Kategorie Innovation & Technologie - 25. November 2015

LISA Pathfinder: Erster Test für Gravitationswellen-Detektor im All


APA/APA/ESA/Beauregard

Bei kosmischen Katastrophen wie der Kollision von Schwarzen Löchern geraten Raum und Zeit ins Schwanken. Dabei verursachte Änderungen des Gravitationsfelds jagen als Welle in der Raumzeit durch das All. Direkt beobachtet wurden diese von Albert Einstein vorausgesagten Gravitationswellen noch nie. Am 2. Dezember startet mit dem Satelliten „LISA Pathfinder“ ein erster Test für ihren Nachweis im All.

Die Existenz von Gravitationswellen wurde 1916 von Albert Einstein im Rahmen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) vorhergesagt. Demnach müsste sich jede Veränderung in der Struktur der Raumzeit als Welle ausbreiten – ähnlich wie die konzentrischen Wellenkreise auf einem See, wenn ein Stein ins Wasser fällt.

Quellen, die stark genug sind, um die Raumzeit zu verändern und noch auf der Erde nachgewiesen werden können, sind etwa Sternexplosionen, sogenannte „Supernova“. Aber auch massereiche Himmelskörper wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne, die sich in geringem Abstand umkreisen bzw. irgendwann kollidieren, sollten dabei Gravitationswellen abstrahlen.

Bisher nur indirekte Hinweise

Auch wenn niemand an ihrer Existenz zweifelt, gibt es bisher nur indirekte Hinweise darauf: So entdeckten 1974 die beiden US-Astrophysiker Russel Hulse und Joseph Taylor zwei Sterne, die sich in geringem Abstand umkreisen. Einsteins ART zufolge sollten sie dabei Gravitationswellen abstrahlen. Tatsächlich zeigten die Forscher, dass die Sterne bei ihrem Tanz Energie verlieren – und zwar genau die Menge, die von der ART für die Abstrahlung von Gravitationswellen vorhergesagt wurde. Für diesen indirekten Nachweis der Gravitationswellen erhielten sie 1993 den Physiknobelpreis.

Der direkte Nachweis der Wellen ist aber deutlich schwieriger. Trifft eine Gravitationswelle auf die Erde, sollte sie den gesamten Raum periodisch zusammendrücken bzw. strecken – allerdings nur im Ausmaß von Bruchteilen eines Atomkerns. Um diesen winzigen Effekt nachzuweisen, wurden riesige Detektoren gebaut, die mit Hilfe von Laserstrahlen den Abstand zwischen kilometerweit voneinander entfernten Spiegeln vermessen. Trotz laufender Fortschritte konnte das Phänomen bisher nicht gemessen werden.

Verbesserungen erwartet man sich von satellitengestützten Detektoren. Denn dabei können störende Einflüsse wie Vibrationen und thermisches Rauschen vermieden werden. Die Europäischen Raumfahrtagentur ESA bereitet dafür mit „eLISA“ (evolved Laser Interferometer Space Antenna) ein Projekt vor, das auf einem ähnlichen Prinzip wie die Detektoren auf der Erde basiert, allerdings mit einem wesentlich größeren Abstand zwischen den Spiegeln. Ab 2034 sollen mit Laserstrahlen die Abstände von verspiegelten Testmassen in einer Entfernung von etwa einer Million Kilometer mit einer Genauigkeit in der Größenordnung eines Atomdurchmessers bestimmt werden – genug um den Effekt einer durchlaufenden Gravitationswelle zu messen.

Der stillste Platz im Sonnensystem

Mit „LISA Pathfinder“ soll nun als Machbarkeitsstudie eine stark verkleinerte Variante eines solchen Detektors ins All geschickt werden. Der ESA-Satellit, der mit einer Vega-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guayana) ins All startet, soll im Weltraum neuartige Technologien erproben und damit den Weg für das Gravitationswellen-Observatorium eLISA ebnen.

Der Satellit soll an einem speziellen Punkt rund 1,5 Mio. Kilometer von der Erde entfernt „geparkt“ werden, wo sich die Schwerkraft von Sonne und Erde aufheben. Das Gerät beinhaltet in zwei separaten Vakuumtanks jeweils einen rund zwei Kilo schweren Würfel mit einer Kantenlänge von 46 Millimetern. Die Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung schweben etwa in Armlänge voneinander entfernt frei. Ihr Abstand und ihre Ausrichtung relativ zum Satelliten soll über Interferenzeffekte eines Laserstrahls auf 10 Pikometer (ein hundertmillionstel Millimeter) genau gemessen werden.

Entscheidend dabei ist, dass die beiden Würfel von allen Kräften außer der Gravitation abgeschirmt werden. So sorgt die Gold-Platin-Legierung dafür, dass auf die Massen keine magnetischen Kräfte wirken. Eine berührungslose Entladung mit Hilfe von UV-Strahlen soll sicherstellen, dass keine elektrostatische Aufladung erfolgt. „LISA Pathfinder“ werde für die beiden Testmassen den „stillsten Platz im Sonnensystem schaffen“, betont man seitens der ESA.

Eine wichtige Rolle kommt dabei auch der Hülle des Satelliten selbst zu, indem sie störende äußere Einflüsse abhält. Für den Temperaturhaushalt des Satelliten zeichnet das Wiener Weltraumunternehmen Ruag Space Österreich verantwortlich. Es hat die mehrlagige Thermalisolation und die Heizelemente dafür geliefert.

Sechsmonatiger Einsatz geplant

Sobald „LISA Pathfinder“ sein Ziel erreicht hat, ist ein sechsmonatiger Einsatz geplant. Um exakt der Bahn der Testmassen folgen zu können, wird deren relative Position laufend gemessen. Mithilfe sogenannter Kaltgas-Mikro-Newton-Triebwerke erfolgt dann die Anpassung der Bahn des Satelliten. Die Schubkräfte dieser Triebwerke liegen im Bereich von Mikronewton – das entspricht der Gewichtskraft eines Sandkorns auf der Erde.

„LISA Pathfinder“ selbst wird keine Gravitationswellen nachweisen können, soll aber zeigen, dass es möglich ist, mit einem Laserinterferometer die Distanz zwischen zwei frei schwebenden Körpern im All extrem genau zu vermessen. Der direkte Beweis von Gravitationswellen wird also noch dauern.

Es geht aber nicht nur darum, Einsteins Vorhersage zu bestätigen. Die Wissenschafter würden mit der Möglichkeit, Gravitationswellen zu beobachten, ein völlig neues Sinnesorgan erhalten – und das Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie würde damit anbrechen. Derzeit basiert nahezu das gesamte Wissen über das Universum auf der Beobachtung von elektromagnetischer Strahlung, also etwa Infrarot-, Radio-, Röntgen und Gammastrahlung oder sichtbaren Lichtes. Gravitationswellen dagegen sind Änderungen in der Struktur der Raumzeit, ausgelöst durch beschleunigte Massen.

Von ihrer Detektion erhoffen sich die Wissenschafter also neue Erkenntnisse über die Vorgänge im Kosmos. So war das Universum ganz am Beginn seiner Entstehung für Licht nicht durchlässig. Gravitationswellen dagegen konnten diese Ursuppe durchdringen und könnten Informationen über die erste Zeit nach dem Urknall liefern.

Service: http://sci.esa.int/lisa-pathfinder/31436-overview/; https://www.elisascience.org/