6. September 2023
Dramatische Auswirkungen der Klimakrise belasten unsere Gesundheit
Auch dieser Sommer war erneut einer der Extreme – und auch einer der bisher heißesten. Die GeoSphere Austria reiht ihn als siebentwärmsten in ihrer Messgeschichte. Im Vergleich zur Klimaperiode 1961-1990, die von der Klimaerwärmung noch nicht so stark betroffen war, lag der Sommer 2023 im Tiefland um 2,8 Grad über dem Mittel und auf den Bergen um 2,9 Grad.
Auch global gesehen bricht dieser Sommer 2023 Rekorde am laufenden Band: Nachdem schon der Juli der bisher heißeste gemessene Monat war, hat das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus am Mittwoch bekanntgegeben, dass auch der heurige August so warm war wie noch nie. Zudem war er nach dem Juli 2023 der zweitwärmste jemals gemessene Monat. Insgesamt war der Sommer 2023 global gesehen der mit Abstand heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1940.
Begleitet wurden die Hitzewellen auch hierzlande von verheerenden Unwettern: Im August wurde vor allem der Süden Österreichs von Starkregen, Hagel, Überflutungen und Hangrutsche heimgesucht. Abgeschnittene Ortschaften, eingestürzte Häuser und abgerutschte Hänge sorgen für dramatische Schlagzeilen. Zahlreiche Menschen verloren ihr Hab und Gut und stehen vor dem Nichts. Die Schäden, die die Verwüstungen hinterlassen haben, gehen in die Milliarden.
Auch die Zahl der Hitzetage hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Solche Tage mit mindestens 30 Grad blieben im Sommer 2023 zwar unter den absoluten Rekordzahlen, lag aber deutlich über dem Durchschnitt der letzten Jahrzehnte.
Unterhalb von 500 Meter Seehöhe gab es in Österreich im Flächenmittel 25 Hitzetage. Das ist 50 Prozent mehr als in einem durchschnittlichen Sommer der jüngeren Vergangenheit (Klimamittel 1991-2020). In Lagen von 500 bis 1000 Meter gab es in diesem Sommer im Flächenmittel 14 Hitzetage und damit um 75 Prozent mehr als im Durchschnitt.
Für dieses Jahr ist auch deshalb ein deutlicher Anstieg der Zahl der Hitzetoten zu befürchten. Das Gesundheitsministerium kündigte eine Überarbeitung des gesamtstaatlichen Hitzeschutzplans bis zum kommenden Sommer an, um Information und Betreuung vor allem älterer und kranker Menschen zu verbessern.
„Die Menschen in Österreich litten diesen Sommer an gleich drei Hitzewellen. Die Letzte davon war mit einer Dauer von fast zwei Wochen die schwerste. Auf die heißen Tage folgten Tropennächte, in denen man kaum ein Auge zudrücken konnte. Wir haben in den vergangenen Wochen die dramatischen Auswirkungen der Klimakrise erleben müssen. Klimaschutz ist eine Überlebensfrage und bringt gleichzeitig enorme Chancen mit sich: Wenn wir jetzt handeln, verhindern wir nicht nur die Katastrophe, wir gewinnen vor allem alle gemeinsam mehr Lebensqualität“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.
25.000 Todesopfer zusätzlich in Europa
Hitzeperioden und Extremwetterereignisse haben nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, sondern belasten auch die Gesundheit. Laut einer im Journal Nature Medicine veröffentlichten Studie starben im vergangenen Sommer europaweit über 60.000 Menschen an den Folgen der Hitze – 25.500 mehr als im Schnitt der vorangegangenen sechs Jahre.
In Österreich sind laut Berechnungen der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bundesweit rund 230 Menschen an Hitzefolgen gestorben. Für dieses Jahr rechnet die AGES mit einer deutlichen Steigerung auf 300 bis 500 Todesfällen durch die Hitze.
„Alarmierend“ nennt Gesundheitsminister Johannes Rauch die Entwicklung: „Vor allem Säuglinge, ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen haben in heißen Sommern ein deutlich erhöhtes Risiko.“ Er sieht auch eine soziale Komponente: Haushalte mit geringem Einkommen sind von den Folgen der Klimakrise am stärksten betroffen.
Rauch kündigte eine Überarbeitung des gesamtstaatlichen Hitzeschutzplans an: „Wir müssen alle Möglichkeiten nützen, die Bevölkerung über das richtige Verhalten zu informieren und Menschen mit erhöhtem Risiko während Hitzewellen gut zu betreuen.“
Besonders wichtig ist deshalb die Einbindung von Stakeholdern aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich, die ihre Erfahrungen aus der Praxis einbringen können. Mit der Überarbeitung des Hitzeschutzplans beauftragt ist das Kompetenzzentrum für Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH. Der überarbeitete gesamtstaatliche Hitzeschutzplan soll noch vor dem Sommer 2024 vorliegen.
Mit den deutschsprachigen Gesundheitsminister:innen hat Rauch bereits einen Erfahrungs- und vor allem Datenaustausch zu Hitzewarnungen und Hitzepräventionsmaßnahmen vereinbart. “Die Überarbeitung des gesamtstaatlichen Hitzeschutzplans ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Bevölkerung noch besser zu schützen”, so Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch.
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien sieht in der Klimakrise „die größte Bedrohung“ für die menschliche Gesundheit. „Egal ob Hitze, Allergien oder ‚neue‘ Infektionserkrankungen – die Folgen spüren viele schon jetzt. Wenn wir weiterhin zu wenig tun, könnte auch bald die Belastungsgrenze des Gesundheitssystems erreicht werden. Anpassungsmaßnahmen sind selbstverständlich sinnvoll und notwendig; immerhin müssen wir etwas tun, um das Leben auch in der heißen Zukunft erträglicher zu machen. Aber Anpassung hat Grenzen. Klimaschutz und Vorsorge sind daher unabdingbar.“
Juli-Hitzewelle in Südeuropa wäre ohne menschengemachten Klimawandel nicht möglich gewesen