Kategorie Innovation & Technologie - 10. Januar 2022

Partielle Sonnenfinsternis & Wettlauf zum Mond: Das Astronomie- & Weltraumjahr 2022

2022 wird – wie schon das Jahr zuvor –  nicht allzu reich an besonderen Himmelsereignissen, konstatiert die Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA). Am 25. Oktober 2022 gibt es in Österreich zwar erneut eine Sonnenfinsternis zu sehen, sie wird aber lediglich partiell ausfallen und der Mond die Sonne nur zu 41 Prozent verfinstern. Am 8. Dezember 2022 findet die nächste Marsopposition statt, zu der der Planet auch in enger zeitlicher Nähe vom Vollmond bedeckt wird. Auch die Bedeckung des fernen Planeten Uranus durch den Mond am 5. Dezember gehört zu den Glanzpunkten.

 

Im Jahr 2022 finden insgesamt vier Finsternisse statt, zwei partielle Sonnenfinsternisse und zwei totale Mondfinsternisse. Während die partielle Sonnenfinsternis vom 30. April von Mitteleuropa aus unbeobachtbar bleibt, kann die partielle Sonnenfinsternis vom 25. Oktober hierzulande in den Vormittags- und Mittagsstunden verfolgt werden. Die totale Mondfinsternis vom 16. Mai kann in den frühen Morgenstunden von Mitteleuropa in ihrer ersten Hälfte beobachtet werden. Noch vor Mitte der Finsternis geht der Mond jedoch unter.
Die totale Mondfinsternis vom 8. November bleibt in unseren Gegenden unsichtbar.

Nach Mars nun Mond, Jupiter & Asteroiden

Stand 2021 der Mars mit zahlreichen Missionen im Mittelpunkt der Weltraumaktivitäten, gibt es heuer viele kleinere und größere Ziele: Zahlreiche Missionen gehen zum Mond und wollen die Rückkehr bemannter Raumflüge zum Erdtrabanten vorbereiten. Die ESA will endlich ihre neue Trägerrakete „Ariane 6“ starten und bricht zum Jupiter auf. Zudem starten spektakuläre Missionen zu Asteroiden bzw. finden 2022 dort bereits ihr Ziel.

© NASA

Mit dem „Artemis“-Programm will die US-Raumfahrtagentur NASA dort anschließen, wo sie mit dem „Apollo“-Programm aufgehört hat. Dazu gehört nicht nur, Menschen wieder auf den Mond zu bringen. Um eine Basis für künftige Marsflüge zu schaffen, sollen auch eine Raumstation in den Mondorbit gebracht und eine Station am Mond selbst gebaut werden, wie Anneliese Haika von der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA) kürzlich bei einem Vortrag erklärte.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der erste große Test der Raumkapsel „Orion“ im Rahmen der Mission „Artemis 1“. Noch ohne Menschen an Bord soll „Orion“ samt dem dazugehörigen, von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA stammenden Service-Modul am 12. Februar Richtung Mond starten, diesen rund eine Woche umkreisen und dann wieder zur Erde zurückkehren und dort landen.

Experimente am Mond

Im Rahmen des „Artemis“-Programms sollen auch verschiedene Experimente zur Mondoberfläche gebracht werden. Die ersten werden 2022 von den beiden privaten Unternehmen „Intuitive Machines“ und „Astrobotic“ im Rahmen des „NASA Commercial Lunar Payload Services“ geliefert. Das Spektrum reicht von Photovoltaik-Studien am Mond über die Messung flüchtiger Stoffe oder der Neutronenstrahlung bis zur autonomen Navigation. All dies soll dazu beitragen, „den Weg für die erste Frau und den nächsten Mann zum Mond zu ebnen“, heißt es seitens der NASA. Diese hat übrigens Nokia den Zuschlag für den Aufbau eines Mobilfunknetzes am Mond erteilt, das der Technologiekonzern ab Ende 2022 aufbauen will.

