Kategorie Klima- & Umweltschutz - 5. Juni 2023
Weltumwelttag: Vom zähen Ringen für ein Abkommen gegen die Plastiflut
Der Weltumwelttag wird zum 50. Mal begangen & steht heuer im Zeichen des Kampfes gegen die weltweite Plastikverschmutzung. Ein Grund, auf die zweite von fünf Verhandlungsrunden zum UN-Plastikabkommen zu schauen.
Die Euphorie war groß, ein „Triumph des Planeten Erde über Einwegplastik“ nannte Inger Andersen, Direktorin der UN-Umweltorganisation UNEP, die Einigung, die im vergangenen März in Nairobi zustande gekommen war. Die Umweltversammlung der Vereinten Nationen hatte soeben beschlossen, die weltweite Plastikverschmutzung mit einem internationalen rechtsverbindlichen Vertrag einzudämmen. Der Beschluss fiel einstimmig und unter lang anhaltendem Applaus. Die Deligierten stellten den Wert dessen in eine Reihe mit dem Pariser Klimaabkommen.
So weit, so gut, aber längst nicht so einfach: Um eine solch komplexe Regulierung im globalen Maßstab umsetzen zu können, braucht es einen längerfristigen Fahrplan. Dieser sieht vor, dass ein im vergangenen März eingesetzter, zwischenstaatlicher Verhandlungsausschuss (INC) in insgesamt fünf geplanten Konferenzen, spätestens jedoch bis Ende 2024 einen weltweit gültigen Vertrag zustande bringt. Vergangene Woche traf man sich nun in Paris zur zweiten von fünf Verhandlungsrunden, das auf ein Abkommen, um die Plastikflut tatsächlich zurückdrängen, hinarbeitet.
Um diesem Abkommen einen Schritt näher zu kommen, standen für die EU und auch Österreich dort vor allem folgende Hauptziele im Vordergrund: 1. die Rechtsverbindlichkeit des Instruments, 2. ein breit gefasstes Mandat des INC, mit Fokus auf den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen und alle Arten von Plastikverschmutzung, inklusive der Eindämmung von Mikroplastik und 3. die technische und finanzielle Unterstützung für Länder des globalen Südens.
Die Zeit, eine Einigung zu erzielen, drängt. Man sei zwar weiter auf Kurs, aber der Zeitplan nach wie vor äußerst ambitioniert, war aus Paris von Verhandlunsgteilnehmden zu vernehmen. Auf der Suche nach Wegen zur Müllbeseitigung und -vermeidung, zu einer Reduzierung der Neuproduktion von Plastik sowie einer Umstellung in Richtung Kreislaufwirtschaft mit Wiederverwertung und Recycling wurde der Ball an die im November in Nairobi stattfindende nächste Runde weitergespielt. Trotz intensiver Bemühungen von Österreich und der EU, sich auf ein entschiedeneres Vorgehen zu einigen.
Seit 2018 arbeitet das Klimaschutzministerium (BMK) bereits mit Empfehlungen gegen die Plastikverschmutzung in enger Kooperation mit der UN. „Wir haben in Österreich schon erste wichtige Schritte gesetzt, um wieder zurückzukehren zu Mehrwegprodukten und Wiederverwendung, etwa mit der Mehrwegquote. Auch das Plastikpfand wird ab 2025 sicherstellen, dass Plastikflaschen nicht mehr in der Natur herumliegen. Aber es gibt natürlich noch viel zu tun“, schilderte die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler den österreichischen Weg, der verbindliche Regelungen fordert. „Eine wirksame Maßnahme, die wir unterstützen, ist die Eindämmung schon bei der Produktion von Kunststoffpolymeren, die etwa durch Steuern oder Zölle zu erreichen ist.“
Es wird viel verhandelt & viel verzögert
Das BMK war bei den Pariser Verhandlungen mit zwei Delegierten vertreten und auch Teil jener ambitionierten EU-Fraktion, die für einen raschen Abschluss und ein strenges, verbindliches Abkommen eintritt. In der EU werden derzeit mit der Verpackungsverordnung und der Abfallverbringungsverordnung zwei Gesetzestexte verhandelt, die noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden und der EU damit auch beim Plastikabkommen eine Vorreiterrolle sichern sollen.
