Kategorie Innovation & Technologie - 8. November 2018

Digitalisierung & Vernetzung im Verkehr schreiten voran

Das Verkehrswesen in Österreich ist technologisch im Umbruch: Nicht nur in Hinblick auf den jüngsten und polarisierenden Sektor Automatisiertes Fahren, sondern auch, was die Verkehrsinformationen an Reisende betrifft, die von unterschiedlichsten Quellen über diverse Schnittstellen an vielerlei Endgeräte, wie Smartphones oder Navigationsgeräte, gehen.

Die rasanten technologischen Entwicklungen verändern auch unser Verkehrsverhalten nachhaltig. Nicht nur die Art, wie wir uns in den schnell wachsenden Großstädten fortbewegen, ist im Umbruch, auch eine immer bessere Vernetzung auf allen weiteren Verkehrswegen sorgt für neue Dynamik im Bereich smarte Mobilität: Praktische Bausteine auf dem Weg zur Mobilität der Zukunft?

Diskutiert wurde all das bei der heurigen ITS Austria Konferenz, die unter dem Motto digital : vernetzt : mobil am 23. Oktober 2018 im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) auf Einladung des Plattform ITS Austria und AustriaTech stattfand. 2018 wurde innerhalb der ITS Austria intensiv an einem neuen Arbeitsprogramm gearbeitet, das im Rahmen der Konferenz erstmals präsentiert wurde.

Rund 200 Experten aus Politik, Forschung und Industrie folgten der Einladung und tauschten sich über zukünftige gemeinsame Wege zu einem integrierten, multimodalen Verkehrssystem aus. Bundesminister Norbert Hofer betonte bei der Eröffnung: „Das BMVIT begrüßt das neue Arbeitsprogramm der ITS Austria, welches verkehrsträgerübergreifend in Zusammenarbeit mit den zentralen Playern im Verkehrsbereich die heimische Mobilität einfacher, effizienter und komfortabler machen wird.“

Betroffen sind dabei nicht nur die Nutzer, sondern vielmehr auch Betreiber, Diensteanbieter und Politik, die entsprechende Rahmenbedingungen schaffen müssen. Kooperation und Zusammenarbeit der nationalen Stakeholder stehen dabei im Vordergrund.

Martin Russ, Generalsekretär der ITS Austria: „Die Plattform ist ein Garant für die Wettbewerbsfähigkeit und Effektivität österreichischer Mobilitätslösungen. Mit unserem neuen Aktionsprogramm vernetzen wir künftige effiziente digitale Verkehrsinfrastrukturen mit neuen multimodalen Mobilitätsangeboten.“ Entsprechend dem Leitsatz digital : vernetzt : mobil wurden die größten Herausforderungen der Mobilität in Zusammenhang mit Verkehrsplanung thematisiert und mit konkreten Maßnahmen versehen.

Vernetzung für Service und Sicherheit

Vier konkrete Maßnahmen im Arbeitsprogramm der seit Jahresbeginn neu aufgestellten Plattform ITS Austria für die kommenden Jahre standen zudem im Vordergrund: Ab 2019 wird das vernetzte Fahrzeug auf den österreichischen Autobahnen Realität, entlang der Westautobahn wird mit der direkten Kommunikation zwischen Infrastruktur und Fahrzeug gestartet.

Es kommt durch die Ausrollung der C-ITS (Cooperative Intelligent Transport Systems) zur direkten Kommunikation zwischen Auto und Infrastruktur. Des Weiteren startete die Ausschreibung des Leitprojekts des Verkehrsministeriums Integrierte Mobilitätsangebote. Entwickelt werden zudem auch ein MaaS (Mobility as a Service) made in Austria Systemverständnis sowie das Vorhalten digitaler Verkehrsmanagementpläne.

Die Echtzeitinformationen dienen auch der Verkehrssicherheit. In weiterer Folge wird es auch eine Interaktion zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern – Öffis und Individualverkehr – in der Stadt und auf dem Land geben. So werde die ASFINAG in der Lage sein, Verkehrsinformationen, vor allem verkehrssicherheitsrelevante Informationen direkt in die Fahrzeuge zu bringen. Und das nicht in einem Testlabor, sondern im Echtbetrieb, das werde entlang der Westautobahn funktionieren.

Bereits im September wurde von der ASFINAG berichtet, dass die europäische Plattform C-Roads ihrem Ziel, Fahrzeuge nahtlos mit sicherheitsrelevanten Verkehrsinformationen in Echtzeit zu versorgen, einen bedeutenden Schritt näher gekommen ist. Österreich als Teil des Konsortiums konnte dabei diesen Sommer weitere erfolgreiche Tests mit internationalen Partnern durchführen und so die Ausrollung der benötigten Infrastruktur für Teile der österreichischen Autobahnen vorbereiten.

Hersteller gefragt

„Wenn Sie künftig auf der Westautobahn unterwegs sein werden, dann bekommen Sie alle relevanten Informationen zum Straßenzustand beispielsweise direkt in das Fahrzeug“, so Hofer. Man habe Informationen sofort im Fahrzeug, „und das ist sicherheitsrelevant und wird ein echter Mehrwert werden für die Straßenverkehrssicherheit“.

