Kategorie Innovation & Technologie - 15. Januar 2016
Software enttarnt gefälschte Filme
Von Mariele SchUlze Berndt
Die Bilder vergisst man nicht so leicht: Ein Adler landet vor einem Säugling, ergreift das Baby mit seinen Klauen, erhebt sich in die Lüfte und fliegt davon. Das Video erregte im Jahr 2012 tagelang die Gemüter der Internetcommunity. Es wurde spekuliert, was aus dem Baby geworden sein mochte oder ob das Video echt sei. Klarheit gewann man erst, als sich einige kanadische Studenten dazu bekannten, das Video mit einer Bearbeitungssoftware manipuliert zu haben.
„Man darf nicht alles glauben, was im Internet gezeigt wird“, erklärt Lyndon Nixon vom Institut für Neue Medientechnologie an der Modul University Vienna. „Oft ist es sehr schwierig zu erkennen, ob ein Video gefälscht wurde oder nicht.“ Im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 wurden beispielsweise Videos gepostet, die das Empire State Building in New York in den französischen Nationalfarben zeigten. Nach einigen Tagen stellte sich heraus, dass es sich um Videos handelte, die aus Anlass der Anschläge auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo im Januar 2015 gemacht worden waren.
Dass Fotos und Filme nicht unbedingt die Realität abbilden, mussten Medienkonsumenten schon häufig erfahren. Besonders Nachrichtenagenturen, Zeitungen und Fernsehsender, deren Glaubwürdigkeit von der Seriosität ihrer Produkte abhängt, stehen häufig in einem Konflikt. Sollen sie spektakuläre Bilder aus den Social Media zeigen, obwohl sie nicht hundertprozentig wissen, ob sie der Realität entsprechen oder verzichten sie darauf und gehen das Risiko ein, dass ihre Kunden sich anderen, vielleicht weniger seriösen Anbietern zuwenden? Dieses Dilemma wollen Nixon und seine Kollegen nun helfen, aufzulösen.
In Video Veritas
Im Rahmen des von der EU geförderten Projektes „InVID – In Video Veritas“ arbeiten Forscher aus Österreich, Spanien, Frankreich, Griechenland und Deutschland an einer Software, die die Glaubwürdigkeit beispielsweise von Smartphonevideos überprüfen kann. Während es für Fotos bereits entsprechende Software gibt, fehlt sie noch für den Videobereich.
Das Wiener Technologieunternehmen Weblyzard sammelt und visualisiert in Kooperation mit der Modul University Vienna Daten aus dem Internet.
Wer hat das Video bearbeitet?
Diese Technik soll jetzt für Videos erweitert werden. Auch die österreichische Presseagentur APA ist an dem Projekt beteiligt. „Wir hoffen, dass wir durch positive Ergebnisse auch das Interesse von noch größeren Videoplattformen wecken können“, sagt Nixon. Um die Glaubwürdigkeit eines Videos nachzuweisen, müssen verschiedene Informationsquellen gefunden und kombiniert werden.
„Man kann sich nicht auf eine verlassen“, so Lyndon. Man müsse schauen, ob und in welcher Weise jemand das Video bearbeitet habe. Manchmal werden Videos nur hinsichtlich ihrer Qualität verbessert, beispielsweise in ihrer Helligkeit. Es sei jedoch auch zu überprüfen, ob die Inhalte verändert wurden.
Überprüft werden Metadaten: Etwa wie, wann und wo das Video aufgenommen wurde, welche Benutzer es hochgeladen haben. Die Glaubwürdigkeit der Personen hängt auch von ihrer Posting-History ab und davon, wer die früher hochgeladenen Videos teilte. „Bisher müssen Redakteure versuchen, Videos händisch zu analysieren. Wir ermöglichen dafür semi-automatisierte Lösungen“, sagt Nixon. Eine Verifizierungs-App soll in Zukunft auch auf Handys und Tablets funktionieren. Für Nachrichtenagenturen soll die Verifizierung in den existierenden Arbeitsprozess, das agentureigene Computersystem, integriert werden.
Welche Themen sind heiß?
Die Software könne unter den zahllosen Videos, die hochgeladen werden, diejenigen aussortieren, die nachrichtenrelevant sind. „Metadaten ermöglichen auch Informationen darüber, welche Themen gerade in Social Media heiß sind, was darüber als Bilder oder Videos gepostet wird, und ob es sich um Inhalte mit Nachrichtenwert handelt“, erklärt Nixon.
Für Videos, die von Agenturen oder Sendern weiter verbreitet werden, sollen möglichst auch die Nutzungsrechte abgeklärt werden können. Idealerweise würde dann ein Vertrag mit dem Urheber abgeschlossen, sodass dieser von den medialen Nutzern für sein Video bezahlt werden könnte.
Für die APA sei, so Nixon, in dem Projekt vor allem der regionale Aspekt interessant. Videos, die von lokalen Katastrophen gepostet werden, sollen auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Es kommt immer wieder vor, dass aus aktuellem Anlass Videos als neu hochgeladen werden, die bereits auf YouTube vorhanden waren.
„In erster Linie geht es um Innovationen, die es Nachrichtensendern und Agenturen ermöglichen, Nachrichtenvideos glaubwürdig zu präsentieren. Unsere Forschungs- und IT-Partner können damit auch ihre Produkte und Inhalte vermarkten.“