Kategorie Innovation & Technologie - 9. Juni 2023
Startschuss für größte europäische Mikroelektronik-Initiative unter österreichischer Beteiligung
EU-Kommission genehmigt zweites Großvorhaben im Bereich Mikroelektronik – rund 22 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen
Die Europäische Kommission har ein zentrales paneuropäisches Schlüsselvorhaben zur Stärkung der europäischen Mikroelektronikindustrie genehmigt. Das „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) im Bereich Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien umfasst insgesamt 100 Unternehmensprojekte aus 20 europäischen Staaten, die sich zur Aufgabe gemacht haben, Europa grüner, digitaler und resilienter zu machen.
Von diesen 100 Projekten wurden nun alle 68 genehmigungspflichtigen Projekte beihilferechtlich durch die Europäische Kommission bewilligt. Diese werden als direkte Partner das IPCEI vorantreiben. Darüber hinaus werden 32 sogenannte assoziierte Partner über weitere Förderinstrumente der Mitgliedstaaten unterstützt, ohne die Notwendigkeit einer beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission.
Neben Österreich sind auch Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Malta, die Niederlande, Polen, Rumänien, die Slowakei, Spanien und Tschechien mit direkten Partnern beteiligt. Belgien, Ungarn, Lettland, Portugal, Slowenien und Norwegen (als EFTA-Staat) sind ausschließlich mit assoziierten Partnern beteiligt. Zudem kooperieren die Partner des IPCEI in insgesamt 884 kollaborativen Interaktionen mit 591 relevanten Akteuren entlang der Wertschöpfungskette.
Das IPCEI umfasst ein Gesamtinvestitionsvolumen von bis zu 21,8 Milliarden Euro. Die direkten Partner erhalten staatliche Beihilfen in Höhe von bis zu 8,1 Milliarden Euro. Diese lösen private Investitionen von insgesamt bis zu 13,7 Milliarden Euro aus. Die öffentliche Unterstützung durch das Klimaschutzministerium (BMK) und das Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) ermöglicht Österreich eine Teilnahme mit sechs Unternehmen. Gemeinsam werden Beihilfen in Höhe von bis zu 175 Millionen Euro bereitgestellt.
Stärkung des Innovationsstandorts Österreich
Diese setzen sich aus 125 Millionen Euro über die Mittel des Europäischen Wiederaufbaufonds sowie aus 50 Millionen Euro an zusätzlichen nationalen Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft zusammen. Vertreterinnen und Vertreter der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und des Austria Wirtschaftsservice (aws) waren mit ihrer Expertise – wie schon bei vorherigen IPCEI – intensiv an der Begleitung des Prozesses bis hin zur Genehmigung beteiligt. Die eigens für IPCEI-Vorhaben eingerichtete gemeinsame Abwicklungsstelle, bestehend aus FFG und aws, wird auch bei der jetzt startenden Umsetzung eine zentrale Rolle innehaben.
Die europäische Wirtschaft stehe nach „Corona-Krise, dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und der daraus folgenden Energiekrise vor großen Herausforderungen“, wie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler feststellt, die gerade für die Mikroelektronikindustrie eine „Schlüsselrolle in Europa“ sieht. Diese trage maßgeblich zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Entwicklung Europas bei.
„Über die Produktion von hochinnovativen und nachhaltigen Produkten können wir in diesem Sektor einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise leisten, gleichzeitig die Wirtschaft stärken und dazu beitragen Europa widerstandsfähiger und autonomer machen. Die Teilnahme so vieler EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen an diesem ehrgeizigen Vorhaben wird einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und zur Stärkung des Innovationsstandorts leisten“, so Gewessler, die sich freue, dass mit sechs heimischen Projekten „hochinnovative Unternehmen zur erfolgreichen und wirkungsvollen Umsetzung“ des Vorhabens beitragen können.
Das Gesamtprojekt verfolgt das Ziel, die energieeffiziente Produktion von Chips in Europa signifikant zu erhöhen und damit die digitale und grüne Transformation voranzutreiben sowie die Widerstandsfähigkeit und Souveränität Europas zu stärken. Das IPCEI setzt dabei insbesondere auf die Förderung von hochinnovativen Projekten in der Forschung und Entwicklung, aber auch der ersten gewerblichen Nutzung vor der Massenproduktionsphase. Das IPCEI ist das zweite im Bereich der Mikroelektronik. Im Jahre 2019 genehmigte die Europäische Kommission das IPCEI Mikroelektronik I, zu welchem Österreich im Jahr 2021 mit drei Unternehmen und einer staatlichen Beihilfe in Höhe von bis zu 146,5 Millionen Euro beitrat.
