Kategorie Innovation & Technologie - 9. Januar 2023
Das passiert 2023 im All: Ungetrübte Meteorströme, Blicke zum Mond, Ariane 6-Premiere & weiterer Austro-Satellit
Nicht allzu viele besondere Himmelsereignisse bietet das Jahr 2023: Es sind hierzulande zwei Mondfinsternisse am 5. Mai und 28. Oktober zu sehen, davon kann allerdings nur jene im Herbst als Höhepunkt gelten. Spektakulärer sind da schon zwei Sonnenfinsternisse am 20. April und 14. Oktober – um sie zu beobachten, müsste man aber etwas weiter reisen und Europa verlassen. Dafür gibt es für alle Sternschnuppen-Fans zwei Gelegenheiten zur Beobachtung unter besten Bedingungen.
Am 5. Mai kann man von Mitteleuropa aus eine partielle Halbschatten-Mondfinsternis zum Teil beobachten. In Wien geht der Mond um 20.15 Uhr bereits nach dem Maximum der Finsternis auf. Der Grad der Verfinsterung reicht theoretisch gerade noch für eine freisichtige Wahrnehmung aus, „ob aber am hellen Abendhimmel wirklich noch etwas zu sehen ist, hängt von den Sichtbedingungen ab, die in diesem Fall schon erstklassig sein müssen“, wie Alexander Pikhard von der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA) gegenüber der APA erklärte.
Pikhards Favorit im Astronomiejahr 2023 ist die zweite Mondfinsternis des Jahres am 28. Oktober. Es handelt sich dabei um eine partielle Mondfinsternis, die im vollen Verlauf zu sehen sein wird. Die maximale Verfinsterung wird um 22.14 Uhr erreicht sein, 13 Prozent der Mondscheibe sind dann im Kernschatten der Erde. Ganz ohne Schatten scheint der zunehmend beliebte größte Vollmond, gerne auch „Supermond“ genannt, am 31. August.
Bei der Sonnenfinsternis am 20. April handelt es sich um eine sogenannte „hybride“. Das bedeutet, dass man je nach Beobachtungsort eine ringförmige, totale oder partielle Finsternis sieht. Zu erleben ist das u.a. in Australien, Neuseeland, Indonesien und Südost-Asien. Am 14. Oktober ereignet sich eine ringförmige Sonnenfinsternis. Diese ist im Westen der USA, Zentralamerika, Kolumbien und Brasilien zu sehen.
All jenen, die gerne Sternschnuppen sehen, bieten die Meteorströme der Perseiden und der Geminiden heuer beste Bedingungen, weil jeweils die Mondphase günstig ist und kein helles Mondlicht die Beobachtung stört. Die Perseiden dauern von 17. Juli bis 24. August, wobei der Höhepunkt am 13. August kurz vor Neumond stattfindet. Die Geminiden vom 4. bis 17. Dezember haben ihren Höhepunkt am 14. Dezember kurz nach Neumond. Übrigens zeigt sich im Frühling die Venus eindrucksvoll als „Abendstern“.
Rück-Erschließung des Mondes geht weiter
Highlights gibt es 2023 jedoch reichlicher in der Raumfahrt. Nach der geglückten Rückkehr der unbemannten „Orion“-Kapsel der NASA-Mondmission „Artemis 1“ zum Jahresende auf die Erde, geht die Rück-Erschließung des Erdtrabanten auch 2023 weiter. Vor allem private Firmen drängen weiter in diese Richtung. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA möchte gegen Jahresende endlich ihre neue Trägerrakete Ariane-6 abheben sehen und lässt ihre neuen Astronauten schon vorher ihr Training starten. Ein neuer Austro-Minisatellit soll im März losfliegen.
