Kategorie Klima- & Umweltschutz - 9. Mai 2021

Erfolg bei Klimazielen könnte Anstieg des Meeresspiegels halbieren

Konsequenter Klimaschutz lohnt sich – das beweisen nun auch zwei neue Studien: Werden die Klimaziele eingehalten und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt, ließen sich die Verluste der Gletscher sowie der Anstieg des Meeresspiegels halbieren, berichtet ein internationales Forscherteam.

Die drastischen Auswirkungen des Klimawandels sind ausführlich dokumentiert – die Schmelze der Gletscher sowie der Kontinentaleisschilde Grönlands ist derzeit für etwa die Hälfte des globalen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich. Der Rest entsteht durch Ausdehnung des wärmeren Wassers. Ein 80-köpfiges internationales Forschungsteam hat den künftigen Anstieg des Meeresspiegels in bisher unerreichter Genauigkeit modelliert und spannende Erkenntnisse gewonnen.

© Torsten Dederichs / unsplash

Prognosemodell aus Innsbruck

Die Forscherinnen und Forscher kombinierten dazu unterschiedliche Computermodelle mit statistischen Methoden, um Datengrundlagen für den kommenden sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarates (IPCC) bereitzustellen. Fabien Maussion vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck steuerte Projektionen auf Basis eines an der Uni entworfenen Gletscherentwicklungsmodells bei.

„Würden wir bei den aktuellen Emissionszusagen der Länder bleiben, würde das Meeresspiegel wahrscheinlich um 25 Zentimeter steigen“, erklärte Maussion. „Wenn wir aber die globale Erwärmung um 1,5 Grad Celsius begrenzen, macht der Anstieg wahrscheinlich nur 13 Zentimeter, also rund die Hälfte, aus“. Die Verluste des grönländischen Eisschildes würden sich bis zum Ende des Jahrhunderts um 70 Prozent und jene der Gletscher um die Hälfte reduzieren.

Große Unsicherheiten gibt es bei der weiteren Entwicklung in der Antarktis. Für diese sind die Vorhersagen für die unterschiedlichen Emissionsszenarien gleich, weil derzeit noch unklar ist, ob der Schneefall im kalten Inneren des Kontinents das Schmelzen an den Küsten ausgleicht. Bei deutlich mehr Schmelze als Schneefall könnten die Eisverluste in der Antarktis auch fünfmal größer ausfallen.

Schaden begrenzbar

In einer zweiten Studie kommt ein Forscherteam um Robert DeConto von der University of Massachusetts Amherst (USA) zum Schluss, dass bei einer Erwärmung von 3 Grad Celsius bis 2100 – das ist jener Erwärmungspfad, der mit den derzeitigen Emissionen fossiler Brennstoffe übereinstimmt – die Geschwindigkeit des Eisverlusts in der Antarktis ab 2060 erheblich zunimmt. Bis zum Ende des Jahrhunderts würde dies einen Anstieg des Meeresspiegels um 0,5 Zentimeter pro Jahr auslösen.

Vergleich aktueller Prognosen © Climate Action Tracker

„Der globale Meeresspiegel wird weiter ansteigen, selbst wenn wir jetzt alle Emissionen stoppen, aber unsere Untersuchung legt nahe, dass wir den Schaden begrenzen könnten“, erklärte die Hauptautorin der Arbeit, Tamsin Edwards, vom King’s College London. Für Maussion beinhaltet die Studie eine „unmissverständliche Botschaft: Es ist enorm wichtig, die Erwärmung zu begrenzen, um Küstenregionen zu schützen“. Zudem sei der Anstieg des Meeresspiegels nicht die einzige Folge. „Das Abschmelzen der Gletscher wirkt sich auch auf die Süßwasserressourcen in vielen vergletscherten Becken aus und erhöht die Risiken von Erdrutschen und Überschwemmungen. Jedes Zehntelgrad zählt und macht einen Unterschied für künftige Generationen“.

Zeit wird knapp

Laut einer deutschen Studie dürfte in Teilen von Grönlands Eisschild bald eine Schwelle überschritten werden, ab der ein Abschmelzen kaum noch zu stoppen wäre. Der kritische Punkt liegt nach bisherigen Modellergebnissen bei einer globalen Mitteltemperatur von 0,8 bis 3,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Wegen der steigenden Temperaturen habe die Destabilisierung zentral-westlicher Gebiete bereits begonnen, teilte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit. Das Abschmelzen könnte dann auch bei nur noch begrenzter Erderwärmung fortschreiten.

Grund dafür sind Rückkopplungseffekte, durch welche die Erwärmung des Eisschildes schneller voranschreitet, wenn sich seine Höhe verringert. Um dann noch ein Abschmelzen zu verhindern, müsste daher nicht nur die Erwärmung gestoppt werden, sondern die Temperaturen müssten deutlich unter das vorindustrielle Niveau absinken, um wieder die Eisschildhöhe der vergangenen Jahrhunderte zu erreichen.

Tamsin Edwards Arbeit: http://dx.doi.org/10.1038/s41586-021-03302-y;

Robert DeContos Arbeit: http://dx.doi.org/10.1038/s41586-021-03427-0