Kategorie Innovation & Technologie - 31. März 2017
Die Metamorphose des Stroms
Markus Makoschitz verbindet mit dem Bandnamen der australischen Hardrockband AC/DC an sich nur wenig. Er beschäftigte sich als Keyboarder und Pianist in seiner Jugend eher mehr mit klassischer Musik von Mozart. Die Bedeutung des Akronyms der Hardrock-Band – AC steht für Wechsel- und DC für Gleichstrom – wurde für ihn aber zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Forscherlaufbahn.
Eine Bedingung der Forschungsaufgabe war, einen in der Praxis üblichen Diodengleichrichter weiterhin verwenden zu können. Makoschitz konnte dies in seiner Dissertation erfüllen. „Es gibt natürlich auch Gleichrichtersysteme, die in der Lage sind, Oberschwingungsanteile – nicht nutzbare Störströme – zu minimieren. Dabei müssen aber Komponenten der bestehenden Schaltung entnommen werden und der Umbau wäre recht aufwendig“, sagt Makoschitz. Mit seinen Ergebnissen ist das beispielsweise bei einer Schnellladestation mit einem herkömmlichen Gleichrichtersystem für Elektroautos leicht umsetzbar. Eine Nachrüstbox auf Basis seines entwickelten Konzepts kann die Stromzapfsäule trivial „upgraden“.
Weniger Oberschwingungsströme
Die ersten Schaltpläne entstanden mit dem Bleistift auf einem Blatt Papier. „Vor allem habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich fürs Erste auf einfachem Weg zu einem Lösungsansatz für ein neues Gleichrichterdesign mit geringem Oberschwingungsstrom komme.“ Makoschitz überlegte, wie er die Komplexität der Aufgabe minimieren könne, um das Grundprinzip der neuen Schaltung nachvollziehbar zu machen. Danach erweiterte er dieses Modell Schritt für Schritt und führte es in ein aufwendiges mathematisches Modell über.
Das Umwandeln von Wechselstrom in Gleichstrom ist in der Elektrotechnik ein bekannter Vorgang. Bei Bedarf von Gleichstrom für industrielle Anwendungen passiert das Gleichrichten von dreiphasigem Wechselstrom derzeit sehr häufig mit „passiven B6-Diodengleichrichtern“. Sie arbeiten günstig und robust. Der Nachteil dieser herkömmlichen Gleichrichter sei jedoch, dass sie das Netz mit Oberschwingungsströmen stark belasten. Sie verzerren das Stromnetz. Dadurch wird es ineffizient. „Der Oberschwingungsanteil dieser Gleichrichter liegt bei über 48 Prozent. Mit der neuen Schaltungslogik meiner Dissertation konnte ich diesen Wert auf unter fünf Prozent bringen“, sagt Makoschitz. Das Stromnetz wird durch diesen geringen Prozentwert stabiler. Ein Stromausfall kann also verhindert werden.
Für viele industrielle Applikationen, wie etwa für Elektroautos und Robotergreifer in Produktionsstätten, ist Gleichstrom erforderlich. Oder beim Erzeugen von erneuerbaren Energien und beim Aufbau von Smart Grids, sogenannten intelligenten Stromnetzen. Aufgrund der modernen Technologien besteht künftig ein höherer Bedarf an gut aufbereitetem und effizientem Gleichstrom.
Erst nach Abschluss der theoretischen Testläufe legte er die Komponenten für den Prüfstand aus. Makoschitz wählte für sein Forschungsprojekt elektronische Bauelemente, die wirtschaftliche und qualitative Kriterien erfüllen mussten. Welche Qualitäten etwa die Werkstoffe von Transistoren – elektrische Bauelemente – haben sollen. Sein Konzept hat auch hohes Potenzial, weil modernste Materialien aus Siliziumkarbid und Galliumnitrid nach letztem Stand der Technik zum Einsatz kommen. Analog zu Computersimulationen baute er in einem Labor die Schaltung schrittweise auf und erhöhte sukzessive die technischen Ansprüche. Für sein Dissertationsprojekt hat der 29-Jährige voriges Jahr den Gerfried-Zeichen-Preis von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Wien für herausragende Forschungsleistungen im industriellen Umfeld überreicht bekommen.
Doch keine Sportlerlaufbahn
Das Projekt ist durch eine geförderte Kooperation der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) zwischen der TU Wien und der Firma Schneider Electric entstanden. Gegenwärtig forscht Makoschitz am Austrian Institute of Technology (AIT) im Forschungsbereich Smart Grids in Wien.
Fast hätte sich sein beruflicher Weg konträr zu seiner jetzigen Forscherlaufbahn entwickelt. Der Wissenschaftler wollte bis knapp vor seiner Matura Leichtathlet im Profisport werden. Eine Verletzung habe ihm vor Augen geführt, dass eine Sportlerkarriere an einem seidenen Faden hänge und die berufliche Existenz gefährden kann. „Die Leistungselektronik ist dann doch etwas kalkulierbarer und ein Zukunftsthema“, sagt Makoschitz lachend. (Von Wolfgang Dorner, Die Presse)