Kategorie Innovation & Technologie - 7. April 2020
Gute Luft durch Coronakrise, aber keine Entspannung der Klimakrise
Die Produktion in Fabriken ist heruntergefahren, viele Autos bleiben derzeit in Garagen und die meisten Flugzeuge am Boden: Die Coronakrise sorgt weltweit für einen geringeren Ausstoß an schädlichen Treibhausgasen. Auch in Österreich zeigen erste Auswertungen des Umweltbundesamts in der zweiten Märzhälfte deutliche Rückgang der Schadstoffbelastung an verkehrsnahen und städtischen Messstationen.
Auswirkungen auf die Treibhausgase in höheren Schichten der Atmosphäre, wie am Sonnblick-Observatorium der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik), wären aber, wenn überhaupt, frühestens in ein paar Monaten festzustellen. Grundsätzlich müsse man davor warnen, kurzfristig saubere Luft durch die Coronakrise mit langfristigen Klimaschutz-Fortschritten zu verwechseln.
Eine erste Analyse der Stickstoffdioxid-Messungen seit 16. März 2020 an verschiedenen Messstationen zeigt zumeist eine Abnahme der Belastung. Dabei hat aber die Wetterlage sehr starken Einfluss – an einzelnen Tagen wurden daher auch höhere Belastungen gemessen, verglichen mit durchschnittlichen März-Werten der Vorjahre. Dies kommt daher, da in einigen Regionen bis zum Wochenende zeitweilig sehr ungünstige meteorologische Ausbreitungsbedingungen für Luftschadstoffe geherrscht haben.
Vorerst sind keine Corona-Auswirkungen auf die Treibhausgaskonzentration zu erwarten. „Das Sonnblick-Observatorium liegt nahezu in der freien Atmosphäre in über 3.100 Meter Seehöhe und misst die weiträumige Hintergrundkonzentration in der Atmosphäre“, so die Leiterin des Observatoriums, Elke Ludewig. Hier werden die Einflüsse auf langfristige Trends untersucht. „Markante Änderungen der Treibhausgase in den Niederungen über einen längeren Zeitraum können sich in dieser Höhe erst mit einer Verzögerung von einigen Monaten auswirken.“
Maßnahmen gegen den Klimawandel weiter unentbehrlich
Der derzeit am Sonnblick gemessene Rückgang der CO2-Konzentration stünde in keinem Zusammenhang mit den Auswirkungen der Einschränkungen. „Die Konzentration von Kohlendioxid sinkt im Frühling immer. Denn die erwachende Vegetation benötigt Kohlendioxid für ihre Photosynthese“, betonte Ludewig. Daher gebe es im Frühling immer einen Rückgang und im Herbst eine Zunahme des CO2. Langfristig zeige der Trend klar nach oben: Auf dem Sonnblick stieg die Konzentration von Kohlendioxid in den vergangenen 20 Jahren um rund zehn Prozent, von 370 ppm auf 410 ppm (ppm = parts per million).
CO2 aktuell: wir halten bei 415ppm, das sind 5ppm mehr als noch vor einem Jahr, das ist wiederum ein Zuwachs von mehr als 1% in nur 1 Jahr.
— Marcus Wadsak 🌞 (@MarcusWadsak) March 27, 2020
Auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) schätzt, dass der von der Pandemie ausgelöste Stillstand keinen langfristigen Effekt auf das Klima haben wird. Im Gegenteil: Man dürfe hier keiner Verwechslung von globalem und lokalen Ereignissen erliegen, zumal einem Emissionsrückgang in wirtschaftlichen Krisenzeiten vermutlich ein rascher Anstieg folgen würde.
Die Pandemie habe „wahrscheinlich nur sehr geringe Auswirkungen“ auf das Klima, so der WMO-Experte Lars Peter Riishojgaard. Es sei abzusehen, dass der CO2-Ausstoß wieder ansteige, sobald die Pandemie überstanden sei und die Weltwirtschaft wieder anlaufe.
Fluctuation of nitrogen dioxide emissions across #Europe from 1 Jan until 11 Mar 2020, using a 10-day moving average & data from @CopernicusEU #Sentinel5P.
