Kategorie Innovation & Technologie - 1. Februar 2021
AIT hilft Eisenbahnbrücken mit lebensverlängerndem Monitoring
Das Brückenbauen ist den Österreichischen Bundesbahnen alles andere als fremd. 6.449 Brücken sind im Streckennetz der Bahn allein in Österreich für die zügige Fortbewegung unerlässliche Infrastruktur. Neben Brücken-Neubauten wie auf der Koralmstrecke, wo sechs neue Eisenbahnbrücken aktuell im Entstehen sind, pendelt der Zugverkehr in Österreich auch über allerhand Altbestand.
Wie bei diesen wichtigen Eisenbahninfrastrukturen, wozu neben Brücken auch Tunnelbauwerke oder Lärmschutzwände zählen, eine optimale Zustandsbewertung gelingen kann, untersucht das AIT Austrian Institute of Technology nun in einem hochkarätigen Konsortium, bei dem auch die ÖBB als assoziierte Partner mit von der Partie sind.
Erst vor kurzem erfolgte der Startschuss für das Forschungsprojekt DEEB-INFRA, Abkürzung des etwas sperrigen Projektitels Datenbasiertes Extrapolationsmodell zur Ermittlung von realen Betriebslastenzügen für Restlebensdaueranalyse von Eisenbahn-Infrastrukturanlagen: In den nächsten drei Jahren sollen in dieser deutsch-österreichisches Forschungskooperation unter der Leitung der Technischen Universität Darmstadt die bestehenden Instrumente zur Zustandsbewertung von Eisenbahninfrastrukturen verbessert und der Lebenszyklus der untersuchten Bauten so auch erhöht werden.
Das AIT und REVOTEC sind als österreichische Partner an Bord, das AIT zunächst mit der Entwicklung einer Extrapolationsmethode für Daten aus Achslastmessstellen sowie einer neuen Methode zur Erfassung von Achslastmessdaten mit schnell und einfach applizierbaren Sensoren im Netz der Deutschen Bahn.
Bauwerksmonitoring für Lebenszeitprognose
Zur Ermittlung der Restlebensdauer bestehender Brücken werden herkömmlicherweise idealisierte Lastmodelle für die Vergangenheit sowie Annahmen zum zukünftigen Verkehrsaufkommen herangezogen. Diese Annahmen unterliegen allerdings großen Unsicherheiten und weisen daher in der Regel einen stark konservativen Charakter auf. Die mögliche Nutzungsdauer eines Bauwerks bis zur Instandsetzung wird damit nicht ausgenutzt.
Das europäische Eisenbahnstreckennetz verfügt neben klassischen Strukturmonitoringanlagen auch über zahlreiche Messtellen zur Überwachung der maximalen Achslasten sowie zur Ermittlung von Radunrundheiten. Insbesondere in kleineren Ländern wie den Niederlanden, der Schweiz und Österreich sind diese Achslastmessstelle bereits flächendeckend ausgebaut. Die so gewonnenen Daten können derzeit noch nicht für die Ermittlung der Restlebensdauer der gebauten Eisenbahninfrastruktur genutzt werden. Mit der Kenntnis der real einwirkenden Zuglasten könnten aber Aussagen zur Brückenalterung im Hinblick auf die Instandhaltung wesentlich verbessert werden.
Resiliente & nachhaltige Infrastruktur
Genau dort setzt DEEB-INFRA an: Das Projekt möchte die an bestehenden Achslastmessstellen im europäischen Eisenbahnnetz ohnehin erfassten Daten für die Lebensdaueranalyse und Instandhaltungsplanung von Infrastrukturanlagen, insbesondere von Brückenbauwerken, nutzbar zu machen. Das Ziel ist es, erforderliche Verstärkungsmaßnahmen oder gar einen Neubau zeitlich zu optimieren und Inspektionsintervalle besser zu steuern. Dadurch könnten beträchtliche Kosteneinsparungen der Netz-Betreibenden erzielt und gleichzeitig die Verfügbarkeit des Netzes erhöht werden.
Die ganzheitliche Auswertung der Achslast-Messdaten aus mehreren europäischen Ländern erlaubt die Kalibrierung der Messsysteme zueinander sowie die Harmonisierung der Datenqualität im europäischen Kontext. Zusätzlich wird eine statistisch basierte und flächendeckende Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Bauwerke und Strecken ermöglicht, die nicht mit entsprechender Sensorik ausgestattet sind.
Die auf diese Weise gewonnenen Informationen können einen wichtigen Beitrag zu einer sicheren und resilienten Eisenbahninfrastruktur leisten, erläutert Alois Vorwagner, Thematic Coordinator for Structural Dynamics & Life Cycle Engineering am AIT: „Das vom AIT mitentwickelte Extrapolationsmodell ist Grundlage für die Veredelung der Messdaten und somit Basis für ein innovatives Asset Management.“ Die Projektbetreiber erwarten dadurch eine Verlängerung der Restlebensdauer bestehender Brückenbauwerke im Vergleich zum jetzigen konservativen Ansatz um bis zu 20 Prozent. „Dies bedeutet eine deutlich verbesserte Verfügbarkeit der Infrastruktur bei gleichzeitiger Ressourceneinsparung – ganz im Sinne einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Verkehrsinfrastruktur“, erklärt Vorwagner.