Kategorie Innovation & Technologie - 27. Mai 2019

Zukunft Pflegeroboter: Hilfen mit Gedächtnis & als interaktives Kuscheltier

Was tut ein Roboter, wenn er sich mit einem Gegenstand konfrontiert sieht, den er nicht erkennt? In der Regel tut er dann gar nichts. Das wollen Wiener Forscher ändern, indem sie den Maschinen beibringen, zu erkennen, was sie nicht wissen, und sich aktiv auf die Informationssuche zu machen. Dabei baue man ihnen gewissermaßen Neugierde ein.

Wie sieht die Zukunft von Pflegerobotern aus? © apa

Herkömmliche Roboter können eng umschriebene Aufgaben in bekannter Umgebung mit großer Präzision und Geschwindigkeit ausführen. Wie die sprichwörtliche Kuh vorm neuen Tor verhalten sich viele Systeme aber, wenn ihnen der Umgang mit einer Sache nicht geläufig, sprich programmiert ist. Wenn es zukünftig daran geht, Roboter auch komplexere Aufgaben in wechselnden Umgebungen zu übergeben, brauchen sie jedoch eine gewisse Fähigkeit zur Eigenständigkeit und so etwas wie Neugierde.

Den Horizont erweitern

Die Forschungsgruppe um Markus Vincze vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der Technischen Universität (TU) Wien arbeitet im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts an Ansätzen, die die Systeme befähigen, ihren Horizont ein Stück weit selbst zu erweitern.

Der erste entscheidende Schritt dorthin sei es aber, überhaupt erst zu erkennen, dass etwas tatsächlich ein Objekt ist. „Das kann bereits schwierig sein, etwa, wenn mehrere Gegenstände sich nicht genau trennen lassen, weil sie sich zum Teil überdecken“, so Vincze.

 

Ist ein Ding erstmal bildlich erfasst, muss das System ein dreidimensionales Modell davon konstruieren. Nur so kann der Roboter das Objekt auch angreifen und aufheben. Während kleine Kinder bereits ab dem ersten Lebensjahr Dinge intuitiv räumlich wahrnehmen, ist der Aufwand, um ähnliches technisch zu leisten, bereits enorm, heißt es.

Kontext hilft bei Bildersuche

Das Wiener Forschungsteam interessiert sich besonders dafür, was passiert, wenn eine Sache gar nicht erkannt wird – wenn also ein Roboter ein Foto des vor ihn stehenden Objekts mit seiner Datenbank vergleicht, aber keine ausreichende Übereinstimmung feststellt. Die Maschine muss also auch wissen, was sie nicht weiß. Ist das der Fall, „soll der Roboter ein Bild davon machen und sich im Internet auf die Suche machen“, so die Idee der Wissenschafter.

Zusammen mit Kooperationspartnern aus Italien, Frankreich und Großbritannien testeten die Forscher ihren Zugang mit dem in früheren Projekten entwickelten mobilen Pflegeroboter HOBBIT. Mittels Analysen von Fotos und den dazugehörigen Bildtexten, die unter anderem die Google-Bildersuche ausspuckt, optimierte das Team Schritt für Schritt die Suchalgorithmen.

Im Praxistest wurde der Roboter etwa mit zehn typischen Büro-Utensilien, wie Tastatur, Maus oder Locher auf einem Schreibtisch konfrontiert. Die Wissenschafter löschten dann eines dieser Objekte aus der Datenbank und HOBBIT sollte sich dann selbst auf die Suche nach Information dazu machen. Besonders erfolgreich war der Roboter, wenn sich in der Umgebung des gesuchten Objekts thematisch dazupassende andere Dinge befanden.

War etwa hauptsächlich Geschirr auf dem Tisch und das gesuchte Ding ebenfalls ein Küchenutensil, tat sich das System leichter bei Auffinden und Einordnen des gesuchten Gegenstands. „Die Kontext-Information lässt sich analysieren und zielführend verwenden, und die Suche einschränken“, so Vincze.

Der mobile Pflegeroboter HOBBIT ist für den Einsatz in Altersheimen konzipiert, wo er beispielsweise beim Suchen verlorener Gegenstände helfen soll.

Robotik verbindet Generationen

Roboter sind schon heute ein Bestandteil im Pflegealltag. Neben der Ausführung etwa körperlich schwere Arbeiten, sollen sie pflegebedürftigen Menschen auch vermehrt als Gesellschaft dienen.

Diesen Ansatz verfolgt ein weiterer Roboter, der in Form eines Teddys in Pflegeheimen an Termine und die Einnahme von Medikamenten erinnern, Bücher vorlesen, Spiele spielen und den Puls messen soll. Das interaktive Kuscheltier steht im Mittelpunkt der Diplomarbeit einer Arbeitsgruppe der Schule Technologisches Gewerbemuseum (TGM) Wien.

Entwickelt wurde es von Schülern im Rahmen des Sparkling Science-Projekts iBridge des Bildungsministeriums, wo durch Robotik und Informationstechnologie eine Brücke zwischen Teenagern und Senioren gebaut werden soll. Sparkling Science hat zum Ziel, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und Schülern den Weg in die Forschung zu weisen.

Teenager und Senioren haben oft wenig gemeinsame Anknüpfungspunkte. Das Projekt iBridge sieht ausgerechnet in Informatik und Robotik die Möglichkeit, beide Generationen zusammenzubringen. In unterschiedlichen Pensionistenklubs in Wien geben deshalb jede Woche Schüler Pensionisten Internetkurse und unterstützen beim Umgang mit modernen Technologien. Neben dem TGM sind auch die HTL Donaustadt und die HTL Ottakring involviert. Das Aufeinandertreffen in den Klubs sei das Herz des Projekts, erklärte Gottfried Koppensteiner, Abteilungsleiter für Informationstechnologie am TGM. Durch die Interaktion lernen die Jugendlichen, sich in die ältere Generation hineinzuversetzen. Hier findet die Ideenfindung statt.

