6. Juni 2018
Astro-Alex fliegt als Kommandant in spe zur ISS
Livestream Launch & Docking
https://livestream.com/ESA/HorizonsLaunch
Seit Sonntag ist wieder Platz für neue Crew-Mitglieder auf der Internationalen Raumstation ISS. Nun heißt es für den deutschen Astronauten Alexander Gerst und zwei Begleiter, die am 6. Juni vom Weltraumbahnhof Baikonur zur Raumstation starten, noch einmal tief durchatmen, bevor sie Punkt 13.12 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, an Bord einer Sojus-Rakete ins All starten.
Alexander Gerst, geboren 1976 im baden-württembergischen Künzelsau, lebte und arbeitete bereits 2015 für 165 Tage als Astronaut der Europäischen Weltraumorganisation ESA an Bord der Raumstation. Er war bis dato der elfte deutsche Raumfahrer und der dritte Deutsche auf der ISS. Bei der Mission Blue Dot – benannt nach einem Foto der Erde aus der Tiefe des Weltraums – arbeitete Gerst als Bordingenieur.
Mit ihm zusammen fliegen der russische Kampfpilot Sergej Prokopjew (43) und die US-Ärztin Serena Auñón-Chancellor (42). Für beide ist es der erste Flug ins All. Ihr Ziel: die Internationale Raumstation ISS das größte von Menschenhand gebaute Objekt im All, welches schon bald 20 Jahre alt wird.
Auf Gagarins Spuren
„Ich weiß, was auf mich wartet“, sagt Alexander Gerst. „Wenn man zum zweiten Mal in sein Raumschiff steigt, dann fühlt es sich schon ein wenig an wie zu Hause“, twitterte er vor einigen Tagen aus der Quarantäne in Kasachstan. Trotzdem ist es auch für ihn nichts Alltägliches, denn „Von der Startplattform aus zu starten, von der schon Juri Gagarin gestartet ist, das ist ein Riesenkompliment“, fügte Gerst noch hinzu.
Was passiert in den letzten Tagen und Stunden vor dem Start? @Astro_Alex über #Raumfahrt-Traditionen kurz vor dem Flug zur #ISS – und das Ritual, am letzten Abend auf der Erde einen gewissen Film gemeinsam zu schauen… #horizons. #Baikonur Video: @ESA_de pic.twitter.com/ia28bL5zV4
— DLR_de (@DLR_de) June 4, 2018
Nun sollen für Astro-Alex, wie er sich selbst in den sozialen Medien nennt, weitere 188 Tage im All dazukommen. Die neue Mission heißt Horizons und findet just zum 40 jährigen Jubiläum des Fluges von Sigmund Jähn statt, der im August 1978 als erster Deutscher ins All flog.
Eine Premiere wird es auch dieses Mal geben, denn Alexander Gerst wird für drei Monate als Kommandant die Leitung auf der ISS übernehmen. Diese Ehre wird ihm als erster Deutscher und als zweiter Westeuropäer überhaupt zu teil. „Die größten Raumfahrtagenturen der Erde vertrauen mir die komplexeste und wertvollste Maschine an, die Menschen jemals gebaut haben!“ kommentierte Gerst seine Wahl, die normalerweise Russland und die USA als Hauptzahler der milliardenteuren ISS für sich in Anspruch nehmen.
100 per cent ready! @Astro_Alex's latest blog entry five hours before launch, in German 🇩🇪 #Horizons #countdownhttps://t.co/eqnIWu3lJP pic.twitter.com/82NUCLQ7Jf
— Human Spaceflight (@esaspaceflight) June 6, 2018
Eine Menge Experimente
Alexander Gerst soll als Kommandant mehr als 50 Experimente für Universitäten, Institute und Firmen in vielen Ländern durchführen. Insgesamt werden im Rahmen der Horizons-Mission 67 Experimente auf der ISS abgearbeitet. Gerst wird dafür das wissenschaftliche Labor Columbus, Europas größtem ISS-Projekt, nutzen und aus der Ferne von 40 Wissenschaftlern und Technikern des Columbus-Kontrollzentrums der Esa im bayerischen Oberpfaffenhofen betreut.
Ein Auszug aus dem wissenschaftliche Programm:
- Müde Muskeln im All: „Myotones“ ist eines der medizinischen Experimente, an denen Gerst teilnehmen wird. Wissenschaftler wollen damit die biomechanischen Eigenschaften des ruhenden menschlichen Muskels untersuchen. Die Ergebnisse sollen auch in die Rehabilitation nach Knochenbrüchen einfließen.
