Kategorie Innovation & Technologie - 28. November 2019
AIT optimiert Wildwarner per mobilem Messlabor
Erstmals ist es möglich, die am Markt befindlichen Wildwarn-Geräte einer objektivierbaren Prüfung zu unterziehen
Diese Zahlen ließen jüngst ordentlich aufhorchen: Auf Österreichs Straßen passiert etwa alle sieben Minuten ein Unfall mit einem Wildtier. 418 Personen wurden im Vorjahr bei derartigen Unfällen verletzt, zwei Oberösterreicher und zwei Niederösterreicher verunglückten tödlich. Besonders jetzt in der dunkleren Jahreszeit muss vor allem in ländlichen Gebieten mit verstärktem Wildwechsel zur Morgen- und Abenddämmerung sowie in den Nachtstunden gerechnet werden, Kollisionen mit Wildtieren sind dabei absolut keine Seltenheit.
Allein in der Saison 2018/19 verendeten mehr als 75.000 Tiere auf Österreichs Straßen. Der überwiegende Teil der Wildtierkollisionen passiert auf Freilandstrecken wie Landstraßen. Erstaunlich erscheint trotz dieser beträchtlichen Anzahl: Kongruierend mit einem generellen Rückgang der Verkehrsunfälle nimmt auch die Zahl der Wildunfälle von Jahr zu Jahr ab. Nicht zuletzt aufgrund des vermehrten Einsatzes sogenannter Wildwarner.
Diese sollen das Wild vor allem bei Dunkelheit davon abhalten, vor herannahenden Autos eine Straße zu überqueren. Es handelt sich dabei um reflektierende optische und akustische Geräte, die Signale zur Abschreckung der Tiere aussenden. Sie sollen die Anzahl der Wildunfälle reduzieren, die Verkehrssicherheit steigern und kostenintensive bauliche Maßnahmen wie Wildquerungshilfen zur Verhinderung von Wildtierkollisionen teilweise ersetzen.
Qualitätsprüfung für Wildwarner
Das AIT Austrian Institute of Technology forscht deshalb an der Entwicklung neuartiger optischer und akustischer Wildwarner, um sie an ausgewählten Hot Spots im Eisenbahn- und Straßennetz zu erproben. Ziel ist es, mittels mehrerer Testinstallationen die beste Wirksamkeit von passiven und aktiven Wildwarnern nachzuweisen, um Infrastrukturbetreibern künftig optimierte Geräte anbieten, zumindest eine wertvolle Entscheidungshilfe bei der Anschaffung von Wildwarngeräten bereitgestellen zu können.
Bisher müssten die derzeit am Markt befindlichen Wildwarner-Produkte keinerlei Qualitätsmerkmale erfüllen. Deswegen würden oft sehr günstige aber oft mangelhafte Modelle auf den Straßen eingesetzt, die selten das gewünschte Ergebnis erzielen.
Der Umfang eines solchen Projektes ist in der Tat ein großer. Nötige Expertise kommt auch von Wildtierökologen sowie von der Jägerschaft. Diese sind tagtäglich mit Wildunfällen konfrontiert, müssen getötetes Wild bergen und entsorgen, verletzte Tier mühsam aufspüren und den Gnadenschuss setzen, wie Projektleiter Michael Aleksa zu berichten weiß.
Er ist Verkehrssicherheitsforscher am Center for Mobility Systems des AIT, wo nun ein mobiles Messlabor für Wildwarngeräte entwickelt wurde, das es erstmals möglich macht, die verfügbaren Wildwarner einer objektiven Prüfung zu unterziehen. Anspruch der AIT-Forschenden ist es daher, über das Messlabor unter nachvollziehbaren und reproduzierbaren Bedingungen zu objektiven Daten zu kommen. Die unterschiedlichen Anforderungen sind dabei denkbar hoch. Gefahren durch Wildwechsel auf Landstraßen sehen grundsätzlich anders aus, als jene im Autobahnnetz, erst Recht als jene auf den Schnellfahrstrecken der ÖBB.
Optimale Warngeräte für Straße & Schiene
„Auf Landstraßen funktionieren Wildwarner meist über passive Lichtreflektion in den Wald, um Tiere zu einem bestimmten Zeitpunkt davon abzuhalten, die Straße zu queren“, erklärt Aleksa. Barrieren gebe es hier im Unterschied zu Autobahnen nicht. Das rechtzeitige Signal über das Licht herannahender Fahrzeuge reichte aus, um Kollisionen nachhaltig zu vermeiden. An Autobahnen der ASFINAG gebe es sogar Wildschutzzäune, um den Wildwechsel zu verhindern. „Wir haben herausgefunden, dass die Tiere über die Anschlussstellen in Fahrbahnnähe kommen“, so Aleksa.
Ganze Populationen von Rehen sind dort dann quasi im Autobahnnetz gefangen und sorgen für potentielle Gefahr. Dort wäre es nach Auskunft Aleksas notwendig die Tiere gar nicht erst in den gesperrten Bereich kommen zu lassen und sie bereits vorher an den Anschlussstellen über Wildwarner von Autobahnen wirksam zu verscheuchen.
Bei der Bahn wiederum sind andere Ansätze zur Prävention von Wildunfällen gefragt. Auf Schnellfahrstrecken wie der Weststrecke hätten Wildtiere keine Reaktionsmöglichkeit auf eine Lichtreflektion: „Bei 250 km/h reichte der Lichtkegel gerade einmal für eine halbe Sekunde. Die Tiere müssen daher vorher getriggert werden“, erläutert Aleksa. Eine Möglichkeit wäre, per Funk die Signale an neuralgischen Stellen im Vorhinein auszusenden, um Tiere fernzuhalten.
Im Rahmen des Projekts WiConNET wurden die entsprechenden Methoden der Vermessung der einzelnen Parameter – Reflexionsgrad, Tonsequenzen der Warntöne, Lichtimpulse – in einem Messkonzept für Wildwarner dargestellt. Anschließend fanden zur Validierung entsprechend dokumentierte Messungen statt. Gefördert wurde das Projekt von der FFG und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Rahmen des VIF-Calls 2016. Finanziert wird es durch ASFINAG, ÖBB und die Länder.
Zur Charakterisierung von optischen, passiven Wildwarnern wurde ein Messverfahren demonstriert, welches das Fernfeld Reflexionsbild sowie die Retroreflexion darstellt. Im Messaufbau wurde auf eine einfache Reproduzierbarkeit, Kompaktheit und die bestmögliche Vergleichbarkeit verschiedener Wildwarner Wert gelegt. Für aktive, akustische Wildwarner wurde ein Messkonzept entworfen, welches auf den Bestimmungen der entsprechenden Richtlinie (RVS 04.03.12) aufbaut und das akustische Abstrahlverhalten des Wildwarners berücksichtigt.
„Es hat sich ganz klar herausgestellt, dass wir objektivierbare Daten zur Beurteilung der Tauglichkeit von Wildwarngeräten brauchen. Mit dem Wildwarner-Messlabor sind wir nun in der Lage, diese Daten bereitzustellen“, so Aleksa, der mit den Partnern des Projektes Auftraggebern eine gute Produktentscheidung ermöglichen und gleichzeitig die Verkehrssicherheit auf Österreichs Straßen erhöhen möchte.