3. Dezember 2017
Biomasseforscher wollen Feinstaubrisiko senken
Graz – Den Bewohnern der steirischen Landeshauptstadt Graz werden die kommenden Wintermonate wieder schwer auf der Lunge liegen.
Wie jedes Jahr wird die Feinstaubbelastung abermals Grenzwerte übersteigen, und wie jedes Jahr werden lokale Politiker beteuern, weitere Maßnahmen zur Reduktion der Umweltbelastung zu planen. Und einmal mehr werden die Stadtbewohner hören, dass in der Vergangenheit ohnehin schon sehr viel für eine Senkung der Werte unternommen worden sei.
Aus den aktuell vorliegenden Daten ist ein Sinken der Belastung nur bedingt ablesbar: Ende November hielt Graz laut den Messungen des Umweltbundesamtes bei mehr als 40 „Feinstaubüberschreitungstagen“, die Dicke-Luft-Tage stehen aber erst bevor. Die EU erlaubt maximal 35 Tage pro Jahr.
Graz leidet besonders durch seine geografische Kessel- und Inversionswetterlage im Winter. Zudem steigt der Autoverkehr wie in anderen Städten auch hier stetig an. Zu radikalen Einschränkungen wie Fahrverboten, einer Citymaut oder autofreien Tagen fehlt bisher noch der politische Mut – nicht nur in Graz. Hier aber ist das Luftproblem österreichweit am gravierendsten.
Im Fokus als weitere wesentliche Feinstaubproduzenten stehen neben dem städtischen Autoverkehr auch die Heizanlagen. Dabei wird immer wieder auch an der Umweltfreundlichkeit von Biomassefeuerungen gezweifelt, da grundsätzlich der Hausbrand neben dem Verkehr und der Industrie als Hauptquelle von Feinstaub gilt.
Gewaltiges Potenzial
Wie Biomasseheizungen optimiert werden können, damit sie weniger Feinstaubemissionen produzieren, wird im Kompetenzzentrum Bioenergy 2020+ mit Hauptsitz in Graz erforscht. Bioenergy 2020+ ist ein sogenanntes K1-Zentrum des Kompetenzzentrenprogramms Comet des Wissenschafts- und Verkehrsministeriums, das in Kooperation mit der Industrie die Forschung im Bereich Bioenergie forciert.
„Zur Beurteilung der gesundheitlichen Auswirkung von Feinstaub kommt es jedoch nicht nur auf die Höhe der Emissionen an, sondern ganz wesentlich auf deren chemische Zusammensetzung sowie die Partikelgrößenverteilung“, sagt Joachim Kelz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich der Biomasseverbrennung bei Bioenergy 2020+. „Da viele der Feinstaubpartikel lungengängig sind, und somit über die Atemwege tief in den menschlichen Organismus eindringen, kann von ihnen ein erhebliches Gesundheitsrisiko ausgehen.“
„In der Regelung von Biomassefeuerungen schlummert jedenfalls noch gewaltiges Potenzial“, ergänzt Markus Gölles, der die Abteilung Regelungs- und Automatisierungstechnik des Forschungszentrums leitet. Bioenergy 2020+ forscht konkret gemeinsam mit dem steirischen Kesselpionier KWB (Kraft und Wärme aus Biomasse GmbH) sowie dem deutschen Sensorhersteller Lamtec, der sich mit Mess- und Regeltechnik für Feuerungen beschäftigt, an der Entwicklung einer völlig neuartigen Regelungsstrategie für Biomassefeuerungen. Der Klima- und Energiefonds sowie die Forschungsförderungsgesellschaft FFG fördern dieses Projekt mit rund 600.000 Euro.
Neue Sensorik
Der Einsatz dieser neuen Regelungstechnik ermöglicht laut den vorliegenden Forschungsergebnissen in Verbindung mit einer neu entwickelten Sensorik eine Optimierung der Verbrennungsbedingungen, was in der Folge zu einer generellen Effizienzsteigerung der Anlage und einer Reduktion der Emissionen führt.
Durch die effizienteren Verbrennungsabläufe soll nach Angaben der Forscher auch die Möglichkeit geschaffen werden, alternative Biomassebrennstoffe wie Stroh, Mais oder Energiegräser wesentlich emissionsärmer zu verbrennen.
Um die Einhaltung der zukünftig immer strengeren Emissionsgrenzwerte auch mit diesen alternativen Biomassebrennstoffen sicherzustellen, werde zusätzlich an der Integration eines elektrostatischen Abscheiders von Partikeln geforscht. All diese Ansätze könnten in Zukunft die Feinstaubemissionen aus Biomassefeuerungen auf ein Minimum reduzieren, heißt es bei Bioenergy 2020+.
„In diesem Projekt sollen die Grundlagen zur Entwicklung einer emissionsarmen und hocheffizienten Biomassefeuerung geschaffen werden“, fasst Jürgen Markon, technischer Leiter des Kesselbauers KWB, zusammen. „Das hätte für den Kunden den Vorteil, sowohl Brennstoffkosten als auch Wartungs- und Instandhaltungskosten durch eine saubere Verbrennung einzusparen. Außerdem können neben Holz eben auch alternative Brennstoffe verwendet werden.“ (mue, 3.12.2017)