Von Seiten der Autohersteller startet man mit Volkswagen, konkret mit dem VW-Golf, so Fiala. Es setzten aber auch andere Hersteller darauf, dass Infrastrukturinformationen sofort im Navi angezeigt würden. Fiala geht auch davon aus, dass Nachrüstungen möglich sein werden. Die Informationen können binnen kürzester Zeit in das Fahrzeug gespielt werden. Beispielsweise über eine Baustelle könne auf zwei, drei Kilometern im Vorfeld informiert werden, auch über betroffene Fahrspuren oder Geschwindigkeitsbeschränkungen.

Autonomous Drive Demonstrator © VIRTUAL VEHICLE

Mit dem digitalen Verkehrsmanagementplan werde dann eine Information der Kundinnen und Kunden zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln möglich sein. „Wenn was passiert, ist es möglich, umzuleiten“, so Fiale.

Die neue Qualität dabei werde sein, dass man verkehrsträgerübergreifend denke, es die Informationen auch im öffentlichen Verkehr geben werde. Mit den neuen Möglichkeiten sei man dann in der Lage, alle Reisenden zu informieren, wenn etwas passiert, auch über Optionen, den Verkehrsträger zu wechseln. Der Individualverkehr werde damit ein Stück mehr vernetzt. Als Beispiel nannte Fiala das Pilotprojekt einer Kooperation zwischen ASFINAG und ÖBB auf der Strecke zwischen der Stadt und dem Flughafen Wien.

Zur Nutzung dieser neuen Möglichkeiten sei eine ganze Reihe von Informationen nötig, von Routeninformationen über Angebote bis hin zu Preisen und Buchungsinformationen. Die Digitalisierung ermögliche Vernetzung und Information und liefere die nötigen Daten. Die verwendeten Daten sind anonymisiert und würden sehr verantwortungsvoll verwendet, betonen alle Beteiligten.

Idealerweise gäbe es eine App mit Streckenvorschlägen und integriertem Buchungssystem. Intensiv arbeite man an einem Österreich-Ticket. Verkehrsminister Hofer wünscht sich dafür einen baldigen Durchbruch und sieht die wirklich große Wende in der Mobilität bereits im nächsten Jahrzehnt, „wenn man autonom und dekarbonisiert unterwegs sein werde“. Auch der Umstieg auf Drohnen soll dann möglich werden: „Das autonome Fliegen wird schneller kommen als das autonome Fahren“, so Hofer.

Europaweite Anwendung

Auch der sechste Verkehrstelematikbericht (III-175 d.B.) des BMVIT greift diese Entwicklungen im Verkehrsektor auf. Er zeigt sämtliche Bestrebungen zu diesem Thema und die Bedeutung der Bündelung aller Möglichkeiten – sowohl in der Forschung, als auch in der Umsetzung.

Der Bericht wird auf Basis des IVS-Gesetzes (Bundesgesetz über die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern) jährlich dem Nationalrat vorgelegt. Er enthält Informationen über organisatorische, rechtliche und technische Rahmenbedingungen, über einzelne nationale und europäische Aktivitäten im privaten wie im öffentlichen Bereich sowie über aktuelle sowie künftige Forschungs- und Entwicklungsthemen im Verkehrsbereich

Basiskarte basemap.at

Wesentliche Grundlage für die Weitergabe von Verkehrsinformationen sind digitale Kartensysteme. Seit Anfang 2014 ist eine amtliche Basiskarte über www.basemap.at für jedermann abrufbar. Laut Verkehrstelematikbericht 2018 ist das ein europaweit einzigartiges Service.

Die Basemap beruht auf amtlichen Geodaten, wird kostenlos angeboten, Nutzer können sie in Anspruch nehmen, so oft sie wollen, für private, öffentliche und auch kommerzielle Zwecke; sie können unbegrenzt Daten rund um die Uhr über eine sichere Verbindung online abrufen oder auf ihren Computer herunterladen. Sie müssen sich dafür nicht einmal auf der Seite registrieren. Die Geodaten sind qualitätsgeprüft und sie werden alle zwei Monate upgedatet. Die Basemap wird im Maßstab von 1:1000 angeboten, in Teilbereichen sogar 1:500.

Über standardisierte Schnittstelle können die Geodaten der Basemap kostenlos verwendet werden.

An Spitzentagen verzeichnet basemap.at mehr als 40 Millionen Zugriffe; an durchschnittlichen Tagen sind es 15 bis 20 Millionen. In den letzten zwölf Monaten wurden Daten im Umfang von 150 Terabyte genützt.

Die digitale Karte von basemap.at bietet auch eine Grundlage für eine Reihe von anderen Anwendungen. TN-ITS etwa ist eine Datenaustausch-Spezifikation, die der Bereitstellung der Standorte beispielsweise von Verkehrszeichen dient, von Verkehrsbeschränkungen, Gefahrenzeichen, von Gebots- oder Vorrangzeichen oder von allgemeinen Verkehrsvorschriften. Über sie können auch Informationen über Tankstellen, E-Fahrzeug-Ladestellen oder Parkmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.

