Kategorie Innovation & Technologie - 27. Januar 2016

Die Tabletten aus dem Vakuum

Graz – Manchmal entstehen Erfindungen, indem man über ein Problem stolpert und es einfach löst. Aus dem Ärger beim Vorbereiten von Laborproben kann auf diese Weise ein neuartiges Verfahren für die Pharma- und Kunststoffindustrie resultieren, das die tägliche Arbeit erleichtert und Zeit spart. Aus dem glücklichen Erfinder macht das dann einen Unternehmensgründer.

Bei Daniel Treffer war das zumindest so. Der Verfahrenstechniker vertiefte sich in die sogenannte pharmazeutische Schmelzextrusion, das Kernthema seiner Doktorarbeit an der Technischen Universität Graz und am Kompetenzzentrum RCPE (Research Center Pharmaceutical Engineering) – einem Forschungsunternehmen, das im Rahmen des Förderprogramms Comet von Verkehrs- und Wissenschaftsministerium unterstützt wird.

Per Schmelzextrusion werden beispielsweise Ausgangsstoffe für bestimmte Tabletten oder Implantate hergestellt. Zum Test der Materialeigenschaften benötigt man Proben im kleinen Labormaßstab. Treffer stellte das Verfahren vor einige Schwierigkeiten. Ihre Lösung legte aber die Basis für sein Unternehmen Meltprep, das er nun – noch vor dem anstehenden Abschluss seiner Dissertation – gegründet hat.

„Der Prozess der Schmelzextrusion ähnelt einem Fleischwolf, der in der Küche zum Einsatz kommt“, sagt Treffer. Trägerstoffe werden gemeinsam mit einem pharmazeutischen Wirkstoff durch einen Apparat mit zwei sich drehenden Schnecken geschickt, um sie bei Hitze zu verschmelzen und die Wirkstofffreisetzung gezielt zu beeinflussen.

Das Verfahren wird zum Beispiel angewendet, um dem Körper schlecht lösliche Wirkstoffe zugänglich zu machen, erläutert Treffer. „Manche dieser Wirkstoffe haben eine schlechtere Löslichkeit in Wasser als Marmor. Führt man solche Wirkstoffkristalle unverändert dem Körper zu, werden sie nicht aufgenommen, sondern wieder ausgeschieden.“

Labor-Fleischwolf

Mithilfe des Labor-Fleischwolfs können die Wirkstoffmoleküle bei erhöhten Temperaturen jedoch so in die Materialstruktur des Trägerstoffs eingebunden werden, dass sie dann einzeln wieder freigegeben werden und so für den Körper gut zugänglich sind.

Die geeignete Kombination aus Trägermaterial und Wirkstoff wird in einem Screeningverfahren bestimmt. Dabei wird eine Reihe von Materialkombinationen mit dem Schmelzextruder hergestellt und getestet. „Diese Herangehensweise ist sehr zeit- und kostenintensiv, weil das Equipment nicht verlustfrei arbeitet und nach jeder Formulierung aufwendig gereinigt werden muss“, erklärt der Verfahrenstechniker. Auch im Rahmen der Doktorarbeit stellte Treffer Proben auf diese Art her, um dann die Materialeigenschaften zu prüfen. „Dabei bin ich zuerst einmal gescheitert. Die Herstellung dauerte Stunden, und die Ergebnisse waren schlecht“, erinnert sich Treffer. „Ich war frustriert und dachte mir, dass das doch einfacher gehen muss.“

Der Nachdenkprozess mündete in einer Skizze zu seinem Konzept der Vakuumkompressionsformen (VCM). Treffer entwarf eine miniaturisierte Probenkammer, die vollständig mit Teflonfolie ausgekleidet ist. Hinein kommt das feine Pulver aus Trägermaterial und Wirkstoffen, das dann erhitzt und unter Vakuum gesetzt wird. „Das Ergebnis dieser Prozedur ist ein homogener Probenkörper, bei dem die von Sauerstoff ausgelösten Abbauprozesse minimiert sind“, sagt Treffer.

Um etwa einen Prototyp einer Tablette herzustellen, benötigt man nun wenige Minuten anstelle von mehreren Stunden. Zudem bleibt in dem Gerät kein Schwund zurück: „Gibt man ein Gramm rein, kommt ein Gramm raus. Bei neu synthetisierten Wirkstoffen, die hunderttausende Euro pro Kilogramm kosten können, ist das sehr relevant.“

Aus der Skizze wurde ein Prototyp, der aus dem Kernstück mit Probenkammer, einer Vakuumpumpe und Vorrichtungen zum Erhitzen und Kühlen besteht. Mittlerweile ist Treffers Projekt am Sciencepark der Grazer Universitäten, der Gründer auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleitet, angesiedelt. Auf dem Weg zum eigenen Unternehmen halfen auch ein Kleinkredit des Austria Wirtschaftsservice (AWS) und eine Unterstützung der Förderagentur FFG. Großteils hat der Verfahrenstechniker seinen Prototyp selbst zum serienfertigen Produkt überführt.

Eine erste Version des neuen Laborequipments soll im Februar auf den Markt kommen. In einem nächsten Schritt möchte Treffer dann mehr Geometrien anbieten, um die Proben in einer großen Bandbreite von Formen für verschiedene Laboranalysen aufbereiten zu können. Treffers Erfindung soll zudem nicht seine letzte sein. Weitere Geräte für Spezialaufgaben und Entwicklungen für die Pharmaindustrie sollen dem VCM-Gerät folgen. (Alois Pumhösel, 20.1.2016)


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Meltprep