Kategorie Innovation & Technologie - 14. Januar 2020
Bioraffinerie: Judith Buchmaier ist FEMtech-Expertin des Monats
Judith Buchmaier ist unsere erste FEMtech-Expertin des neuen Jahres 2020. Die Steirerin ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), eines der führenden Institute des Landes im Bereich angewandter Forschung zu thermischen Energietechnologien, zum energieflexiblem Bauen und Sanieren sowie zur Energie- und Ressourceneffizienz in industriellen Prozessen.
Buchmaier ist Leiterin des Wasser-, und Prozessintensivierungslabors und untersucht in Gleisdorf das Potential, wie biologische Reststoffe in wertvolle Rohstoffe verarbeitet werden können.
Die Entwicklung von Bioraffinerien soll auch in Österreich über den fortschreitenden Umstieg von fossiler zu nachhaltiger Rohstoffnutzung einen Beitrag gegen Ressourcenknappheit und Klimawandel leisten. Biomasse soll dabei möglichst vollständig verarbeitet und anschließend eine Vielzahl wiederverwertbarer Produkte abwerfen.
In diesem Bereich erstreckt sich Judith Buchmaiers Arbeitsfeld von der Komponenten- und Systementwicklung bis hin zur wissenschaftlichen Begleitung von Demonstrationsanlagen. Sie ist Projektleiterin von nationalen und internationalen Forschungsprojekten und auch Betreuerin von Diplomarbeiten sowie in der Projektakquise tätig.
Veredelung von Reststoffen
„Das Potential biogener Ressourcen als nachhaltige Rohstoffe für die Herstellung hochwertiger Chemikalien und Materialien ist enorm“, so Buchmaier. „Um Biokonversionsprozesse zu verstärken, arbeiten wir bei AEE INTEC an verbesserten Bioreaktoren.“ Besonders jene Pflanzenmasse und Bestandteile, die nicht als Nahrungs- und Futtermittel verwendet werden, stehen hierbei im Vordergrund.
Die kaum nutritiven Strukturbestandteile, etwa in Holzrückständen, aber auch in Halmen und Stängeln von Getreide, bestehen aus Lignocellulose, einem komplexen, heterogenen Biopolymer, welches im Gegensatz zu den stärkehaltigen Körnern und Früchten von Pflanzen allerdings nur schwerlich aufzutrennen, also in die chemischen Grundbestandteile zu zerlegen ist.
Buchmaiers Ziel ist es nun, durch energie- und kosteneffiziente Trenn- und Reaktortechnologien die nachhaltige Nutzung von lignozellulosehaltigem Material in Bioraffinerien sicherzustellen. In der Bioraffinerie kommt der Zellstoff- und Papierindustrie in Österreich mit ihrem großvolumigen Umsatz von Holz eine besondere Rolle zu. Die Sparte gehört in Österreich auch zu den energieintensiven Industrien. Dementsprechend beschäftigt sich Buchmaier vorrangig mit industriellen Fragestellungen in Sachen Bioraffinerie. „Neben Akquise und Projektmanagement beschäftige ich mich mit dem Auslegungsdesign und der Betreuung von Labor- und Demonstrationsanlagen, wo neuartige oszillierenden Reaktoren für die Bioraffinerie getestet werden“, so Buchmaier.
Anwendungen mit neuartigen Membrantrennverfahren (z.B. Membrandestillation) vereinen die stoffliche Nutzung der Komponenten durch selektive Trennmechanismen bereits jetzt mit hoher Energieeffizienz. Aktuelle Ergebnisse belegen die erhoffte Effizienzsteigerung bei Kosten und Ressourcen. Der Ansatz der kombinierten Energie- und Ressourceneffizienz wurde auch im Projekt Oscyme, unter anderem vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) über die FFG gefördert, verfolgt.
In diesem Projekt wird eine neue Reaktortechnologie entwickelt um die enzymatische Verzuckerung von Zellulose bei hohen Feststoffgehalten kontinuierlich betreiben zu können. Die gewonnenen Zuckerbausteine sind Basis für unterschiedliche biobasierte Produkte. Das Verfahren des Oscyme-Projektes soll zukünftig bei unterschiedlichen Bioraffinerien mit kaskadischer Rohstoffnutzung weiterentwickelt werden.
AEE INTEC ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung und eines der führenden Institute im Bereich angewandter Forschung zu den drei thematischen Schwerpunkten thermische Energietechnologien und hybride Systeme, Bauen und Sanieren, sowie industrielle Prozesse und Energiesysteme. AEE INTEC beschäftigt derzeit in Gleisdorf rund 85 Personen aus 14 verschiedenen Nationen. Mit Stellen für Dissertanten und Diplomanden, Praktikanten und studentischen Hilfskräften, leistet das Institut auch einen Beitrag zur Ausbildung von hochqualifizierten Fachkräften.
WORDRAP mit Judith Buchmaier:
- Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Ich war damals schon am Liebsten in der Natur und habe dort mit Freunden gespielt, bin gerne auf Bäume gekraxelt und habe schon früh Experimente mit Erde, Sand, Wasser und Pflanzen durchgeführt. - Mein Lieblingsfach in der Schule war:
Chemie, Werken, Turnen. - Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Wieder das Gleiche. - Mein Vorbild ist:
Meine Vorbilder sind Menschen, die mit Herzen und Verstand agieren und überzeugt sind davon, was sie machen, dahinterstehen und eine ehrliche, offene Art haben. - Was ich gerne erfinden würde:
Eine Welt in der Menschlichkeit gelebt wird. - Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
… können sich ganz neue Denk- und Arbeitsweisen entwickeln. Teams mit einem ausgeglichenen Frauen- und Männeranteil haben weitreichende positive Auswirkungen. - Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
… ist eine größere Vielfalt an Möglichkeiten/Entscheidungen in allen Ebenen möglich. - Was verbinden Sie mit Innovation:
Einen Schritt voraus zu denken, kreative Ideen zu entwickeln und umzusetzen. - Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Um kreative und innovative Ansätze in allen Entwicklungsstadien (TRLs) weiterverfolgen zu können, und damit im internationalen Kontext präsent zu sein. - Meine Leseempfehlung lautet:
Siddhartha von Hermann Hesse