Kategorie Innovation & Technologie - 28. Mai 2015
Für den Stromausfall reicht schon eine Spam-Mail
Wien – Es wird noch einige Zeit ins Land ziehen, bis intelligente Stromnetze Normalität geworden sind. Jedoch beschäftigen sich längst schon viele Köpfe mit diesem technologischen Umbruch: Das war auch vergangene Woche zu hören, als auf der „Smart Grids Week“ im Tech Gate Vienna auf Einladung des Infrastrukturministeriums Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft über den Status quo und die Perspektiven der smarten Energieversorgung diskutierten.
Wesentlich für Smart Grids ist die kommunikative Vernetzung von Stromerzeugern, Verbrauchern und Speichern. Für den Verbraucher bedeutet das konkret, dass intelligente Stromzähler eingebaut werden, die den Verbrauch messen und melden, sodass kurzfristig auf schwankende Strompreise oder Versorgungsengpässe reagiert werden kann. Eine der zentralen Fragen bei Smart Grids, der sich einer der Schwerpunkte der Tagung widmete, ist der Sicherheitsaspekt. 160.000 neue Virustypen erscheinen täglich auf der Bildfläche. Und was nützt das intelligenteste Netzwerk, wenn es gerade aufgrund von Sicherheitslücken und technologischen Problemen die Versorgung der Verbraucher auf dem gewohnten Niveau nicht gewährleisten kann? „Die schlechte Nachricht ist: Kein System ist wirklich zu 100 Prozent sicher“, gab Thomas Bleier vom Austrian Institute of Technology gleich zu Beginn zu bedenken.
Sicherheit kostet
Die Forschung seines Teams habe gezeigt, dass schon eine simple Phishing-Mail reiche, um eine folgenschwere Attacke auf ein Smart-Grid-System zu reiten. Es bestehe aber die Möglichkeit, sein System so aufzubauen, dass man den Überfall rechtzeitig bemerken und aufhalten könne.
„Gerade weil man sich heutzutage nicht vollständig schützen kann, wird es immer wichtiger, zu erkennen, wann Angriffe stattfinden“, sagte Bleier. „Smart Grids bieten Chancen für die Versorgungssicherheit, aber man muss sich auch über die Risiken klar sein. Dabei darf man nicht vergessen, dass eine höhere Sicherheit auch mehr kostet.“
Jedoch kann nicht nur eine Cyberattacke das System in die Knie zwingen. Auch die derzeitige Architektur des Versorgungsnetzwerks birgt Gefahren, wie Hans Auer von der Technischen Uni Wien aufzeigte. Schon der deutsche Nationalfeiertag kann zur Belastung für die Nachbarländer werden, da hier plötzlich ein Verbrauch wie am Wochenende eintritt und die dafür notwendige Energie aus dem gemeinsamen Netzwerk abgerufen wird. Eine dezentrale Energieversorgung wäre laut Auer vor solchen Engpässen gefeit, jedoch sei dieser Wandel mit Schwierigkeiten verbunden: „Dezentrale Technologien sind teurer. Die langfristige Versorgungssicherheit wird ab einem gewissen Grad immer in Konkurrenz zur kurzfristigen Wirtschaftlichkeit von Energiesystemen stehen. Deshalb muss bald ein Kompromiss zwischen Erzeugern, Endkunden und Regulierungsinstanzen gefunden werden. Wir müssen uns darüber verständigen, welches Maß an Versorgungssicherheit wir wollen.“
Dem konnte Michael Schmidthaler vom Energieinstitut an der Uni Linz beipflichten: „Die Energiewirtschaft befindet sich in einem sehr raschen Wandel. Deshalb sind neben technischen Lösungen auch sozioökonomische Aspekte zu berücksichtigen.“ In dieser Sache waren sich die Vortragenden nämlich einig: Die Frage der Sicherheit ist auch eine Frage des Geldes. (lau, 27.5.2015)