5. April 2022

»Jetzt oder nie« – Klimabericht des IPCC mahnt radikale Emissionsreduktion ein

Die Aussagen des jüngsten Klimaberichts sind deutlich: Ohne einer radikalen und sofortigen Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase ist ein Eindämmen der globalen Erderhitzung auf maximal 1,5 Grad nicht zu erreichen. Das würde tiefgreifende Konsequenzen für Menschen, Tiere und die Natur mit sich bringen. Doch die Wissenschafter des sechsten Sachstandberichts des Weltklimarats (IPCC) sahen auch positive Entwicklungen. Es gebe immer mehr Maßnahmen zum Klimaschutz.

In den von den Wissenschaftern bewerteten Szenarien muss die globale Emission von Treibhausgasen bis spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Ansonsten sei die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad nicht realisierbar. Zudem sei es erforderlich, dass der Ausstoß der Treibhausgase bis 2030 um 43 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig müsse auch der Methanausstoß um etwa ein Drittel reduziert werden.“Es heißt jetzt oder nie“, sagte Co-Vorsitzender des Berichts, Jim Skea, mit Blick auf die Pariser Klimaziele.

„Ohne sofortiger und tief greifender Reduktion der Emissionen über alle Bereiche hinweg, wird es unmöglich sein.“ Der Bericht zeige auf, dass die Finanzströme mit dem Faktor drei bis sechs deutlich unter dem benötigten Niveau liegen, die Erwärmung auch nur unter zwei Grad zu begrenzen. Die gute Nachricht sei aber, dass es ausreichend Kapital und Liquidität gebe, um diese Investitionslücke zu schließen. Dazu bedürfe es aber eines klaren Signals der Regierungen und der Weltengemeinschaft.

UN-Generalsekretär sieht „Dokument der Schande“

Hart fiel das Urteil von UN-Generalsekretär Antonio Guterres: „Es ist ein Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen, die die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde stellen“, sagte er in einer Videobotschaft zum neuen Bericht. „Sie ersticken unseren Planeten“, sagte Guterres über Regierungen und Firmen, die für hohe Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Die wahren gefährlichen Radikalen seien nicht Klimaaktivisten, sondern jene Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen ausbauen. Solch eine Strategie sei „moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn“.

Die weltweite Temperatur werde sich stabilisieren, wenn das Gleichgewicht zwischen dem Ausstoß von schädlichem Kohlenstoff und der Wiederaufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre hergestellt werde. Für eine maximale Erderwärmung auf 1,5 Grad bedeutet dies, dass weltweit in den frühen 2050er-Jahren Netto-Null-Emissionen herrschen müssen, für 2 Grad müsste dies in den frühen 2070er-Jahren der Fall sein.

Die jährlichen Treibhausgasemissionen waren zwischen 2010 und 2019 jedoch so hoch wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. „Aber die Wachstumsrate hat sich verlangsamt“, heißt es in dem Text. Das hat politische wie wirtschaftliche Gründe: Seit 2010 seien die Kosten für Solar- und Windenergie sowie für Batterien um bis zu 85 Prozent gesunken. Neu eingeführte Gesetze und Regulierungen hätten zur Verbesserung der Energieeffizienz geführt, den Einsatz von erneuerbaren Energien beschleunigt und die Abholzung von Wäldern verringert.

Aktuelle Entscheidungen können lebenswerte Zukunft sichern

„Wir stehen an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern“, sagte IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee. Die Welt verfüge über ausreichend Instrumente und Wissen, um die Erderhitzung entsprechend des Pariser Klimaabkommens zu begrenzen. Viele Vorschriften, Regulierungen und Instrumente am freien Markt hätten sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen. Wenn diese in noch größerem Umfang angewandt werden würden, könnten Emissionen deutlich gesenkt und Innovationen weiter gefördert werden.

Das Ringen um die Fertigstellung der 64-seitigen Zusammenfassung für Entscheidungsträger des letzten Teils des sechsten Sachstandberichts war lange und hart. Kein Bericht in der Geschichte des IPCC wurde zwischen Wissenschaft und Politik so ausführlich behandelt. Die Veröffentlichung musste sogar einige Stunden nach hinten geschoben werden. Die Wissenschafter legen dafür einen Entwurf vor und alle 195 Mitgliedsländer müssen jeden Satz absegnen. Das letzte Wort liegt aber bei den wissenschaftlichen Experten. Bei den übrigen und tausende Seiten langen Berichten haben politische Entscheidungsträger keinerlei Mitspracherecht.

apa/red

Neuer Bericht des Weltklimarats IPCC: »In welcher Welt wir leben, entscheiden wir hier & heute«

Hintergrund: Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – oder auch Weltklimarat – ist eine Institution der Vereinten Nationen. Er wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. In seinem Auftrag tragen Fachleute weltweit regelmäßig den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammen und bewerten ihn aus wissenschaftlicher Sicht. Der IPCC bietet Grundlagen für wissenschaftsbasierte politische Entscheidungen, indem er unterschiedliche Handlungsoptionen und deren Bedeutung aufzeigt, ohne jedoch konkrete Lösungswege vorzuschlagen oder Handlungsempfehlungen zu geben. Der IPCC erstellt regelmäßig Berichte über das aktuelle Wissen zum Klimawandel, in denen die besten wissenschaftlichen Informationen zusammengestellt und bewertet werden. Ziel ist es, Regierungen und der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, bestinformierte Entscheidungen treffen zu können. Die Mitgliedsländer sind an der Begutachtung intensiv beteiligt und müssen der Veröffentlichung der Berichte zustimmen. Dadurch haben seine Aussagen ein hohes politisches Gewicht und sind eine der Grundlagen im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen. Die Reputation dieser Organisation ist vor allem auf die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik und auf eine der Grundsätze der Arbeit begründet, nämlich zwar politikrelevant, aber trotzdem politikneutral, niemals jedoch „policy-prescriptive“ zu sein.