Kategorie Klima- & Umweltschutz - 27. Juli 2023
Klimakrise erfordert Fokus auf armutsgefährdete Kinder
Befragung von Familien im Rahmen des „StartClim“-Projekts: Unwohlsein, Aggression bis Rückzug – Kosten blockieren Möglichkeiten zu Gegenmaßnahmen gegen Hitzefolgen
Die Auswirkungen der Klimakrise bekommen meist nicht unbedingt deren Verursacher zu spüren. So zählen auch Kinder zu den besonders vulnerablen Gruppen. Eine aktuelle Befragung im Rahmen des Forschungsprojekts „StartClim“ unter armutsbetroffenen Familien in Österreich offenbart, dass hier oft kaum Möglichkeiten zu Gegenmaßnahmen gegen Hitze realisierbar sind. Rund ein Drittel gab für die eigenen Kinder eine sehr starke oder starke Belastung an.
„Unsere Wohnung ist sehr, sehr heiß. Wir haben einen kleinen Ventilator, der verteilt nur die heiße Luft. Alles andere wäre zu teuer“, erzählte etwa eine Familie mit drei Kindern aus Wien. Insgesamt wurden 99 Haushalte mit 190 Kindern im Alter von null bis zehn Jahren in einem qualitativen Verfahren auf Belastung, Anpassungsstrategien und den Bedarf in Wohnung und öffentlichen Raum befragt. Die Ergebnisse wurden bei einem Medientermin von Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) und der Volkshilfe präsentiert.
Die bei den Kindern wahrgenommenen spezifischen gesundheitlichen Veränderungen waren unter anderem schlechterer Schlaf bei 67 Prozent, Unwohlsein und vermehrtes Weinen (62), geringere Motivation, sich zu bewegen (54) und Aggressionen bei rund jedem zweiten Kind (51). 45 Prozent nahmen zudem körperliche Symptome wie Übelkeit, Ausschlag, Kopfschmerzen und Schwindel oder einen Rückzug der Kinder (43). Zudem wurde ein signifikanter Zusammenhang mit der Nennung dieser Hitzefolgen und der 2022 beobachteten Anzahl von Hitzetagen am jeweiligen Wohnort registriert.
Die Befragung erhob auch, wie die Eltern ihr Verhalten im Wohnraum und im öffentlichen Raum verändern und welche Bedürfnisse sie hier haben. Die Möglichkeiten sind dabei jedoch sehr begrenzt, wie sich am Beispiel einer niederösterreichischen Familie zeigt. „Das Haus hat sich schon sehr aufgeheizt, im Obergeschoss sind es gerade 29 Grad. Eine Klimaanlage und die damit verbundenen Stromausgaben kann ich mir nicht leisten“, berichtet diese. So bleibt die Option, im Freien nach Abkühlung zu suchen, doch auch hier gibt es Hürden. Fast die Hälfte der Haushalte gab an, wegen der Kosten keine Option auf Besuche im Schwimmbad oder einen Ausflug an einen See zu haben.
Gerade im Bereich der Infrastruktur fehle zudem die Miteinbeziehung der Perspektive von Kindern, sagte Hanna Lichtenberger im Gespräch mit der APA. Die Sozialwissenschafterin, bei der Volkshilfe im Bereich Kinderarmut, Asyl und Migration tätig, nannte Kleinigkeiten, wie nicht erreichbare Wasserhähne in Parks, aber im Gegenzug würden etwa schon Nebelduschen in der Öffentlichkeit helfen, die Hitze erträglicher zu machen. Insgesamt wäre eine kostenlose lokale öffentliche Infrastruktur sowohl klima- als auch sozialpolitisch ein Ansatzpunkt, um Familien in Armutslagen allgemein und insbesondere bei Hitze zu helfen, so das Ergebnis der Studie.
apa/red
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