Kategorie Mobilität - 14. Juni 2015
Wie Österreichs Brücken schwingen
Wien – Beinahe 40 Jahre ist es nun her, als am 1. August 1976, um vier Uhr fünfunddreißig, die Wiener Reichsbrücke in sich zusammenbrach. Sie riss einen Pkw und einen Kleinbus mit sich. Der Pkw-Fahrer starb.
Dafür zu sorgen, dass sich dieses Unglück nicht wiederholt, ist Aufgabe von Helga Allmer. Die Maschinenbauingenieurin kümmert sich beim Consultingunternehmen Vienna Consulting Engineers (VCE) um die Stabilität von Brücken – „Structural Health Monitoring“ heißt das im Fachjargon. Und bedeutet? „Zu prüfen, ob eine Brücke, ihre Einzelteile, noch funktionstüchtig sind“, sagt Allmer. „Seile von Schrägseilbrücken zum Beispiel sind eingespannt wie Gitarrensaiten in einem Gitarrengehäuse. Wenn also der Wind geht oder ein Lastwagen über die Brücke fährt, fangen sie an zu schwingen.“
Aufgrund dieser Schwingungen lässt sich feststellen, ob die Brücke in Ordnung ist oder etwas nicht stimmt. Indikator ist die Geschwindigkeit der Schwingungen – Allmer bestimmt sie mithilfe eines Messgerätes. Stellt sich heraus, dass etwas nicht stimmt, muss die Brücke verstärkt oder gesperrt werden, gegebenenfalls werden auch Gewichtseinschränkungen verhängt. „Dann dürfen keine Lkws mehr darüberfahren.“ Typische Auftraggeber sind die staatliche Autobahnholding Asfinag, Landesregierungen und „eigentlich alle, die Brücken betreiben“.
Abnützung von Brückenseilen
Helga Allmer wurde 1971 in Wien geboren und studierte nach der Matura an der Technischen Uni Wien. Das Studium schloss sie 1997 ab, als sie „schon eineinhalb Kinder hatte“. Mittlerweile sind es vier. Wegen „familiärer Verpflichtungen“ schrieb sie ihre begonnene Doktorarbeit nicht zu Ende und nahm stattdessen an der TU einen Verwaltungsjob an. Die Stelle sei ihr damals wegen guter Work-Life-Balance gelegen gekommen. Zwar war sie für die Buchhaltungsarbeiten überqualifiziert, habe aber „auch viel gelernt“, beispielsweise als sie dem ehemaligen TU-Professor Philippe Zysset dabei half, ein Labor für Biomechanik aufzubauen. „Das war interessant, aber auch mit viel Knochenarbeit verbunden. Mir war klar: Das will ich nicht für immer.“
2007 bewarb sich Allmer dann bei VCE. „Über einen Freund habe ich erfahren, dass sie jemanden suchen. Große Chancen habe ich mir zwar nicht ausgerechnet, mich aber trotzdem beworben.“ Nach einem fünfminütigen Vorstellungsgespräch war sie engagiert. Und seitdem gelingt ihr endlich der Spagat zwischen Familie und einem Job, der sie begeistert.
Bei VCE ist Allmer neben der Risikoabschätzung auch in der Forschung tätig. 2012 leitete sie das Projekt „C2T2“. Hier nahm sie mit ihrem Team Brückenseile – im Zeitverlauf – genauer unter die Lupe. „Seilschwingungen sind immer auch abhängig von Anbauteilen wie dem Seil-Dämpfer. Sie dämpfen je nach Temperatur unterschiedlich gut.“
Wie die Brückenseile tatsächlich schwingen, lässt sich erst nach dem Einbau messen. Sollte dann etwas nicht stimmen, muss die Reparatur schnell gehen. „Wir haben ein Softwareprogramm entwickelt, mit dem man die dynamischen Eigenschaften unter Berücksichtigung der Materialkennwer- te besser bestimmen kann“, sagt Allmer.
Finanzielle Unterstützung erhielt ihr Forschungsprojekt von der Wirtschaftsagentur Wien. Seit 2004 fördert diese mit dem „Call FemPower“ Forschungsvorhaben von Wiener Unternehmen, die zur Gleichstellung von Frauen in Forschung und Entwicklung beitragen sollen, mit bis zu 500.000 Euro. Die Bedingungen: Die Projekte werden von Frauen geleitet, Frauen waren an der Umsetzung wesentlich beteiligt, oder es wird besonderer Wert auf Gender-Mainstreaming gelegt. Für Projekte, die von einer Frau geleitet werden, gibt es eine Bonussumme von 10.000 Euro. Auch dieses Jahr können ab 11. Juni bis 14. September Anträge eingereicht werden.
Frauenpositionen stärken
Helga Allmer ist überzeugt, dass die Förderung dazu beiträgt, die Position von Frauen im technischen Bereich zu stärken. „Ich selbst bin dadurch auf die Projektleiterinnenebene gerutscht“, sagt die 44-Jährige, die immer schon wusste, dass sie „etwas mit Technik machen will“. Allmer dazu: „Mich hat schon als Mädchen interessiert, warum ein Flugzeug fliegt. Ich fand es genial, dass das funktioniert – und wollte verstehen, wie.“ (Lisa Breit, DER STANDARD, 10.6.2015)
Helga Allmer spricht am 11. Juni in Wien beim Kick-off zum Call FemPower ab 10.00 Uhr – im Expat Center, Schmerlingplatz 3.
Link
Wirtschaftsagentur