17. April 2020
Ausgestorben geglaubte Moos-Art im Nationalpark Thayatal wiederentdeckt
Der grenzüberschreitende Nationalpark Thayatal-Podyjí gilt als Hotspot der Biodiversität. Moos-Experten haben dort nun zahlreiche seltene Arten auf den Felsstandorten im Thayatal gefunden – auch Arten, die als ausgestorben galten.
Fast die Hälfte aller österreichischen Pflanzenarten sind in dem 7.700 Hektar großen österreichisch-tschechischen Schutzgebiet im Grenzgebiet der Thaya bei Hardegg zu finden. Im Rahmen einer vor Kurzem gestarteten Untersuchung der Moosflora des Nationalparks konnten bereits am Beginn ausgestorben geglaubte und verschollene Arten entdeckt werden.
Moose sind faszinierende Pflanzen: Sie bilden grüne, dichte Teppiche am Boden, haben es gern feucht und sehen irgendwie gar nicht aus wie das, was man sich gemeinhin unter einer Pflanze vorstellt. Trotz ihrer Affinität zur Feuchte wachsen Moose oft an den unwirtlichsten und auch trockensten Orten, auf Berggipfeln und sogar in Wüsten. Wahre Überlebenskünstler eben.
Sie gelten als die ältesten Landpflanzen überhaupt auf unserem Planeten, im Vergleich zu anderen verfügen sie über einen sehr simplen, ursprünglichen Bauplan. Dieser erlaubt es ihnen, ihren Stoffwechsel schneller anpassen zu können. Dadurch erscheinen sie äußerst widerstandsfähig und genügsam und können auch sehr lange Trockenzeiten von mehreren Monaten überstehen. Auch Kälte kann vielen Moosen wenig anhaben. Diese Eigenschaften haben es den Moosen ermöglicht, alle Klimazonen auf der Erde zu erobern und nebenbei als Bioindikatoren wichtige Daten für Umweltwissenschaftler zu liefern.
Groß war die Freude deshalb der beiden Moos-Experten Harald Zechmeister von der Universität Wien und Michaela Kropik von der Universität für Bodenkultur als sie an einem der vielen Felsstandorte im Thayatal den spärlichen Bewuchs näher unter die Lupe nahmen. Mit dem Nachweis des Spitzmützenmooses (Oxymitria incrassata) gelang den Beiden bereits am zweiten Tag ihrer Untersuchung ein Sensationsfund. Diese Moosart galt seit mehreren Jahrzehnten in Österreich als ausgestorben. Auch in Deutschland und Ungarn ist diese Art nicht mehr zu finden, nur in Tschechien gibt es noch eine der wenigen Restpopulationen in Mitteleuropa.
„Dieser Fund unterstreicht die hohe Bedeutung der Nationalparks für die Erhaltung der Artenvielfalt in Österreich. Die sechs österreichischen Nationalparks sind Lebensgrundlage von unzähligen Tieren und Pflanzen und eine Wiege für Biodiversität. Die Entdeckung dieses, bereits ausgestorben geglaubten, Mooses beweist das einmal mehr“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Die Untersuchung erfolgte im Rahmen eines vom Klimaministerium und der Europäischen Union finanzierten Projektes, welches zum Ziel hat, die hohe Artenvielfalt im Nationalpark Thayatal zu erheben und zu schützen.
Das Spitzmützenmoos ist ein extrem trockenheitsliebendes, thalloses Lebermoos, das normalerweise im Mittelmeergebiet, den Steppenlandschaften Osteuropas und in Nordafrika vorkommt. Im pannonisch geprägten Thayatal besiedelt es die silikatreichen Felsen der Trockenstandorte, die im Sommer durch große Hitze und extreme Trockenheit beeinflusst sind. Historisch gab es in Österreich 1894 einen Fund in der Wachau und 1978 einen letzten Nachweis in den Hainburger Bergen. Beide sind längst verschollen und konnten auch bei gezielten Nachsuchen nicht gefunden werden.
Im Nationalpark Thayatal gibt es aufgrund der geologischen Vielfalt sehr viele verschiedene Moose, z.B. auf Felsen, Bäumen, am Waldboden oder in den Trockenrasen. Erhebungen im tschechischen Teil des Nationalparks haben gezeigt, dass in der Tallandschaft der Thaya fast 300 Moosarten zu erwarten sind. Neben der hohen Vielfalt rechnen die Forscher mit zahlreichen sehr seltenen Arten. Die weiteren Ergebnisse der ersten Freilanderhebungen bestätigen diese Annahme.
Das Hübsche Hinterzahnmoos (Enthostodon pulchellus) war früher weiter verbreitet, wurde allerdings zuletzt vor 30 Jahren im Leithagebirge bestätigt. Diese Art kommt ebenfalls auf Trockenrasen vor, bevorzugt allerdings kalkreiches Gestein. Auch weitere extrem seltene und gefährdete Arten wie das Wulstige Sternlebermoos (Riccia intumescens) oder das Blattlose Koboldmoos (Buxbaumia aphylla) konnten die Experten ausfindig machen.
„Moose sind Überlebenskünstler und wachsen dort, wo andere Pflanzen nicht mehr überleben können, weil es zu nass, zu trocken oder zu kalt ist. Moose waren dabei, als die ersten Pflanzen vor ungefähr 450 Millionen Jahren das Festland eroberten – und es gibt sie heute noch. Moose erfüllen vielfältige Aufgaben in der Natur, vom Wasserspeicher in trockenen Wäldern bis hin zum Lebensraum für andere Lebewesen, darum sollte man sie einfach wachsen lassen und nicht entfernen!“ rät Harald Zechmeister.
Nationalparkdirektor Christian Übl kündigt die Umsetzung spezieller Schutzmaßnahmen an: „Aus dem Nationalpark Thayatal waren bisher bereits mehrere Arten bekannt, die ihr einziges Vorkommen in Österreich nur im Thayatal haben. Für uns ist es immer wieder ein besonderer Moment, wenn wir Arten wie die Wegerich-Grasnelke, das Weichhaarige Federngras oder das Hohe Perlgras bei unseren Begehungen nach Jahren wieder auffinden. Für selten Arten gibt es besondere Monitoring- und Schutzmaßnahmen, die wir nun auch auf die stark gefährdeten Moosarten ausdehnen werden. Dazu gehört, dass die genauen Standorte nicht bekannt gegeben werden. Falls erforderlich, setzen wir auch Maßnahmen zur Reduktion des Betritts und des Wildeinflusses!“