Für den neuen österreichischen „Cubesat“ mit der Abkürzung „PRETTY“ (Passive REflectometry and DosimetrY) zeichnen die Wiener Weltraumfirma Beyond Gravity (vormals Ruag Space), die Technische Universität (TU) Graz und die Seibersdorf Labor GmbH hauptverantwortlich. Laut Uni-Angaben soll das Gerät am 9. März an Bord einer „Vega C“-Rakete von europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana abheben. Nachdem am 21. Dezember der erste kommerzielle Start der neuen Trägerrakete aber schief gelaufen ist, steht hinter den nächsten Aktivitäten damit nun ein Fragezeichen. Schafft es „PRETTY“ ins All, soll der neue Kleinsatellit präzise Höhenmessungen, etwa von Gletschern und Meereswellen, und Untersuchungen der Strahlung im erdnahen Weltraum vornehmen. Zur Anwendung komme hier ein neues Messverfahren, so Beyond Gravity Austria-Geschäftsführer Manfred Sust.
Neben der Internationalen Raumstation ISS als bemanntem Außenposten der Menschheit in der Erdumlaufbahn und der chinesischen Raumstation „Tiangong“ (Himmelspalast), richtete sich der Blick der großen Raumfahrtagenturen zuletzt auch wieder stärker auf den Mond. Das Flaggschiff der bemannten Mond-Ambitionen – das „Artemis“-Programm – macht 2023 allerdings keine großen Sprünge. Auf einen ersten bemannten Flug („Artemis 2“) um den Erdtrabanten herum muss man voraussichtlich bis 2024 warten. Der erste bemannte Flug inklusive Mondlandung („Artemis 3“) seit dem Jahr 1972 wird eher erst im Jahr 2026 folgen.
Dafür könnte das neue Jahr mit der ersten erfolgreichen privaten Mondmission aufwarten: So brachte kürzlich eine Rakete vom Typ „Falcon 9“ des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX den Lander „Hakuto-R“ der japanischen Firma ispace auf den Weg. Der übersetzt „Weißer Hase“ benannte 2,3 Meter hohe und bei ausgefahrenen Landebeinen 2,6 Meter breite Mondlander ist auf einem treibstoffsparenden Umweg auf dem Weg zum Mond und wird laut Plan dort erst gegen Ende April eintreffen.
Dann tritt auch der vor wenigen Tagen gestartete NASA-Satellit „Lunar Flashlight“ seinen Dienst an. Mit der Sonde sucht man nach Wassereis in permanent beschatteten Mondkratern und möchte längerfristige Aufenthalte von Menschen auf dem Mond vorbereiten.
Direkter als ihre japanischen Kollegen gehen es zwei amerikanische Konkurrenten an, die ebenfalls Anfang des Jahres mit ihren Missionen starten, und den Japanern die Premiere noch streitig machen könnten. So soll im März die Mondlandefähre der US-Firma Intuitive Machines mit dem Namen „Nova-C“ abheben. Sie könnte früher auf dem Erdtrabanten aufsetzen als „Hakuto-R“. Ebenfalls im ersten Quartal soll der US-Lander namens „Peregrine“ der Firma Astrobotic seinen Weg zum Mond in Angriff nahmen. Beide US-Initiativen werden von der NASA im Rahmen der „NASA Commercial Lunar Payload Services“ unterstützt. So soll die Grundlage für private Zuliefer-Tätigkeiten in der Zukunft geschaffen werden.
Im Juni würde planmäßig dann auch noch der indische Mondlander namens „Chandrayaan-3“ starten. Nach mehreren Verschiebungen soll es auch für die russische Raumsonde „Luna-25“ im kommenden Jahr endlich so weit sein. Mit dem „Smart Lander for Investigating Moon“ (SLIM) möchte überdies die japanische Weltraumbehörde JAXA auf den Mond.
Damit noch nicht genug soll 2023 auch noch die erste „Sightseeing-Tour“ in Richtung des Erdtrabanten starten: Unter dem Titel „dearMoon“ will der japanische Milliardär Yusaku Maezawa mit einer handverlesenen Gruppe Künstler und Promis an Bord eines Raumschiffs von Elon Musks Firma SpaceX eine Woche lang um den Mond fliegen.
Auch China setzt seine All-Ambitionen fort – allerdings vor allem im Erdorbit: So könnte Ende 2023 das „Xuntian“ genannte Weltraumteleskop unweit des „Himmelspalasts“ geparkt werden. Das dem US-amerikanischen Hubble-Teleskop ähnelnde Gerät soll regelmäßig an der Raumstation andocken, um Treibstoff aufzuladen und gewartet zu werden. Ebenfalls im Lauf des Jahres soll die dem Konzept der „Falcon 9“-Rakete nachempfundene wiederverwendbare „Pallas-1“ des chinesischen Privatunternehmens Galactic Energy erstmals fliegen – und Teile davon anschließend wieder auf der Erde landen.
