Kategorie Informationen & Tipps - 25. Januar 2019
150 Jahre Postkarte: Von Wien um die ganze Welt
Mitten im Zentrum Wiens, gegenüber der Urania, an der Mündung der Wien in den Donaukanal und quasi zu Füßen des BMVIT findet man den Herrmannpark. Ein Fleckchen, das lange Zeit als Brache sein Dasein fristete. Seit einigen Jahren ist dieser aber urbar gemacht und zu neuem Leben erweckt worden, durfte gar als Strandbar zu einem sommerlichen Hotspot der Innenstadt avancieren.
Sowohl Park als auch Strandbar verdanken ihren Namen Emanuel Herrmann, dem fast vergessenen Erfinder der Postkarte.
Der 1839 in Klagenfurt geborene Herrmann machte eine steile akademische Karriere. Er ist 1863 bereits Professor für Nationalökonomie in Graz, lehrt später an der Militärakademie in Wiener Neustadt, an der Wiener Handelsakademie und auch an der Technischen Hochschule Wien.
Herrmanns Correspondenzkarte
Am 26. Januar 1869 regt er in einem Artikel in der Neuen Freien Presse eine neue Art der Correspondenz mittels Post an: Eine offene Karte in Briefformat mit aufgedruckter 2-Kreuzer-Marke – weniger als die Hälfte des damaligen Briefportos von fünf Kreuzern. Somit machte er den ausschlaggebenden Vorschlag für die erstmalige postamtlich-offizielle Einführung der Postkarte in Österreich-Ungarn.
Die Rückseite der 8,5 cm × 12,2 cm großen Karte konnte zur Vereinfachung frei beschrieben werden. Der von Herrmann vorgeschlagene Name Postkarte wurde von der Postverwaltung in Wien noch in Correspondenzkarte geändert.
Auch unter diesem Namen verkaufte sich bereits im ersten Monat unglaubliche 1,4 Millionen Mal. In Ungarn erschienen fast völlig gleich aussehende Correspondenzkarten wie in Österreich, nur mit dem Unterschied eines ungarischen Wappens statt eines Doppeladlers.
Die Postkarte war erfunden, Herrmanns Idee wurde begeistert aufgenommen und erfreute sich binnen kürzester Zeit in der gesamten Donaumonarchie größter Beliebtheit und begab sich danach auf einen weltweiten Siegeszug.
Zu ihrem heutigen Namen kam die Postkarte übrigens im Jahr 1872. Drei Jahre, bevor der 1874 in Bern gegründete Weltpostverein die Weltpostkarte einführte, um nicht mehr nur innerhalb eines Landes, sondern ab diesem Zeitpunkt auch weltweit Nachrichten per Karte zu verschicken.
Mehr als 30 Jahre war zudem das Layout der Karten nicht besonders attraktiv: Die Vorderseite der Postkarte war für den Text und die Rückseite für die Adresse vorgesehen. Erst um die Jahrhundertwende fand die Karte zu ihrer heutigen Anordnung der Elemente mit Text und Adresse auf der Rückseite und nun wurden auch die schmückenden Motive oder Ansichten auf die Karten gedruckt.
Urlaubsgrüße via Karton oder App?
In seinem Artikel schlug Herrmann vor, dass alle geschriebenen, durch Kopiermaschinen oder mittels Druck erzeugten Karten im Format eines gewöhnlichen Briefkuverts offen mit einer Zweikreuzermarke versendet werden dürfen, wenn sie mit Einschluss der Adresse und Unterschrift des Absenders nicht mehr als 20 Worte enthalten.
Der Vorschlag Herrmanns fiel auf fruchtbaren Boden. Der damalige General-Postdirektor Ritter von Maly griff den Gedanken auf. Schon im September 1869 erschien die Verordnung des Handelsministeriums über die Einführung der Korrespondenzkarte, wonach vom 1. Oktober 1869 von der Postverwaltung Postkarten ausgegeben werden, auf welchen kurze schriftliche Mitteilungen nach allen Orten der Monarchie ohne Unterschied der Entfernung gegen eine Gebühr von zwei Neukreuzern befördert werden können.
Zu ihren besten Zeiten wurde die Postkarte milliardenfach verschickt. Diese Bilanz hielt sich bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918. Heute sind die Zahlen stark rückläufig, aber noch immer werden hunderte Millionen pro Jahr weltweit versendet, besonders natürlich in den Sommermonaten unserer Breiten von Juni bis August.
Somit trotzt sie E-Mail, Facebook und WhatsApp, den digitalen Alternativen, die inzwischen die größte Rolle bei Urlaubsgrüßen spielen. E-Cards der Postunternehmen und sogar Apps zur digitalen Verarbeitung individueller Urlaubsgrüße stehen uns heute zur Verfügung. Eine traditionelle Postkarte ist laut Umfragen jedoch für viele immer noch ein Grund zur Freude. Für Schreibende und Empfänger gleichermaßen, immerhin hat das Stück Karton meist einen stolzen Weg zurückgelegt und man scheint sich der Mühe einer handgeschriebenen und eigens frankierten Karte Wert zu sein.
Hintergrund
Dem Handelministerium als einem der Vorläufer des Eisenbahnministeriums und späteren Verkehrsministeriums, oblagen alle Postangelegenheiten der Monarchie. Die Österreichische Post war noch bis 30. April 1996 Teil der Bundesverwaltung und als Post- und Telegraphenverwaltung (PTV) im Zuständigkeitsbereich des Verkehrsministeriums angesiedelt. Erst mit 1. Mai 1996 wurde die PTV aus der Bundesverwaltung ausgegliedert und in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) Post- und Telekom Austria AG (PTA) überführt.
Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) ist noch immer Oberste Post- und Regulierungsbehörde, auch wenn die Eigentümerrechte vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) im Wege der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG) wahrgenommen werden.
Das Sammeln und Erforschen von Post- und Ansichtskarten wird als Philokartie bezeichnet. Auch in Österreich, dem Ursprungsland der Postkarte, gab es schon früh eine Sammelleidenschaft. Das retrospektive Sammeln von Ansichtskarten wurde in den 1970er Jahren immer populärer und es entstand ein Markt für alte Ansichtskarten. Postkarten mit eingedrucktem Postwertzeichen werden als Ganzsachen bezeichnet, in der Philatelie oder Philokartie sind sie ein eigenständiges Sammelgebiet.