Kategorie Innovation & Technologie - 15. Juni 2022
Wie sich Kollisionen im zunehmenden Drohnenverkehr verhindern lassen
Eine Reihe von Systemen soll Europas Luftraum auf regen Drohnenverkehr vorbereiten. In Kärnten entsteht ein System zur Risikoanalyse
Überwachung und Wartung von Kraftwerksmauern, Produktionsanlagen oder Windrädern, Umweltmonitoring, die Kontrolle landwirtschaftlicher Flächen, der Transport eiliger Paketsendungen und sogar Personentransport: In allen diesen Bereichen wird der Drohnentechnik eine große Zukunft vorhergesagt.
Die unbemannten Fluggeräte sollen autonom oder aus großer Ferne gesteuert ihre Dienste verrichten. Dabei dürfen sie weder Menschen noch menschliche Infrastrukturen gefährden und sich natürlich auch gegenseitig nicht in die Quere kommen. Auch wenn künftige Himmel voller Drohnen hängen, soll es keine Kollisionsopfer regnen.
Um die Entwicklung von Infrastrukturen voranzutreiben, die den regen Drohnenverkehr über Österreich ermöglichen, koordinieren und in geregelte Bahnen lenken, wurde 2020 Airlabs Austria gegründet. Das Forschungsunternehmen, das auf fünf Jahre vom Luftfahrtprogramm Take Off des Technologieministeriums via die Förderagentur FFG unterstützt wird, vereint ein Konsortium von 26 wissenschaftlichen Institutionen, Unternehmen und potenziellen Anwendern, das von der FH Joanneum geführt wird.
Airlabs soll als Betreiberorganisation eine Reihe von Testinfrastrukturen schaffen, um den Drohnenflug samt ihrem Management nicht nur im Labor, sondern auch in realen Anwendungsbereichen zu erproben. Simulationen, Indoor-Tests und Spezialanwendungen in diesem Bereich – etwa Monitoring und Wartungsflüge an Kraftwerken oder Stromtrassen oder Flüge in spezifischen Umgebungen wie im urbanen Raum – sollen unter diesem Dach zusammengeführt werden. Auch größere Lufträume werden in Kooperation mit der österreichischen Zivilluftfahrtbehörde Austro Control als Testgebiete für komplexe Probeflüge erschlossen.
Pilot ohne Sichtverbindung
Einer der Gesellschafter von Airlabs Austria ist die FH Kärnten. Gernot Paulus, Professor für Geoinformation, und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten an Komponenten einer Test- und Validierungsinfrastruktur für autonom fliegende Drohnen, die im Rahmen des Projekts mit Anwendungen weiterer Konsortionalpartner zusammenfließen soll. Eines der Themen von Paulus und seinem Team ist eine automatische Risikoabschätzung für Drohnenflüge, bei denen es keine direkte Sichtverbindung zwischen dem Piloten und der Drohne gibt.
„Die europäischen Regularien sehen großteils noch immer nur Drohnenflüge vor, die auf Sicht erfolgen. Mittlerweile gibt es aber Ausnahmen für Spezialanwendungen, die über den Sichtbereich hinausgehen, sodass beispielsweise bei Monitoringaufgaben größere Reichweiten möglich sind“, erklärt Paulus den Hintergrund.
Für derartige automatische Flüge, die vom Piloten lediglich über eine Bodenstation überwacht werden, muss allerdings eine aufwendige Risikoanalyse durchgeführt werden. Im Fachjargon spricht man dabei von einem Specific Operations Risk Assessment (SORA). „Dazu gehören grundsätzlich zwei Bereiche: zum einen das ‚ground risk‘, wobei Risiken am Boden, etwa bei einem Absturz, abgeschätzt werden, und das ‚air risk‘, das danach fragt, wie wahrscheinlich ein Zusammenstoß mit anderen Flugobjekten ist“, erklärt Paulus.
Umfassende Dokumentation
„Von der Erfahrung des Piloten bis zur Vorgangsweise bei Notfällen müssen zudem viele weitere Angaben gemacht werden.“ Der Genehmigungsprozess erfordert eine umfassende Dokumentation des geplanten Flugs, die derzeit in einem eigenen Antrag an die Austro Control übermittelt werden muss und dort geprüft und mit bestehenden Flugplänen abgeglichen wird.
Sollen Drohneneinsätze ohne Sichtflug künftig zu einer verbreiteten Praxis werden, ist diese Vorgangsweise nicht praktikabel. Paulus und Team entwickeln deshalb ein System, das diese Risikoabschätzung mit einer Vielzahl an digitalisierten Prozessen unterstützt. „Das Risiko wird aufgrund von digitalen Landkarten und Flugplänen, die mit der geplanten Flugroute abgeglichen werden, automatisch berechnet“, beschreibt Paulus. „Gleichzeitig liefern wir anhand hochauflösender Vorhersagen auch eine automatische Abschätzung des Wetterrisikos.“
Der Ansatz soll zu einem Puzzlestein in einem künftigen Managementsystem werden, das die Drohnenaktivitäten in den EU-Luftraum integriert. Kernelement ist ein – derzeit in Aufbau befindliches – UTM-System (Unmanned Aircraft System Traffic Management), das den gesamten Drohnenflugverkehr des Landes koordinieren lässt. Die automatisierte Risikoabschätzung soll auch eine entsprechende Schnittstelle zur direkten Anbindung an dieses System bieten.
Vermessung der Schneedecke
Die neue Art der Risikoanalyse, die im Rahmen von Airlabs im Zusammenspiel mit weiteren Systemen erprobt wird, kommt auch bereits bei einer Monitoringaufgabe zum Einsatz: Im Projekt Snowpower, koordiniert vom Umwelttechnikunternehmen VUM, wird an der Kölnbreinsperre, die zu den Speicherkraftwerken im Maltatal in Kärnten gehört, probeweise eine flächendeckende Vermessung von Schneehöhen durchgeführt.
Die resultierenden Daten könnten zu einer Grundlage für die Modellierung der Wasserverfügbarkeit in den Speichern werden. Unterschiedliche Erfassungssysteme werden dabei erprobt, darunter auch eine auf Drohnen basierende Vermessung durch optische Sensoren. Die Oberflächenprofile bei Schneelage werden dabei jeweils in Relation zu einem schneefreien Geländeprofil gesetzt.
„Die Frage der Wirtschaftlichkeit des Drohnensystems bei dieser Anwendung hängt mit der Größe des Gebiets, das vermessen werden kann, zusammen“, sagt Paulus. „Wir können in der Testkampagne zeigen, wie die Risikokomponente in einem Drohnenmanagementsystem der Zukunft abgedeckt werden kann.“
Alois Pumhösel / DER STANDARD