Die Wissenschaft harrt in kommenden Jahr jedenfalls u.a. den neuen Einsichten, die das neue „James Webb Space Telescope“ (JWST) aus den Tiefen des Alls in die Stuben der Astronomen liefern wird. Erste Bilder des kürzlich ins All gestarteten Wettersatelliten „Meteosat Third Generation Imager-1“ (MTG-I1) der ESA und der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (Eumetsat) werden zudem für Februar oder März erwartet.
Das Startfenster der europäischen „Euclid“-Sonde erstreckt sich von Juli bis September. Über sechs Jahre hinweg wird sie rund 1,5 Mio. Kilometer von der Erde entfernt die Rotverschiebung und Form von Galaxien und Galaxienhaufen in über einem Drittel des Himmels messen. Damit will man die Verteilung der Dunklen Materie im Universum und dessen Expansion besser verstehen. Zwischen Mai und Juni soll Europas Copernicus-Erdbeobachtungsflotte mit den Satelliten „Sentinel-1C“ Zuwachs bekommen, auf beiden Missionen fliegt auch österreichische Technik mit. Geplanter Start für die NASA-ESA-JAXA-Koproduktion „XRISM“ ist April; dahinter verbirgt sich ein neuartiges Weltraum-Röntgenteleskop.
In Richtung Jupiter und seiner Eismonde Europa, Ganymed und Calisto startet nach mehrfacher Verschiebungen die ESA-Mission JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer). Das Startfenster für die Sonde, an der auch das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Technische Universität Graz und Beyond Gravity beteiligt sind, gibt die ESA für 14. bis 30. April an.
Während JUICE mit dem letzten Ariane 5-Start ins All gebracht werden soll, hofft Europas Weltraumbehörde dann gegen Ende des Jahres den Erstflug seiner Trägerrakete „Ariane 6“ vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana aus zu starten. Gelingt das, wäre man gegenüber den ursprünglichen Plänen rund drei Jahre in Zeitverzug. Das neue europäische Weltall-Arbeitspferd soll dann flexibel sowohl schwere als auch leichte Nutzlasten in verschiedenste Umlaufbahnen befördern. Aus Österreich kommen dabei einige Komponenten, etwa von Beyond Gravity die aus Glas und Keramik bestehende Hochtemperaturisolation für die Raketenantriebe, von TTTech das Datenübertragungsprotokoll oder von der Test-Fuchs GmbH Ventile.
Und was wäre ein Weltraum-Jahr, das keine neuen Erkenntnisse über Asteroiden verheißt: 2020 hatte die NASA-Sonde „Osiris-Rex“ als erster US-Flugkörper der Raumfahrtgeschichte eine Probe vom Asteroiden „Bennu“ entnommen. Diese soll die Sonde im September 2023 wieder auf der Erde abliefern.
Auffallend ist die ständig wachsende Zahl an Ländern, die ins Weltall blicken: So werden auf den zahlreichen 2023 geplanten Raumflügen der Weltraumbehörden der USA, Europas, Indiens, Chinas und Russlands Kleinsatelliten und Co aus zahlreichen Industriestaaten, aber auch aus einigen Ländern der arabischen Welt, Ost- und Südostasien oder Südamerikas mit im Gepäck sein.
Seit kurzem hat Österreich auch wieder eine Person am Start, die nach Franz Viehböcks Raumflug im Rahmen der „Austromir“-Mission im Jahr 1991 eine reale Chance auf einen All-Aufenthalt hat. Die Kärntner Medizinerin Carmen Possnig wurde kürzlich als Teil der „ESA-Astronautenklasse 2022“ vorgestellt. Die fünf „Karriereastronauten“ beginnen im April ihre Grundausbildung. Possnig ist Mitglied des elfköpfigen Reserve-Korps, hält sich für etwaige Einsätze bereit, die sie kürzlich im APA-Gespräch als einigermaßen realistisch bezeichnet hat.