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Ultrakalte Atome: Erst vor wenigen Tagen startete die Nasa-Forschungsapparatur „Cal“ (Cold Atom Lab) zur ISS – ein Minilabor zur Erforschung ultrakalter Atome. Dort werden Atomwolken auf die kälteste Temperatur im gesamten Universum herabgekühlt – nämlich fast auf den absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius. Sie können unter anderem beim Messen von Gravitationswellen und beim Entwickeln von Quantencomputern bedeutsam sein.
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Livebilder aus Zellen: Premiere wird auf der ISS auch das Fluoreszenzmikroskop „Flumias“ feiern. Das Gerät wird bei Gersts „Horizons“-Mission erstmals in einer Demonstrationsversion auf der Raumstation eingesetzt. Mit ihm lassen sich Vorgänge in Zellen live beobachten.
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Wireless Analysetool: Beim Experiment „Metabolicspace“ handelt es sich um ein am Körper tragbares Analysesystem für Körper- und Stoffwechselfunktionen. Im Gegensatz zu bisherigen Messsystemen kommt „Metabolicspace“ als Gurt ohne hinderliche Kabel aus.
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Funktionskleidung: Das Wohlbefinden von Astronauten während des Trainings verbessern soll das Experiment „Spacetex 2“. Dabei handelt es sich um eine speziell für die ISS hergestellte Funktionskleidung, die den Wärmeaustausch optimieren soll.
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Highspeedkamera für Schmelzofen: Den sogenannten Elektromagnetischen Levitator (EML) installierte Gerst bereits am Ende seiner „Blue Dot“-Mission 2014 auf der Raumstation. Im Zuge der Mission „Horizons“ soll der Hightech-Schmelzofen nun eine Highspeedkamera erhalten. Mit dem EML werden materialwissenschaftliche Fragen untersucht, die beispielsweise für die Optimierung industrieller Gießprozessen wichtig sind.
- „Maus-Experiment“: Aus der berühmten Sendung mit der Maus kommt auf Vorschlag von Kindern der Versuch mit der Mini-Rakete. Dafür wird im All eine Plastikspritze verwendet, die mit Wasser und einer Brausetablette befüllt ist. So bildet sich Sprudel und ein Gasdruck kommt auf, sst dieser Druck hoch genug, kann die Rakete starten. Damit das Geschoss nicht unkontrolliert durch die Raumstation fliegt, wird es an einer Schnur befestigt. Außerdem will Gerst testen, ob er sich mit Schwimmbewegungen in der Schwerelosigkeit vorwärtsbewegen kann.
Bereits 2014 hatte Gerst zumsammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Experimente nach vielen Vorschlägen in der Kindersendung ausgewählt und im All durchgeführt. Mit dieser Aktion konnten große und kleine Zuschauer eine Menge über den Weltraum lernen – eine sehr nützliche Praxis in der Vermittlung sogenannter MINT-Themen.
Rückkehrer mit sanfter Landung
Drei Tage vor dem Start der neuen Crew ins All sind bereits drei Raumfahrer sicher von der Internationalen Raumstation ISS zur Erde zurückgekehrt. In einer russischen Sojuskapsel landeten sie am Sonntag, 3. Juni, um 14.39 Uhr (MESZ) in der kasachischen Steppe nahe der Stadt Scheskasgan.
Der Russe Anton Schkaplerow, der US-Amerikaner Scott Tingle und der Japaner Norishige Kanai hatten 168 Tage, also knapp ein halbes Jahr auf dem Außenposten der Menschheit verbracht. Aus dem All zurück brachten sie einen Fußball, der beim Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft am 14. Juni in Moskau zum Einsatz kommen soll.
In der Regel sechs Besatzungsmitglieder
Die ISS kreist in etwa 400 Kilometern Höhe alle 90 Minuten um die Erde. Sie hat üblicherweise sechs Besatzungsmitglieder. Bis zur Ankunft von Gersts Crew halten NASA-Kommandant Drew Feustel, Ricky Arnold und Oleg Artjomow dort Wacht.
Zum Abschied von der Erde gab sich der Social- Media-affine Alexander Gerst auch dieses Mal betont lässig:
L-6 hours. On our way to the suit-up building. Got a great farewell from our friends and families. Crew is doing great. Looking at unimpressed camels on the side of the road. #horizons
— Alexander Gerst (@Astro_Alex) June 6, 2018
Seine Erlebnisse und Ergebnisse der Reise wird er auch dieses Mal auf diversen Kanälen für uns dokumentieren. Neben den Glücks- und Erfolgswünschen versprach auch die deutsche Bundeskanzlerin, dass sie „natürlich alle Nachrichten von Astro-Alex ganz aufmerksam verfolgen“ werde.
Erst am Freitagnachmittag, nach 34 Runden um die Erde, werden er und die Crew an der ISS andocken.
Ein Livestream zum Start beginnt am 6. Juni um 12:10 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, bevor die Sojus-Rakete dann etwa eine Stunde später um 13:12 Uhr abheben wird.