The decline in NO2 emissions over the #PoValley 🇮🇹 is particularly evident.https://t.co/MkPuG4IcOi pic.twitter.com/LcNH1QsmaB
— ESA Earth Observation (@ESA_EO) March 13, 2020
Richtig sei, dass das Herunterfahren der Wirtschaft mit dem Ziel des Eindämmens des Coronavirus zu lokalen Verbesserungen der Luftqualität geführt habe. Dies sei in China und später auch in Norditalien deutlich messbar gewesen, etwa am geringeren Ausstoß von CO2, und Stickstoffdioxid, kurz NO2. Viel zu früh sei es jedoch, um die langfristigen Auswirkungen auf die Gas-Konzentrationen und damit den Treibhauseffekt der Erde abzuschätzen.
Wichtige internationale Mess-Stationen auf Hawaii und bei Cape Grim in Tasmanien (Australien) hätten bei dem Level des klimaschädlichen Kohlendioxids sogar für die ersten Monate 2020 höhere Werte verzeichnet als 2019. Die UN-Wetterorganisation wies darauf hin, dass man zusätzlich zum Unterschied zwischen lokalen und weltweiten Änderungen auch zwischen dem Ausstoß der Treibhausgase und der Konzentration in der Atmosphäre unterscheiden müsse. Für die wichtigen Konzentrationswerte müssten zusätzliche Aspekte im Zusammenspiel der Umwelt beachtet werden, darunter die Aufnahme durch die Ozeane.
Auch die verbesserte Luftqualität in Millionenstädten wie Neu Delhi ist für Riishojgaard kein Grund für allzu große Zuversicht. Dass derzeit deutlich weniger Autos und Flugzeuge schädliche Treibhausgase ausstoßen, sei auf den erzwungenen Stillstand während der Pandemie zurückzuführen. Dieser Effekt sei vermutlich nur von begrenzter Dauer.
Herausforderung für Wettervorhersage
Dass die Corona-Epidemie den Flugverkehr weitgehend zum Erliegen gebracht hat, hat auch Auswirkungen auf die Wettervorhersagen. Für die Wettermodelle fehlen Daten, die normalerweise an Flugzeugen angebrachte Sensoren liefern. Das macht das Erstellen von Prognosen und Klimabeobachtungen schwieriger.
„Wenn noch weniger Wetterdaten von Flugzeugen geliefert werden und dies über einen längeren Zeitraum, dürfte die Zuverlässigkeit von Wettervorhersagen abnehmen“, meint Lars Peter Riishojgaard, Fachgruppenleiter bei der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf. Christoph Wittmann, Leiter der Fachabteilung Modellentwicklung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien, pflichtet dem bei: „Aufgrund der Flugausfälle ist definitiv ein Einfluss auf die Wettermodelle zu erwarten“, sagte er im Gespräch mit der APA.
Vor allem Daten, die Flugzeuge bei einer Flughöhe zwischen elf- und zwölftausend Meter liefern, fallen nun weitgehend aus. Sie sind neben Satellitenbildern die wichtigste, wenn auch nur eine von zahlreichen anderen Quellen, die vor allem für das Erstellen von Globalmodellen bedeutend sind. Fehlen diese Daten, „ist klar, dass die Modellqualität leidet“, räumt Wittmann ein. Welche Folgen das auf die Prognosen genau haben wird, sei schwer abzuschätzen: „Man versucht, dieses Datenmanko mit anderen Beobachtungen zu kompensieren.“ So würden nun häufiger als sonst üblich Radiosonden zum Einsatz kommen.
Suche nach Alternativen
Bei Lokalmodellen – etwa Prognosen für Österreich – gehen vor allem die Daten ab, die Flugzeuge bei Start- und Landemanövern liefern und aus denen sich beispielsweise Temperatur und Luftfeuchte ablesen lassen. Auch in diesem Bereich sei man bestrebt, Alternativen zu finden, um Ausfälle für die Vertikalprofile wettzumachen, betont Wittmann. Günstig sei, dass im April grundsätzlich eine ruhige Wetterlage vorherrsche und mit Gewittern oder Unwettern, die derzeit schwerer vorherzusagen wären, im Regelfall erst mit dem Frühsommer zu rechnen ist.
Sensoren an Flugzeugen liefern den Meteorologen Temperaturen sowie Windgeschwindigkeiten und -richtungen, Angaben über Luftfeuchtigkeit und Turbulenzen. Weil der Flugverkehr zur Eindämmung der Corona-Pandemie fast zum Erliegen gekommen ist, hat die WMO für Europa im März einen dramatischen Einbruch errechnet. Von mehr als 700.000 waren zuletzt nur mehr wenige Tausend Wetterdaten pro Tag verfügbar.