Kategorie Klima- & Umweltschutz - 31. August 2022
Wildtierkriminalität: Besserer Schutz für Kaiseradler, Wanderfalke & Co.
Mit einem Erlass wird die Strafverfolgung erleichtert – keine Toleranz bei Wilderei bedrohter Tierarten – Studien bestätigen Notwendigkeit verschärfter Regelung
Der Erhalt der Vielfalt des wildlebenden Tierbestands ist ganz wesentlich für die Artenvielfalt Österreichs. Bereits jetzt galt: Wer Exemplare einer geschützten Tierart rechtswidrig tötet, dem drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Das Strafrecht greift allerdings nicht, wenn durch die Handlung „eine nur unerhebliche Menge der Exemplare“ betroffen war und diese auf den Erhaltungszustand der Art nur unerhebliche Auswirkungen hatte.
Die Folge: Stets musste im Einzelfall geprüft werden, ob eine „ausreichende Menge“ von geschützten Tieren im Sinne des Strafrechts getötet wurden. In der juristischen Literatur war darüber hinaus bislang umstritten, ob bereits ein einzelnes Exemplar eine Menge im Sinne des Strafrechts darstellen kann. Diese unklare Regelung führte dazu, dass zur Klärung dieser Frage von den Gerichten meist Sachverständige mit zeitaufwändigen Gutachten beauftragt werden mussten.
Um diesen Zustand zu beenden, sind das Klimaschutzministerium (BMK) und das Bundesministerium für Justiz (BMJ) nun mit einen entsprechenden Erlass nach vorne getreten. Dieser stellt klar, dass künftig schon ein einziges geschädigtes Exemplar eine ausreichende Menge im Sinne des Strafrechts sein kann. Ziel des Erlasses ist es auch eine raschere und effizientere Strafverfolgung bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung des Tier- und Pflanzenbestandes zu ermöglichen, indem den Staatsanwaltschaften die Klärung der Frage der erheblichen Menge abgenommen wird.
Jeder rechtswidrig getötete Kaiseradler ist einer zu viel
„Österreich ist mit seinen 68.000 Arten ein Land der Vielfalt, die jedoch in Gefahr ist. Majestätische Greifvögel und andere geschützte Tiere sind immer wieder Opfer von illegalen Abschüssen oder Vergiftungen. Dieses illegale Töten ist kein Kavaliersdelikt – dafür habe ich absolut kein Verständnis“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Denn: Wer ein streng geschütztes Tier tötet, gefährde Österreichs Artenvielfalt. „Gemeinsam mit dem Umweltbundesamt und BirdLife haben wir daher die fachlichen Grundlagen für eine effiziente Strafverfolgung von Wildtierkriminalität erarbeitet.“ Der Erlass des Justizministeriums schaffe nun die notwendige Klarheit und ist ein entscheidendes Instrument, um illegale Tötungen von geschützten Tieren konsequent strafrechtlich verfolgen zu können. „Jetzt kann die Strafverfolgung endlich rascher und effizienter erfolgen.“
Justizministerin Alma Zadić betont, dass mit dem neuen Erlass sichergestellt wird, „unsere heimische Tierwelt künftig besser schützen zu können“. Angesichts der extrem niedrigen Populationen vieler seltener Tierarten, wie zum Beispiel der Kaiseradler, müsse man schnell und klar reagieren. „Deshalb sorgen wir nun dafür, dass künftig jeder einzelne Abschuss von geschützten Tierarten strafrechtliche Konsequenzen haben kann. So leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, dass das mutwillige Töten von geschützten Tieren endlich ein Ende hat und sich auch künftige Generationen noch am Artenreichtum der heimischen Tierwelt erfreuen können.“
Auch die Naturschutzorganisationen WWF und BirdLife Österreich begrüßten die Initative von BMK und Justizministerium und bewerten diese als „Meilenstein zum Schutz unserer Artenvielfalt“, wie BirdLife-Österreich-Geschäftsführer Gábor Wichmann festhielt. „Für einen nachhaltigen und effektiven Kampf gegen Wildtierkriminalität sind solche klare Vorgaben unumgänglich.“
WWF-Artenschutz-Expertin Christina Wolf-Petre betonte, dass „gerade für bedrohte Arten Tötungen einzelner Tiere schnell bestandsgefährdend werden können“. Daher brauche es hier ein schärferes Vorgehen. Seit dem Jahr 2000 hat der WWF gemeinsam mit BirdLife allein in Österreich mehr als 490 Fälle illegal geschossener, vergifteter oder durch Fallen getöteter Wildtiere erfasst. Der Großteil dieser Delikte betrifft geschützte Greifvögel wie zum Beispiel Kaiser- oder Seeadler. Nachweislich ebenfalls betroffen sind bei uns sehr seltene und streng geschützte Säugetiere wie Bären, Luchse oder Wölfe.
Als Grundlage für den Erlass dienten zwei wissenschaftliche Studien mit deren Durchführung das Bundesministerium für Klima- und Umweltschutz das Umweltbundesamt und BirdLife Österreich beauftragt hatte. Beide Studien kamen zum Ergebnis, dass bei besonders gefährdeten Tierarten wie etwa der Haselmaus, der europäischen Wildkatze, dem Seidenreiher und vielen Greifvögeln, darunter der Kaiseradler und auch der Seeadler, bereits eine einzelne Tötung erhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art haben kann. Bei faktisch in geringerem Ausmaß bedrohten Arten haben die Studien Schwellenwerte angeführt, ab welchen diese erheblichen Auswirkungen im Sinne des Strafrechts gegeben sind.
Diese Schwellenwerte bilden nun, unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung, nach übereinstimmender Ansicht des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Klima- und Umweltschutz eine fundierte Richtlinie für die Beurteilung der nicht unerheblichen Mengen im Sinne des Strafrechts.
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