Kategorie Mobilität - 19. September 2015
Auto ahoi auf Europas Wasserstraßen
Das Auto ist beim Personenverkehr die ungeschlagene Nummer eins in Europa. Aber auch Pkws werden als Ware erst einmal selbst transportiert. Bevor ein Neuwagen beim Käufer ankommt, legt er weite Strecken auf dem Lkw oder auf dem Zug zurück. „Dabei wären durch die verstärkte Einbindung der Binnenschifffahrt in den Transportketten sowohl Kostenvorteile als auch Vorteile für die Umwelt und Gesellschaft zu holen“, sagt der Logistiker Heimo Pascher vom Fraunhofer-Institut Austria und von der Technischen Uni Wien.
Entwicklungsländer haben die Binnenschifffahrt längst wiederentdeckt. Auf dem Han-Fluss in China und auf den Binnengewässern rund um Bangladesch finanziert die Weltbank seit einigen Jahren große Verkehrsprojekte. Auch die EU prüft, ob die 29.172 Kilometer an Wasserwegen im Land eine Alternative zur Autobahn darstellen. Momentan verschiffen Unternehmen 6,7 Prozent der Waren in der EU über Binnengewässer. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt der 27-Jährige.
In seinem dreijährigen Forschungsprojekt „Inland_Car“ untersucht Pascher, wie 19 Millionen Neuwagen in Europa am effizientesten von A nach B kommen. Das Programm „Talente – Dissertationen: Mobilität der Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG und das Fraunhofer-Institut Austria finanzieren die Forschung. Am Ende soll ein praktisches Analysetool entstehen, das nach wenigen Schritten die optimale Kombination aus Lkw-, Schiffs- und Bahntransport liefert.
Die ideale Route vereint nicht nur wenig Zeitaufwand, geringe Kosten und wenige Schäden am Auto. Das Analysetool berechnet auch die Emissionen und den Energieverbrauch pro transportiertem Pkw. Und es zeigt, welche Kosten durch Lärmbelastung und Abgase für die Zivilgesellschaft entstehen.
Lkw nicht immer die beste Wahl
Pascher will damit verdeutlichen, dass der Lkw manchmal zu Unrecht das Transportmittel der Wahl ist. Schnelligkeit und eine bequeme Handhabe gesteht er ihm zu – Schiff und Schiene seien aber in manchen Fällen günstiger und in jedem Fall umweltfreundlicher. „Gerade deshalb muss es ein Bestreben sein, dass Lkw-Transporte über tausende Kilometer quer durch Europa stark reduziert werden.“
Die Idee zu seinem Dissertationsthema kam dem Logistiker beim EU-Forschungsprojekt NEWS, bei dem das Fraunhofer-Institut Austria und die TU an einer effizienten Binnenschifffahrt mitarbeiten. In Gesprächen mit Spediteuren und Unternehmern stieß Pascher auf Halbwissen und Vorurteile gegenüber den Wasserwegen. „Selbst die meisten Logistik-Leiter haben wenig Ahnung davon, wie der Transport mit dem Binnenschiff funktioniert und welche Vorteile und Nachteile er bringt“, sagt Pascher.
Die Wissenschaft war für den Absolventen des Studiums Wirtschaftsingenieurswesen-Maschinenbau zweite Wahl: „Bei meiner vorherigen Arbeit im technischen Vertrieb habe ich gemerkt, dass mir die Gestaltungsmöglichkeiten gefehlt haben“, sagt der Logistiker. Er schätzt an seiner Arbeit als Jungforscher besonders, dass er nicht im alten Fahrwasser eines Betriebes schwimmen muss. „Die innovative Herangehensweise kann man in der Wissenschaft eher erlernen – und wieder in die Wirtschaft zurücktragen.“ (von Marlis Stubenvoll, Der Standard)