Kategorie Innovation & Technologie - 11. Oktober 2016

Der selbstfahrende Traktor und der Stallroboter

Selbstfahrende Fahrzeuge verändern nicht nur den Auto- oder öffentlichen Verkehr, sondern auch die Arbeitswelt. Landwirtschaftliche Fahrzeuge und Maschinen werden immer größer, stärker und schneller – der nächste Schritt, um Effizienz und Sicherheit zu steigern, ist die Automatisierung.

Die besondere Herausforderung im landwirtschaftlichen Bereich ist, dass die Maschinen selbst ihr Umfeld verändern, zum Beispiel beim Mähen von Pflanzen oder dem Bewegen von Futterhaufen. Bei der derzeitigen automatisierten Steuerung von Traktoren mit GPS müssen komplexe Manöver, zum Beispiel das Wenden am Feldrand, von der Fahrerin oder dem Fahrer manuell durchgeführt werden. Die erste Generation von Landwirtschaftsrobotern erfüllt schon spezielle Aufgaben auf Höfen oder in Ställen. Da jedoch GPS in diesen Umgebungen entweder gar nicht funktioniert oder zu ungenau ist, müssen sich Roboter auf Höfen und in Ställen anders orientieren. Derzeit wird die Navigation dieser Fahrzeuge oft mit Schienen, Magneten oder Tastsensoren durchgeführt, um vorgegebenen Wegen zu folgen oder Hindernissen auszuweichen.

 

Im Projekt „FarmDrive“ erforscht und entwickelt das Austrian Institute of Technology (AIT) daher neue Methoden für das Erkennen der Fahrzeugumgebung sowie für die autonome Steuerung von Maschinen, die ihre eigene Umgebung verändern. „Um das zu erreichen, sind die Fahrzeuge mit Sensoren und Kameras ausgestattet. Dazu kommt eine Bilddatenauswertung, die das Fahrzeugumfeld in Echtzeit in 3D darstellt. Der Traktor kann selbständig aus Sensordaten eine topographische Karte des Geländes erstellen. So kommt er auch in unebenem Gelände ohne vorgegebene und kartierte Straßen mit Bodenmarkierung problemlos voran“, erklärt Martin Humenberger, Projektleiter und Forscher beim AIT, wie der selbstfahrende Traktor funktioniert.

Besonders geeignet sind Maschinen, die für Tätigkeiten eingesetzt werden, die planbar sind, sich wiederholen und bei denen die Navigation im Vordergrund steht. Zum Beispiel Fahrzeuge für die Feldarbeit oder die Futterbewegung. Im Gegensatz dazu sind Forst- oder Abrissmaschinen nicht geeignet, weil die Aufgaben im Vorhinein nicht planbar oder nicht bekannt sind.

 

Müssen Landwirtinnen und Landwirte spezielle Fortbildungen besuchen, um mit diesen neuen Technologien umgehen zu können? Nicht unbedingt, sagt Martin Humenberger: „Allerdings muss man sich erst mit den neuen Möglichkeiten vertraut machen. Die Automatisierung wird auch nicht von heute auf morgen passieren, sondern eher schrittweise kommen. Bei teilautomatisierten Traktoren ist das z.B. wie bei Fahrerassistenzsystemen im Auto: Auch wenn einige Aufgaben automatisiert erledigt werden, muss man grundsätzlich mit dem Gerät umgehen können. Bei vollautomatisierten Fahrzeugen müssen die Landwirtinnen und Landwirte die Aufgaben für die Traktoren planen können und die Möglichkeiten und Einschränkungen der Systeme verstehen. Das ist aber auch jetzt schon der Fall. Denn um Arbeiten mit einem Traktor erledigen zu können, muss man die Eigenschaften des Geräts auch sehr gut kennen.“

Gemeinsam mit Steyr Traktoren (CNH Industrial Österreich GmbH) und Wasserbauer Fütterungssysteme werden die Ergebnisse des Projekts in zwei Beispielen demonstriert: Zum einen entwickeln die Expertinnen und Experten einen fahrerlosen Traktor mit Arbeitsgerät, der ein Feldstück bearbeitet. Eine kamerabasierte Hinderniserkennung sorgt dabei für den sicheren Betrieb. Bei dem zweiten Beispiel handelt es sich um einen Stallroboter, der Futterhaufen verschiebt. Dabei werden Kameras sowohl zur Navigation als auch zur Kollisionsvermeidung eingesetzt.

Hindernisse und auch Tiere müssen von den Sensoren des Fahrzeugs erfasst werden, um entsprechende Manöver einleiten zu können. Ein Hase, der im Feld sitzt und verdeckt ist, kann weder vom menschlichen Auge noch von einer Kamera gesehen werden. Das bleibt also ein Problem, erklärt Martin Humenberger die Grenzen der Technik und die Vorteile: „Die Lösung hierfür könnte die Kombination von mehreren Sensortechnologien (z.B. Kamera, Wärmebildkamera, Radar, Ultraschall) sein. Ein Vorteil ergibt sich jedoch schon: Das Kamerasystem ist nie abgelenkt, wird nicht müde oder unaufmerksam und schaut nie weg.“

INFOBOX: Das Projekt FarmDrive wird im Rahmen nationaler Forschungsprogramme vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) gefördert. Vorgestellt wurde der Traktor beim diesjährigen „European Land Robot Trial (ELROB)“, bei dem internationale ForscherInnenteams mit eigenen autonomen Fahrzeugkonzepten auftraten. Der in St. Valentin produzierte Serientraktor wurde vom österreichischen Bundesheer zur Verfügung gestellt.