Die sechs österreichischen Unternehmen tragen mit ihren Projekten zum IPCEI durch die Entwicklung von hochinnovativen Produkten in den Bereichen Packaging, Kommunikationstechnik, Leistungselektronik, Prozessoren, Prozesstechnik und Sensoren bei und sind in allen vier Workstreams angesiedelt. Die durch die Projekte entwickelten Produkte finden ihre Anwendung z.B. in der Automobilindustrie oder im Internet der Dinge. Durch wichtige Kooperationen mit weiteren heimischen und europäischen Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen tragen die österreichischen Unternehmen über Spill-Over-Effekte zu einem Innovationsschub bei, der weit über den Sektor hinausgeht.
Von österreichischer Seite sind an der Mikroelektronik-Initiative die Unternehmen AT&S, AVL, EEMCO, Infineon Austria und NXP Semiconductors Austria als direkte Partner beteiligt:
AT&S hat sich zum Ziel gesetzt, neue anspruchsvolle Kompetenzfelder in der Halbleiterindustrie zu erschließen. Dafür werden einzigartige Kapazitäten in der Forschung und Entwicklung sowie eine Produktion für Hochleistungs-IC-Substrate und Advanced-Packaging-Technologien aufgebaut. Dieses europaweit konkurrenzlose Innovationszentrum ermöglicht es, die zukünftige Nachfrage nach Verpackungslösungen für die nächsten Mikrochipgenerationen auch über die 2-Nanometer-Grenze hinaus zu bedienen.
AVL erforscht und realisiert innovative, hochpräzise, Hardware- und Software-basierte Entwicklungswerkzeuge und Validierungstechnologien für neueste Sensoren, Halbleiter-Chips, Leistungselektronik, Batterien, Brennstoffzellen und Cybersicherheit in elektrifizierten, automatisierten und vernetzten Fahrzeugen. Diese ermöglichen energieeffiziente und zuverlässige Mikroelektronik-Komponenten und Kommunikationssysteme für eine grünere, sicherere und bessere Welt der Mobilität.
EEMCO stellt die Herstellung von hochqualitativen SiC-Einkristallen zur Verwendung in der Leistungselektronik und in der alternativen Energieherstellung in den Mittelpunkt der Aktivitäten. EEMCO kann durch die Unterstützung des Projektes die Errichtung einer hochmodernen KI-unterstützen Pilotproduktion voranbringen. Die Verwendung grüner Energie und die Implementierung von europäischen Recyclingketten stellen wichtige Rahmenbedingungen dar.
Infineon Austria forscht und entwickelt an wegweisenden Fertigungstechnologien der Leistungselektronik. Ein Fokus liegt in neuen Halbleitermaterialien Siliziumkarbid und Galliumnitrid. Diese Energiesparchips bringen mehr Leistung, höchste Energieeffizienz und minimieren den CO2-Fußabdruck im Internet der Dinge oder der Mobilität. Sie sind Schrittmacher für die Dekarbonisierung und Digitalisierung und ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Klimaziele.
NXP Semiconductors Austria fokussiert auf Forschung und Entwicklung von hochsicheren Prozessorarchitekturen, intelligenten und energieeffizienten Lokalisierungslösungen und zuverlässigen Batteriemanagement-Systemen sowie deren erster industrieller Anwendung. Gemeinsam mit anderen Partnern leistet NXP damit einen signifikanten Beitrag zur Resilienz elektronikbasierter Systeme, sowie zur sicheren Digitalisierung und grünen Transformation.
Als assoziierter Partner nimmt von Seiten Österreichs Silicon Austria Labs (SAL) teil: SAL entwickelt mikroelektronische Komponenten wie Sensoren, Aktuatoren und Kommunikationsbauteile basierend auf nachhaltigen Fertigungstechnologien wie Dünnschichtverfahren. Der 1.100 m² große Forschungsreinraum ermöglicht unterschiedlichste Forschungsprojekte sowie Kleinserienfertigung für Industriebetriebe, KMUs oder Start-Ups. Hochinnovative Forschung wird mit exzellenter Infrastruktur und dem SAL-Kooperationsmodell kombiniert, um Prototypen der Zukunft zu entwickeln.