Kategorie Innovation & Technologie - 19. Juli 2015
Wetter auf Knopfdruck
27. Juni 2015: Minus 45 Grad Celsius, der Wind bläst mit einer Geschwindigkeit von 205 km/h. Der Zug vor uns steht still und ist in eine Eisschicht gehüllt. Auf den ersten Blick scheint alles wie ausgestorben, doch im Raum nebenan herrscht reges Treiben; beobachten Menschen Bildschirme und leuchtende Messgeräte.
Wir befinden uns im 21. Wiener Gemeindebezirk, an dem Ort mit den extremsten Wetterbedingungen – dem Klima-Wind-Kanal im Rail Tec Arsenal (RTA) und erleben Wetter auf Knopfdruck.
Der Klima-Wind-Kanal Wien ist seit 2003 auf den Paukergründen in Floridsdorf in Betrieb. Eigentlich sind es zwei Kanäle: der große ist mit seinen 100 Meter Länge der größte der Welt. Der kleine Bruder ist 33,8 Meter lang und damit der zweitgrößte. Das Besondere an der Anlage ist, dass sie jedes Wetter der Erde auf Knopfdruck herstellen kann. Die Temperatur reicht von minus 45 bis plus 60 Grad Celsius – von arktischer Kälte, Frost und Schnee über trockene Wüstenwinde bis zu tropischen Gewittern können diese High-Tech Anlagen alles erzeugen.
„Qualität bei jedem Wetter“ so das Motto der RTA. Hier testen Hersteller ihre neuen Schienenfahrzeuge und auch die Automobilindustrie setzt ihre Autos den widrigen Bedingungen aus: Wie heiß wird es im Zuginneren, wenn die Sonne mit einem gewissen Einfallwinkel auf die Seitenfenster strahlt? Lassen sich die Türen auch bei Minusgraden und Eis noch öffnen? Aerodynamik und Energieeffizienz werden getestet, genauso wie die Materialien im Inneren der Züge und Autos.
Im RTA arbeiten 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im 3-Schichtbetrieb 24 Stunden sieben Tage die Woche. Das ist notwendig, erzählt Gabriel Haller, der technische/wissenschaftlicher Leiter in der RTA Geschäftsführung, damit die Klimatests durchgeführt werden können. Denn während bei Straßenbahnen eine Überprüfung mindestens drei Tage dauert, kann bei größeren Projekten, wie dem Klimatest der neuen Schnellbahn-Züge für Wien oder der zukünftigen Zuggarnituren der Deutschen Bahn, ein Monat notwendig sein.
„Wenn mich Menschen nach dem Grund für diese aufwendigen und auch teuren Tests fragen, dann sage ich immer <für Ihren Komfort und Ihre Sicherheit>“, erzählt Gabriel Haller. „Für die Hersteller geht es in erster Linie um Energieeffizienz und Zuverlässigkeit. Wir durchleuchten technische Risiken. Fallen die Tests nicht optimal aus, dann wird nach der Ursache gesucht, sie wird analysiert und Verbesserungsmaßnahmen werden im Klima-Wind-Kanal erarbeitet.“ Am Ende bedeutet das Komfort und Sicherheit für alle, die mit der U-Bahn in Wien fahren, mit dem Zug nach Vorarlberg unterwegs sind oder mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen, so Haller.