Kategorie Energie - 17. August 2022
CO2-Pläne der Erdölfirmen kaum mit 1,5 Grad-Ziel vereinbar
Das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 beinhaltet das Ziel, die Erderwärmung am Ende des Jahrhunderts möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Dazu müssten auch Konzerne aus dem Energiesektor ihren CO2-Fußabdruck massiv verkleinern. Ein Forschungsteam hat nun gezeigt, dass die bisherigen Firmen-Annahmen mit dem 1,5 Grad-Ziel nicht vereinbar sind. Die großflächige Nutzung von fossilen Treibstoffen sollte so rasch wie möglich beendet werden.
Auf den Anteil, den Unternehmen an den CO2-Emissionen haben, richtete sich der Fokus u.a. nach einem aufsehenerregenden Prozess in den Niederlanden im vergangenen Jahr: Umweltschutzorganisationen hatten den Öl- und Erdgaskonzern Shell in einem großen Klima-Prozess geklagt, seinen CO2-Ausstoß zu senken. Im Mai 2021 entschied ein Gericht in Den Haag, dass der britisch-niederländische Konzern seine Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 um netto 45 Prozent gegenüber 2019 senken muss.
Klimapläne auf dem Prüfstand
Wie gut passen die Klimapläne, von denen Shell, das Mineralölunternehmen BP und der norwegische Erdöl- und Erdgaskonzern Equinor ausgehen, sowie zwei Szenarien, mit denen die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet, zum 1,5 Grad-Ziel? Das hat ein Team um Robert Brecha von der NGO Climate Analytics in Berlin u.a. in Zusammenarbeit mit Forschenden des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ) analysiert. Unter Namen wie „Rebalance“ (Equinor), „Sky 1.5“ (Shell) oder „Rapid“ oder „Net Zero“ (BP) haben die Unternehmen Pfade formuliert, die laut den Konzernen teils mit dem 1,5- bzw. den 2-Grad-Ziel kompatibel sein sollen. Shell räumt in seinem bis zum Jahr 2100 reichenden Szenario aber beispielsweise ein, dass vor der Eindämmung des Anstiegs auf rund 1,5 Grad über dem Temperaturlevel vor Beginn der Industrialisierung mit einem zeitweisen Überschießen dieses Zieles zu rechnen ist.
Das Forschungsteam brachte die jeweiligen Szenarien nun in Verbindung mit jenen Modellen, von denen der Weltklimarat (IPCC) aktuell bei seinen längerfristigen Simulationen ausgeht. Unter den insgesamt sechs seitens der Konzerne und der IEA ins Spiel gebrachten Szenarien ist demnach nur eines mit dem 1,5 Grad-Ziel kompatibel. Dieses ist das „Net Zero Emissions“-Szenario der IEA, bei dem der weltweite Energiesektor bis zum Jahr 2050 sogenannte Netto-Null-Emissionen erreicht. Dazu muss der gesamte schädliche Ausstoß von Treibhausgasen wieder ausgeglichen werden.
Schlechte Chancen für 1,5 Grad-Plus-Ziel
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Temperatur den Maximalwert von 1,5 Grad-Plus im Jahr 2100 trotzdem knapp übersteigt, liege aber auch unter dieser Annahme bei rund 60 Prozent. Die weiteren fünf untersuchten Emissionsreduktionspfade führen im Schnitt zu einem wahrscheinlichen Plus zwischen 1,65 und 1,81 Grad Celsius, so die Analyse.
Für die Autorinnen und Autoren zeigen die Untersuchungen einmal mehr, dass Szenarien, bei denen das Zurückfahren der großflächigen Nutzung von fossilen Treibstoffen weiter hinausgezögert wird, fast immer mit einem zumindest zeitweisen deutlichen Überschießen der 1,5 Grad-Marke einher gehen. Offen ist vielfach auch, wie dann gegen Ende des Jahrhunderts jene Mengen an CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen werden sollen, die notwendig wären, um die globalen Temperaturen auf das angestrebte Maß zu begrenzen – respektive dann effektiv abzusenken. Ein weiteres Fragezeichen sind die Emissionen weiterer Treibhausgase wie Methan und Lachgas.
Unternehmen und Co sollten in Zukunft klarere Aussagen über ihre Pläne und Annahmen zur Reduktion machen, damit diese auch extern analysiert werden können, so die Wissenschafter:innen. Bei der mangelnden Nachvollziehbarkeit sind die Firmen und Institutionen aber nicht alleine. Auch die Zusagen und Bekenntnisse vieler Staaten und Staatenbünde, in den kommenden Jahrzehnten Netto-Null-Emissionen zu erreichen, sind nämlich vielfach schwer miteinander vergleichbar und wenig konkret, monieren Expertinnen und Experten immer wieder.
Service: Die Studie in englischer Sprache im Fachblatt „Nature Communications“