Kategorie Innovation & Technologie - 29. Juni 2016
Industrie 4.0-Plattform wächst – 9 Arbeitsgruppen eingesetzt
Die Plattform „Industrie 4.0“, die von der Industrie, den Arbeitnehmervertretern und dem Infrastrukturministerium im Sommer 2015 aus der Taufe gehoben wurde, wächst kräftig. Inzwischen hat sie 28 Mitglieder, davon je drei Universitäten und Fachhochschulen. Ein Pilotprojekt in Wien-Aspern läuft bereits, drei weitere sollen im Herbst folgen.
Roland Sommer, Managing Director der Plattform, sieht Österreich industriell gut für die „digitale Fabrik“, wie Industrie 4.0 auch bezeichnet wird, aufgestellt. Derzeit tagen neun Arbeitsgruppen, angefangen von Normungsfragen bis hin zu den arbeitsrechtlichen Herausforderungen beim vernetzten Arbeiten. Und erste Anwendungen die „vernetzten Fabrik“ gibt es bereits, wie einige Beispiele aus Österreich zeigen.
In der Fabrik der Zukunft lernen die Maschinen aus Fehlern, definieren die Produktion „just in time“ neu und geben Neuentwicklungen ein gänzlich anderes Gesicht, nämlich ein digitales. So etwa beim steirischen Antriebshersteller AVL List, bei dem Prototypen für neue Motoren nicht aus Aluminium, sondern aus Bits und Bytes sind und der Auftraggeber statt einer Kiste mit Motor ein Datenpaket bekommt.
Erhöhte Effizienz
Beim Wiener Waschmitterhersteller Henkel wiederum sorgt eine volldigitalisierte Versorgungskette dafür, dass die Produktherstellung innerhalb von 24 Stunden umgestellt werden kann, wobei die Etiketten für die neuen Waren erst eine Stunde vor Auslieferung ins Werk kommen. Bis 2030 soll die Effizienz der Produktion dank Industrie 4.0 verdreifacht werden.
Beim Chiphersteller Infineon in Villach arbeiten bereits Menschen und Roboter Hand in Hand. Ende Oktober des Vorjahres wurde der „Pilotraum Industrie 4.0“ in Betrieb genommen, in dem die Ionenimplantation selbststeuernd stattfindet. Alle Produkte sind mit RFID-Chips ausgerüstet, sodass sie jederzeit in der Halle lokalisiert werden können und die Maschine weiß, welcher Fertigungsschritt bei welchem Produkt gerade an der Reihe ist.
Der Hörgerätehersteller Neuroth setzt auf 3D-Druck statt Handfertigung. Als Vorlage dient der zuvor von einem Hörgeräteakustiker angefertigte digitale Ohrabdruck des Kunden, der per Laser eingescannt, digital nachbearbeitet, ausgedruckt und manuell nachbearbeitet wird. Durch die dann vorhandenen Daten lassen sich weitere Ohrstücke einfach reproduzieren.
Mehr Arbeitsplätze
Im Bioprozesslabor von Siemens in Wien werden sämtliche Abläufe einer Prozessanlage simuliert um personalisiere Medizin herzustellen. Dadurch sollen die Nebenwirkungen von Medikamenten minimiert werden. Der IT-Spezialist Tieto und die TU Wien haben das Projekt „kognitive Intelligenz und Social Networks“ gestartet, das zum Beispiel Meldungen nach ihrer Wichtigkeit reihen soll, was bei der zu erwarteten Datenflut in der „vernetzten Fabrik“ eine große Herausforderung ist.
Befürchtungen, wonach Industrie 4.0 Arbeitsplätze zerstört, hatte unlängst der Geschäftsführer des deutschen Maschinen- und Anlagenbauerverbandes zerstreut. „Wir sehen, dass die Zahl der Arbeitsplätze steigt“, sagte er. Deutschland hat die dritthöchste Roboterdichte nach Korea und Japan und einen Beschäftigungsrekord mit 43 Millionen Beschäftigten“, rechnete er vor. In der deutschen Autoindustrie sei der Roboterbestand seit 2010 um 17 Prozent gestiegen und die Zahl der Beschäftigten um 13 Prozent.
„Mit der digitalisierten Produktion entstehen bis zu 40.000 neue Jobs“, rechnet wiederum Lothar Roitner, Obmann des FH-Technikum Wien und Geschäftsführer des österreichischen Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), vor. Nun gelte es die Chance zu nützen, so Roitner.