In Zusammenarbeit mit Auftraggeber PRIA (Practical Robotics Institute Austria) und dem Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der Technischen Universität Wien, wo die Schüler an Workshops teilnehmen und Einblicke in wissenschaftliche Forschung bekommen können, entstehen so Produkte mit dem Ziel, Senioren das Leben zu erleichtern.

Pillenbox erinnert an Medikamente

Die P-Box ist ein Projekt der vierten Klasse der HTL Donaustadt. „Sie soll das Leben für Menschen erleichtern, die sich nicht mehr alles merken können“, erklärte Alexander Rosskopf. Das müssen nicht unbedingt Alzheimer-Patienten sein, betonte der Schüler, eine Erinnerung an die Einnahme von Tabletten sei in jedem Alter manchmal notwendig.

In die 22 Fächer der Box kommen die unterschiedlichen Medikamente, drei Fächer für jeden Tag (Morgens, Mittags und Abends, die genauen Uhrzeiten sind dabei frei einstellbar), sieben Tage lang. Das 22. Fach ist für die Medikamentenausgabe, wo die Pillen je nach Tageszeit automatisch ausgegeben werden. Sollte die Tablette nicht entnommen werden, wird eine Nachricht an den jeweiligen Betreuer, Pfleger oder die Rettung ausgesetzt – nach einem Hinweiston, der den Nutzer nochmals an die Entnahme erinnern soll.

Die P-Box entstand im Zuge des Fachs „Informationstechnische Projekte“. „Vielleicht führen wir die Entwicklung nächstes Jahr als Diplomarbeit weiter“, so Mitschüler Alen Karahasanovic. „Wir wollen in Zukunft noch eine Funktion einbauen, wo ein Pfleger auf mehrere Boxen über ein Netzwerk zugreifen und sie individuell konfigurieren kann, ohne dass er zum Patienten fahren muss.“ Zurzeit funktioniert die Einstellung noch lokal über ein Display.

Teddy als Heimhilfe

Ein Teddybär als Heimhilfe ist das Diplomprojekt von fünf Schülern des TGM. „Wir haben in der vierten Klasse begonnen, Befragungen im Pensionistenklub zu machen und festgestellt, dass ein Bedarf an Assistenzrobotern besteht“, erklärte Paul Mazzolini aus der fünften Klasse. „Dieses Jahr haben wir dann den Kuscheltierprototypen umgesetzt. Es gibt kaum ein vergleichbares Produkt am Markt. Die meisten sind entweder für die Unterstützung oder für die Unterhaltung da, deshalb ist das Kuscheltier so ein einzigartiges Projekt.“

Die Schüler, von denen jeder rund 200 Arbeitsstunden in den Prototypen investiert hat, haben mit ihrem Teddy im Vorjahr den Teen Science Slam der European Researchers Night gewonnen. Das Preisgeld in Form von Saturn-Gutscheinen hätten sie in hochwertigere Komponenten investieren können – das wollten sie aber nicht, denn: Der Preis muss stimmen. „Die Idee war es, kostengünstige Komponenten einzusetzen, damit das Endprodukt sogar als Prototyp erschwinglich bleibt“, betonte Mazzolini. „Wir sind bei einem Prototypenpreis von unter 100 Euro. Im Endeffekt könnte man es deutlich günstiger fertigen.“ Wie der Helfer bei der Zielgruppe ankommt? „Sehr gut“, so sein Kollege Christoph Kern. „Die Leute sind sehr interessiert daran, es ist ein richtiges Diskussionsthema.“

Bei ihrer Arbeit haben sich die Schüler in ihre Zielgruppe hineinversetzt und versucht, deren Bedürfnisse möglichst gut zu erfüllen. Die Konfiguration des Bären erfolgt deshalb über eine barrierefreie, leicht zugängliche Website. „Jeder, der hier im Klub einen Computerkurs gemacht hat, kann das“, betonte Mazzolini. „Und wenn man als Enkel einmal pro Woche zur Oma fährt und ihr beim Konfigurieren hilft, dann hat das ja auch was Gutes.“

apa/red

Service: Die Strategie zur Zukunft der Künstlichen Intelligenz in Österreich sowie das White Paper des Robotik-Rates, jeweils als .pdf zum Download.

INFObox: Zur aktiven Gestaltung des digitalen Wandels haben das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) eine Strategie für Künstliche Intelligenz entworfen. Als Basis dient das White Paper des Robotikrates. Zudem veranlasste das BMVIT 2017 die Gründung des Robotik-Rates, der Strategien für den Umgang mit künstlicher Intelligenz und Robotik erarbeiten soll. Vorsitzende des Rats für Robotik ist Sabine Köszegi, Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation an der TU Wien. Neben Köszegi gehören dem Gremium Andreas Kugi (TU Wien/AIT Austrian Institute of Technology), Corinna Engelhardt-Nowitzki (Fachhochschule Technikum Wien), Mark Coeckelberg, (Uni Wien), Sylvia Kuba (Arbeiterkammer), Martina Mara (JKU Linz, Ars Electronica Futurelab), Matthias Scheutz (Tufts School of Engineering, USA) und Erich Schweighofer (Uni Wien) an. Zudem ist die Industriellenvereinigung durch einen Experten im Rat vertreten.