, um eine Fertigung im Industriemaßstab umzusetzen.
Erdgas ist nicht nur sauberer als Diesel, durch die Kombination mit Biogas – beispielsweise aus Pflanzenabfällen – wird auch die Brücke zu einer nachhaltigen Mobilität geschlagen. LNG ist übrigens nicht zu verwechseln mit Flüssiggas bzw. LPG (Liquefied Petroleum Gas), das als Nebenprodukt der Erdölgewinnung und -raffinierung entsteht und Komponenten wie Propan oder Butan enthält.
Kernelement der LNG-Tanks, die Rebernik mit seinem Unternehmen baut, ist eine effizientere thermische Isolation, die verhindert, dass Temperatur und damit der Druck ansteigen und das Gas zu schnell entweicht. Reberniks Entwicklungsarbeit optimiert die dahingehende Technik, um möglichst viel LNG am Fahrzeug unterbringen zu können. „Maximale Reichweiten von über 1500 Kilometer werden, abhängig von der Fahrzeugkonfiguration, möglich.“ Im Rahmen des EU-Projekts „LNG Blue Corridors“ soll Europa mit einem entsprechenden Tankstellennetz versehen werden.
LNG-Tanks seien grundsätzlich „wie Thermoskannen“ aufgebaut, erläutert der Gründer. Der Behälter ist von einer Vakuumkammer umgeben. Im Inneren befindet sich zur Isolation eine Reflexionsschicht aus Aluminium. Zum einen ermögliche seine Entwicklung eine Verkleinerung des Isolationsspalts bei gleicher Isolationsgüte, erklärt Rebernik. So bleibe mehr Volumen für die LNG-Lagerung. Zum anderen muss man die Masse des Innentanks, der bis zu einer halben Tonne wiegt, stabil im Außenbehälter befestigen, damit er den dynamischen Belastungen eines Lkw-Lebens standhält. Dazu entwickelte er Verbindungselemente, die möglichst wenig Wärme übertragen.
Diese Kombination sei auch der Schlüssel zu einem modularen Aufbau des Tanks, der den vorhandenen Raum am Lkw optimal nutzt. „Insgesamt sei ein Reichweitenvorteil von 30 Prozent im Vergleich zu bestehenden LNG-Tanks möglich“, so der Gründer.
Im Endeffekt ist die Motivation für Frächter ein günstiger Preis des LNG-Antriebs im Vergleich zu Diesel. „Unsere Mission ist, dass Anschaffungs- und Servicekosten sowie Reichweitenvorteil in Summe die niedrigsten Kosten pro Kilometer im Vergleich zu anderen LNG-Tanks verursachen“, betont Rebernik.
Die Straßenzulassung erfordert es, dass ein Laster fünf Tage geparkt werden kann, ohne dass das Gas aufgrund steigenden Drucks entweicht. Diese Vorgabe erfüllen die Cryoshelter-Tanks „mit Leichtigkeit“, sagt Rebernik. Sollte es künftig Bedarf geben, berge die Technik weiteres Potenzial für eine maßgebliche Verbesserung der Isolationsgüte. Mit zwei Lkw-Herstellern gebe es bereits Kooperationen. Im Frühjahr sollen erste Fahrzeuge auf der Straße sein.
Aufgrund der letztlich aber befristeten Speicherbarkeit von LNG eignet sich der Antrieb zwar gut für Nutzfahrzeuge, die täglich im Einsatz sind, nicht aber für Privat-Pkws, die wesentlich längere Stehzeiten ohne Treibstoffverlust überdauern müssen.
Problem Personalsuche
Der Unternehmer begann seine Entwicklerkarriere mit einer Doktorarbeit über Flüssigwasserstofftanks für Pkws an der TU Graz. Im Anschluss begann er, eine eigene Isolation zu entwickeln. Die Suche nach Anwendungen dafür führte ihn zu den LNG-Lastern.
Als vergleichsweise schwieriges Problem habe sich für den Unternehmer, der derzeit zehn Mitarbeiter beschäftigt, dagegen die Suche nach qualifiziertem technischem Personal herausgestellt. „Das ist heute ein wesentlicher Teil meines Tagesablaufs.“(Alois Pumhösel, 22.10.2015)
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Cryoshelter