TN-ITS ist derzeit als Pionieranwendung in Schweden und Norwegen eingerichtet. Es gibt dazu auch Pilotprojekte in Belgien, Großbritannien, Irland und Frankreich. Das Projekt „TN-ITS GO“ soll zwischen 2018 und 2021 breiter umgesetzt werden. Österreich hat derzeit nur Beobachterstatus.

In der DATEX-II-Organisation hingegen ist Österreich Vollmitglied. DATEX II wurde entwickelt, um den Austausch von Verkehrsinformationen zwischen Verkehrsleitzentralen und anderen Informationsdrehscheiben in Europa zu standardisieren. Europaweit sollen in harmonisierter Form Daten ausgetauscht werden können, die über die Echtzeit-Verkehrslage Auskunft geben, über aktuelle Verkehrsbehinderungen, Baustellen, Wechselverkehrszeichen, über Rastplätze und Mautstellen.

Seit 2006 online, besteht sie mittlerweile in ihrer zweiten Version und noch soll noch heuer in Form eines dritten Major Release als Version 3.0 veröffentlicht werden.

Informationen am Zug

Auch die ÖBB investieren kräftig in die eigene Digitalisierung und die ihrer Kundinnen und Kunden. Nicht nur WLAN im Zug und in Bahnhöfen oder die Mobilfunkabdeckung entlang der Bahnstrecken sollen dabei massiv ausgebaut werden. 100 Millionen Euro werden dafür eingesetzt, zwei Drittel der Kosten tragen die ÖBB und das Verkehrsministerium, ein Drittel die Mobilfunkbetreiber A1, T-Mobile und Drei. Eine Projektphase ist bis 2019 angesetzt.

© ÖBB

Digitalisierung heißt bei der Bahn neben Mobilfunk und WLAN aber auch Wiederauffindbarkeit und Entstörbarkeit von Kabelanlagen. Dazu haben die ÖBB ein Referenzstationsnetzwerk für Satellitenempfänger aufgebaut. Damit wird eine Positionsgenauigkeit erreicht, die in der Länge 1 bis 2 cm beträgt und in der Höhe 5 cm. Auch die Triebfahrzeuge der ÖBB sind mit dem Referenznetzwerk verbunden. Deren Standortgenauigkeit wurde kürzlich von drei bis fünf Meter auf 30 cm verbessert.

2018 begannen die ÖBB zudem mit dem Aufbau eines Freiwilligenteams an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Seit dem Frühjahr 2018 sind 180 Personen dafür registriert. Sie werden via Push-Nachricht informiert, wenn es zu größeren Störungen im Zugverkehr kommt.

Österreich bereit für E-Call

Einen weiteren Schritt der Digitalisierung auf den Straßen ist mit der Einführung des sogenannten eCalls gelungen. Leben retten durch moderne Kommunikationstechnik: Seit 31. März 2018 müssen neu genehmigte Autos mit einem elektronischen Sicherheitssystem ausgestattet sein, das im Fall eines ernsthaften Unfalls eine Leitstelle der Polizei alarmiert.

© Continental AG

Selbst im Falle der Bewußtlosigkeit des Lenkers, wird das System über den exakten Standort informiert und kann innerhalb von Minuten Rettungskräfte auf den Weg schicken. Dieses Service ist eine Erweiterung des Europäischen Notrufs 112, auch eCall genannt. Diese Regelung betrifft alle neu genehmigten Fahrzeugtypen der Klasse M1 und N1 – das sind alle Pkw und Lkw bis 3,5 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht.

Damit gehört Österreich neben Luxemburg, Slowenien und Tschechien zu den ersten vier Ländern, in denen die Notrufzentralen über die Nummer 112 automatisierte E-Calls (Emergency Calls) aus Fahrzeugen empfangen und bearbeiten können. Derzeit werden die E-Calls in Österreich noch über ein improvisiertes System angenommen.

Mit dem neuen ELKOS (Einsatzleit- und Kommunikationssystem) der Polizei werden weitere Komponenten umgesetzt, etwa dass ein Notrufbeamter über eine Freisprechanlage mit einem verunglückten Autofahrer Kontakt aufnehmen kann. ELKOS wird bei der Polizei zwischen Herbst 2018 und Sommer 2019 österreichweit ausgerollt.

Service: Wie der E-Call funktioniert, erfahren Sie hier.

INFObox: Die Plattform ITS Austria hat das Ziel, den Rahmen und die Grundlagen für die Realisierung von integrierten und verkehrsträgerübergreifenden Angebote zu schaffen. Akteure aus den Bereichen öffentliche Hand, Wirtschaft, Industrie und Forschung sollen über die Plattform vernetzet werden. Ein umfangreicher Austausch zwischen allen relevanten Stakeholdern ist dabei unersetzlich, um Vertrauen für die neuen Modelle des Mobilitätssystems zu schaffen und um die NutzerInnen frühzeitig einzubinden.