Es gibt aber auch starke Gegenkräfte. Unter den vertretenen 175 Ländern gibt es auch welche wie Saudi-Arabien, Russland oder Indien, die wenig Interesse an einem harten Abkommen und auch in Paris dafür gesorgt haben, dass die ersten beiden Tage nur über Verfahrensfragen diskutiert wurde und auch weiter unklar ist, ob über das weitere Prozedere einstimmig oder mit bloßer Mehrheit entschieden wird.
Ob alle Themenkomplexe in ihrer ganzen Breite Teil des UN-Plastikabkommens bleiben werden, ob es Verpflichtungen und Sanktionsmöglichkeiten geben wird und ob und wie ein Unterstützungsfonds zur wirtschaftlichen Abfederung mancher Länder aufgebaut und finanziert werden soll, dürften jene Knackpunkte sein, über die nun bei den kommenden Verhandlungsrunden noch intensiver diskutiert werden muss.
Die dritte Runde ist für November in Nairobi angesetzt, die vierte in Kanada. Im Herbst 2024 will man in Südkorea zu einem Ergebnis kommen. Doch schon mit heutigem Tag, dem 5. Juni, wird der Weltumwelttag der UNEP begangen. Und der ist zum 50-jährigen Bestehen passenderweise heuer ganz dem Kampf gegen die Plastikverschmutzung gewidmet.
#BeatPlasticPollution heißt die Kampagne der UNEP, die Plastikverschmutzung konzentriert. Fakt ist nämlich: Die Welt wird von Plastik überschwemmt. Jedes Jahr werden mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, von denen die Hälfte nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt ist. Davon werden weniger als zehn Prozent recycelt. Schätzungsweise 19-23 Millionen Tonnen landen in Seen, Flüssen und Meeren. Heute verstopft Plastik unsere Mülldeponien, sickert ins Meer und wird zu giftigem Rauch verbrannt, was es zu einer der größten Bedrohungen für unseren Planeten macht.
Die weltweite Kunststoffproduktion hat sich über die letzten 50 Jahre verzwanzigfacht. Ein beträchtlicher Teil davon landet in der Natur – mit verheerenden Auswirkungen auch auf den Menschen.
Was erst einmal in der Umwelt ist, wird nur sehr langsam wieder abgebaut. Bei Plastiktüten dauert es etwa zehn bis 20 Jahre. Plastikflaschen und -verpackungen zersetzen sich erst nach Jahrhunderten und gelangen dann womöglich als Mikro- oder Nanoplastik, weniger als fünf Millimeter große Teilchen, in die Nahrungsketten, in das Wasser, das wir trinken, und sogar in die Luft, die wir atmen. Viele Kunststoffprodukte enthalten gefährliche Zusatzstoffe, die unsere Gesundheit bedrohen können.
Die gute Nachricht ist, dass wir über wissenschaftliche Erkenntnisse und Lösungen verfügen, um das Problem in den Griff zu bekommen – und es wird bereits viel getan. Was jetzt am dringendsten benötigt wird, ist eine Welle öffentlichen und politischen Drucks, um die Maßnahmen von Regierungen, Unternehmen und anderen Interessengruppen zu verstärken und zu beschleunigen, um diese Krise zu lösen. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, dass dieser Weltumwelttag Maßnahmen aus allen Teilen der Welt mobilisiert.
Der Weltumwelttag 2023 wird zeigen, wie Länder, Unternehmen und Einzelpersonen lernen, nachhaltiger mit dem Material umzugehen, und gibt Hoffnung, dass die Plastikverschmutzung eines Tages der Vergangenheit angehören wird.