Kategorie Innovation & Technologie - 10. November 2015

Technologien für Katastrophenfälle

Wien – Die vermehrte Ankunft von Flüchtlingen stellt nicht nur Politik und Zivilgesellschaft vor Herausforderungen, auch für die Wissenschaft ergibt sich daraus ein neuer Forschungsbedarf. „Entweder wir bauen Grenzzäune, oder wir entwickeln entsprechende Technologien“ – dieser Satz war während der diesjährigen Tagung des Forschungsförderungsprogramms Kiras des Verkehrsministeriums und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, die vergangene Woche in Wien stattgefunden hat, mehrfach zu hören. Mit diversen Entwicklungen versuchen Wissenschafter, die in der Sicherheitsforschung tätig sind, technische Antworten auf gesellschaftliche Fragen, Krisen- oder Katastrophenfälle anzubieten.

Gefahr durch Vernetzung

Seit das nationale Sicherheitsforschungsprogramm 2005 startete, wurden 172 Projekte mit insgesamt 58 Millionen Euro gefördert, weitere sechs Millionen Euro gehen an 20 Projekte, die heuer anlaufen. Im Zentrum der meisten Kiras-Projekte steht die zunehmende digitale Vernetzung von privaten und öffentlichen Einrichtungen.

Diese stellt einerseits eine Gefahrenquelle für Störaktionen dar, andererseits eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten für ehrenamtliche und professionelle Helfer, eine schnellere und zielgerichtetere Vernetzung einzurichten.

Ein Beispiel dafür ist „Resilience Enhancement by Advanced Communication for Team Austria“ (Re-acta). Bei dem kürzlich abgeschlossenen Projekt ging es um die Entwicklung neuer Kommunikationswerkzeuge für das „Team Österreich“ – eine gemeinsame Initiative des Radiosenders Ö3 und des Roten Kreuzes. Mehrere Tausende Freiwillige haben sich dafür mit Kontaktdaten und Fertigkeiten online registriert, um in Krisensituationen wie Erdbeben, Hochwasser oder bei der Betreuung von unerwartet vielen Flüchtlingen Hilfe zu leisten.

Einbindung von Freiwilligen

„Wir wollten eine stärkere Einbindung der Freiwilligen in Österreich im Krisen- und Katastrophenmanagement erreichen“, sagte Projektleiter Christoph Ruggenthaler vom Austrian Institute of Technology (AIT), Absolvent der Fachhochschule Technikum Wien. Um das zu erreichen, wurde ein Tool geschaffen, mit dem registrierte Freiwillige in Krisensituationen abhängig von ihrem Aufenthaltsort und Fertigkeiten gezielt kontaktiert und informiert werden können.

Weiters ging es darum, die Kommunikation möglichst effizient zu gestalten: Statt mit traditionellen Medien die Bevölkerung österreichweit zu informieren, sollen soziale Medien dazu genutzt werden, gezielt Betroffene und Helfer vor Ort mit lokalisierten Informationen zu versorgen. Da in einer zunehmend verstädterten Gesellschaft die sozialen Netze loser sind, müssen für eine anonyme Crowd von Helfern, die keine persönliche Beziehung zueinander haben, andere Kommunikationswege gefunden werden als bei der ländlichen freiwilligen Feuerwehr, bei der jeder jeden kennt.

In einem Feldtest der neuen Anwendung stellte das Forscherteam fest, dass die Beschreibungstexte der Krisensituation und die zugehörigen Handlungsanweisungen zwar verständlich für professionelle Helfer sein mögen – für nichttrainierte Freiwillige müssen sie aber niederschwelliger gestaltet werden. „Wir müssen bedenken, dass das ‚Team Österreich‘ aus sehr verschiedenen Personen besteht: von Teenagern bis über 60-Jährigen, von Pflichtschulabgängern bis Akademikern“, sagte Ruggenthaler.

Social Media für Hilfseinsatz

Die Nutzung von Social Media für den Einsatz bei Krisen- und Katastrophenfällen war auch Teil des Projekts „Quelloffene Integrierte Multimedia Analyse“ (QUOIMA), das ebenfalls bei der Kiras-Tagung präsentiert wurde. Im Zentrum des von Joanneum Research koordinierten Projekts steht die Frage, inwiefern Informationen in Medien mit oft unbekannten Quellen wie Twitter oder Facebook bei Einsätzen hilfreich sein können.

Die Bilanz fiel gemischt aus: Einerseits zeigte sich anlässlich eines Hochwassers, dass im Vergleich zu traditionellen Medien in Social Media vermehrt auch irrelevante Informationen kursieren: Die Forscher fanden Krokodil-Foto-Postings, Falschmeldungen wie auch Fotos von Frauen, die mit Stöckelschuhen auf Sandsäcken posieren – allesamt Informationen, die für Helfer eher störend als hilfreich sind.

Andererseits zeigte sich, dass Social Media in manchen Fällen der schnellere Informationskanal ist. Insofern wäre die Zusammenführung von Informationen aus traditionellen und sozialen Medien für den Einsatz im Katastrophenfall ideal. Um das zu erreichen, wird noch an entsprechenden Werkzeugen gearbeitet. (Tanja Traxler, xy,11.2015)

Info

Die Ausschreibung 2015/2016 für Kiras-Projekte endet am 1. Februar 2016.

Link

www.kiras.at