Kategorie Innovation & Technologie - 4. Mai 2016
AIT und TU Wien wollen „Death Valley“ der Innovation überwinden
Das Austrian Institute of Technology (AIT) und die Technische Universität (TU) Wien wollen das „Valley of Death“ im Innovationszyklus überwinden. Das AIT hat dafür eine Einheit gegründet, die von einem TU-Professor geleitet und an der TU angesiedelt wird. AIT-Geschäftsführer Wolfgang Knoll sprach in Wien von einem „Experiment mit enormem Potenzial“ und gab neue Personalia bekannt.
Die 2008 eingeleitete Turn-around-Phase sei weitestgehend abgeschlossen, sagte AIT-Aufsichtsratschef Hannes Androsch nach der Konstituierung des Aufsichtsgremiums, das in seiner neuen Amtsperiode nahezu unverändert bleibt. Man bringe nun das AIT auf Expansionskurs, wobei der kaufmännische AIT-Geschäftsführer Anton Plimon nicht nur auf Quantität, sondern auch auf einen qualitativen Ausbau Wert legt: „Es geht um wissenschaftliche Arbeiten und Themen, die relevant für Industriepartner sind.“
Von Halbleiterindustrie bis zu Gezeitenkraftwerken
Eines dieser Themen will das AIT in den „komplexen dynamischen Systemen“ gefunden haben. Geleitet wird die „Unit“ von Andreas Kugi, Vorstand des TU-Instituts für Automatisierungs- und Regelungstechnik. „Wir versuchen technische Systeme zu verstehen, in echtzeitfähigen mathematischen Modellen zu beschreiben und Schlüsse daraus für Systemoptimierungen zu ziehen“, beschrieb er den Ansatz. Das Spektrum reiche dabei von der Halbleiterindustrie, wo automatisierte Entscheidungen im Mikrosekundenbereich getroffen werden müssen, bis zu Gezeitenkraftwerken mit 24-Stunden-Zyklen.
Als TU-Institut habe man eine hohe Drittmittelquote und mehr als 40 Industriepartner, sagte Kugi, der aber dennoch auf das „Valley of Death“ im Innovationszyklus verwies, wo gute Ideen vor der Markteinführung zugrunde gehen. „Die Kooperation mit AIT soll hier hilfreich sein“, sagte Kugi, der in der neuen Einheit „eine Brücke von der akademischen Lehre über die Grundlagenforschung bis hin zur Anwendung“ sieht. In den nächsten fünf Jahren soll ein Team von etwa 20 am AIT angestellten Personen aufgebaut werden.
„Wir wollen damit die Wertschöpfungskette in Richtung Anwendung erweitern“, sagte TU-Wien-Rektorin Sabine Seidler. Für sie ist die neue Einheit ein „neuer Baustein in der vielfältigen Kooperation zwischen TU und AIT“. Als Beispiel nannte sie eine gemeinsame Stiftungsprofessur für Energiesysteme oder das gemeinsame Engagement im „Complexity Science Hub Vienna“, der am 23. Mai eröffnet wird.
Kooperation mit Modellcharakter
Knoll bezeichnete den neuen Forschungsschwerpunkt als „Schulterschluss zwischen universitärer Forschung und Umsetzung in technische Lösungen“. Bei positivem Ausgang des Experiments könnte diese Form der Zusammenarbeit „durchaus Modellcharakter haben“.
Die AIT-Chefs gaben zudem zwei neue Personalentscheidungen bekannt: Die seit 2012 am Institut beschäftigte Elektrochemikerin Atanaska Trifonova wurde zum „Principal Scientist“ bestellt. Sie ist die erste Frau und derzeit der zweite Wissenschafter am AIT, der diese höchste Stufe im Karriereschema des Instituts erklommen hat. „Solche Principal Scientists, die Themen der übernächsten Zukunft angehen, können wir uns nur an wenigen Stellen leisten“, sagte Knoll.
Trifonova beschäftigt sich mit zukünftigen Batteriesystemen, der Aufsichtsrat hat für sie auch ein neues, 1,7 Mio. Euro teures Labor genehmigt, das laut Knoll „eine substanzielle Erweiterung unserer Infrastruktur“ ist. Trifonova kann dort von der Implementierung neuer Materialien über neue Zelldesigns bis hin zur Systementwicklung eine vollständige Produktionslinie für Prototypen von Lithium-Ionen-Batterien aufbauen. Für sie ist diese Batterie-Art die einzige Technologie, die die Anforderungen für Elektromobilität und stationäre Energiespeicher erfüllen könne.
„Sind zu arm, um mittelmäßige Leute zu beschäftigen“
Als Nachfolgerin der Leiterin des Health and Environment Department des AIT, Michaela Fritz, die als Vizerektorin für Forschung an die Medizinuni Wien wechselte, wurde Elke Guenther vorgestellt. Die aus Deutschland stammende Biologin war bisher Leiterin der Abteilung Elektrophysiologie am Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut der Universität Tübingen und der Sektion Pharmaservices der NMI TT GmbH, die Dienstleistungen für die Pharmaindustrie anbot. Ab Anfang Juni übernimmt sie die Leitung des AIT-Departments und wird sich dort etwa im neuen Geschäftsfeld „Molekulare Diagnostik“ um die Entwicklung von Werkzeugen für Speicheldiagnostik kümmern.
Für Androsch sind das Beispiele dafür, „dass es uns wichtig ist, die besten Köpfe zu rekrutieren, in der Erwartung, dass sie wieder helle Köpfe anziehen. Weil wir sind zu arm, um mittelmäßige Leute zu beschäftigen“.
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