Kategorie Innovation & Technologie - 24. Juli 2017
Optimierte Anflüge sparen Zeit, Geld und Sprit
Von Sonja Burger
Schlechte Sicht, Starkwind, Gewitter oder wie zuletzt ein Tornado: Alles Wettersituationen, bei denen es sehr herausfordernd ist – speziell auf großen Flughäfen –, den Verkehrsfluss von Flugzeugen aufrechtzuhalten. Fluglotsen spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie den Flugverkehr im Nahbereich des Flughafens, egal, bei welchem Wetter, sicher und effizient lenken. Nun wurde in einem Forschungsprojekt untersucht, ob Potenzial besteht, ihre Arbeit in Schlechtwettersituationen technisch zu unterstützen. So soll die Kapazität aufrechterhalten, sollen Umwelteinflüsse verringert und soll die Flugverkehrssicherheit weiter erhöht werden.
Optimum durch Algorithmus
Das von Austro Control koordinierte Forschungsprojekt „MET4 ATM“ wird durch die Forschungsförderungsgesellschaft finanziert. Gemeinsam mit den Forschungspartnern, der Aerospace Research Group am FB Computerwissenschaften der Paris Lodron Universität Salzburg und dem deutschen DLR-Institut für Physik der Atmosphäre, konnte bewiesen werden, dass großes Optimierungspotenzial besteht. Das wird mithilfe eines von den Forschern im dreijährigen Projekt entwickelten mathematischen Algorithmus namens Navsim/Advanced Aman Algorithm ausgeschöpft. Meteorologen und Fluglotsen von Austro Control haben dafür zusammen mit dem Team rund um den Leiter der Aerospace Research Group, Carl-Herbert Rokitansky, zuerst die Abläufe für den Komplex „Anflug“ bei Schlechtwettersituationen analysiert.
Die Ist-Situation am Beispiel eines großen Verkehrsflughafens hat ergeben, dass beim technischen System, das heute die beste Reihenfolge für die Anflüge generiert, angesetzt werden kann: Eine verbesserte Routenführung und das Vermeiden von Warteschleifen im Nahbereich des Flughafens bergen viel Einsparungspotenzial. Die Entwicklung des dafür nötigen mathematischen Algorithmus gelang mithilfe des Flugverkehrssimulators Navsim, den der Computerwissenschaftler Rokitansky vor Jahren entwickelt hatte. Dieser kann mehr als gängige Flugsimulatoren: etwa die detailgetreue Simulation des europäischen Flugverkehrs auf Basis historischer Daten.
Flugzeugklon fliegt Idealroute
„Wir können damit außerdem Flugzeuge klonen und beliebige Flüge und künstlichen Flugverkehr generieren. So einen Klon ließen wir die optimierte Flugroute fliegen, welche auf unserem Algorithmus basiert“, erklärt Rokitansky. Indem sie diesen künstlichen Flug mit dem entsprechenden historisch belegten Flug verglichen, konnten die Forscher ableiten, ob sich die Route mithilfe des Algorithmus verkürzte und Warteschleifen verhindern ließen.
Anhand etlicher Flüge wurde deutlich: Allein durch die Perfektionierung des Anflugs in Schlechtwettersituationen verkürzt sich die zurückgelegte Wegstrecke pro Flugzeug im Umkreis von 100 Kilometern um den Flughafen um rund 38 Prozent, was eine Zeitersparnis von bis zu 15 Minuten ergibt. Die Berechnungen der Forscher zeigten, dass ein großer Flughafen etwa durch den geringeren Treibstoffverbrauch und Folgekosten rund fünf Millionen Euro pro Jahr einspart. Auch der CO2-Ausstoß und die Fluglärmemissionen gehen deutlich zurück.
Künstliche Sprachkommandos
Schlechtwettersituationen erhöhen aber auch den Sprachverkehr via Sprechfunk zwischen Fluglotsen und Piloten massiv. Um die Arbeitslast für Fluglotsen zu verringern, haben die Forscher an der Belegung des Sprachkanals gefeilt. „Der Simulator generiert die optimale Route mitsamt den entsprechenden Sprachkommandos, die der Fluglotse geben soll. Dadurch ist der Sprachkanal gleichmäßiger ausgelastet“, betont Rokitansky. Auf Basis der Ergebnisse ist geplant, nach Abschluss im Februar 2018 in einem Folgeprojekt konkrete Entscheidungshilfen für Fluglotsen zu entwickeln. Seit Kurzem ist zudem ein neuer Kooperationspartner an Bord: der Flughafen Frankfurt. Denn auch dort will man wissen, ob und was sich in puncto Anflug bei Nebel und Co. noch verbessern lässt.