Die Weltraumfirma SpaceX von US-Milliardär Elon Musk will sein für Mondlandungen konzipiertes Raumschiff „Starship“ Anfang kommenden Jahres das erste Mal die Erde umkreisen lassen. 2023 soll es dann für erste Transportflüge ins All einsatzbereit sein. Die NASA plant derzeit, „Starship“ frühestens 2025 als Landemodul im Rahmen des „Artemis“-Programms einzusetzen. Bei Boing steht frühestens im Mai ein Testflug des krisengebeutelten „Starliner“-Raumschiffs am Programm, das künftig Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS transportieren soll.

Déjà-vu: Wettlauf zum Mond

Dass sich Geschichte wiederholt, zeigt sich auch am neuen Wettlauf zwischen den USA und Russland zum Mond. Die von Russland und der ESA geplante Mission „Luna 25“ soll im Juli starten und nahe dem Südpol des Mondes landen – die erste russische Mondlandung seit „Luna 24“ im Jahr 1976. Ziele sind der Test der Landetechnologie, die Suche nach Eis und die Vorbereitung weiterer Missionen.

An diesem Wettlauf zum Erdtrabanten sind aber auch andere Länder beteiligt: Südkorea plant im kommenden Jahr seine erste Mondmission. Der „Korea Pathfinder Lunar Orbiter“ soll im August starten und den Mond ein Jahr lang umkreisen.

Nachdem Indiens Mondlandesonde „Chandrayaan 2“ 2019 wegen eines Softwarefehlers auf der Mondoberfläche zerschellt ist, plant das Land im zweiten Halbjahr 2022 einen neuen Versuch. „Chandrayaan 3“ wird dabei den Mondorbiter nutzen, der 2019 mit „Chandrayaan 2“ gestartet ist und seither den Erdtrabanten umkreist. Und auch Japan will seinen „Smart Lander for Investigation Moon“ (SLIM) frühestens 2022 starten und am Mond landen. SLIM soll gemeinsam mit dem Röntgenteleskop XRISM abheben, mit dem Japan heißes Plasma in verschiedenen Umgebungen, etwa Plasmaströme rund um Schwarze Löcher untersuchen will.

Auch mit dem Mars ist man noch nicht ganz fertig: Nach Problemen mit den Fallschirmen soll die russisch-europäische Mission „Exo-Mars“ nun im September 2022 starten und im Juni 2023 am Mars landen. Mit dem Rover „Rosalind Franklin“ will man dann nach Spuren von früherem Leben am Roten Planeten suchen. Klappt alles, wird mit dem Rover erstmals Technologie aus Österreich am Mars landen: Die Wiener Weltraumfirma RUAG Space hat den mehr als ein Meter langen, aus Kohlefaser bestehenden ausklappbaren Kameramast für die „Augen“ des Mars-Fahrzeugs gebaut und für den Computer des Rovers die Elektronik für die Stromversorgung produziert.

Der Jupiter & seine Monde

Abgesehen von dieser von vielen Fehlschlägen und Verzögerungen begleiteten Mission wird 2022 für die ESA ein spannendes Jahr: Sie nimmt den Jupiter und seine Monde ins Visier und will endlich ihre neue Trägerrakete starten.

Im Mittelpunkt der ESA-Mission JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer) steht die Erforschung des Jupitersystems. Sie soll im Juni 2022 starten und 2029 beim Gasriesen ankommen. Mit der Sonde, an der auch das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Technische Universität Graz und RUAG Space beteiligt sind, will man das Zusammenspiel von Jupiter und seinen großen Monden erforschen.

Der Jungfernflug der neuen europäischen Trägerrakete „Ariane 6“ war schon für 2020 geplant, nach massiven Verzögerungen strebt die ESA den ersten Start der von ArianeGroup gebauten Rakete nun für 2022 an. Aus Österreich kommen dabei einige Komponenten, etwa von RUAG Space die aus Glas und Keramik bestehende Hochtemperaturisolation für die Raketenantriebe, von TTTech das Datenübertragungsprotokoll oder von Test Fuchs Ventile. Zudem soll im Mai eine neue, stärkere Version der Vega-Rakete (Vega-C) erstmals abheben, von der oberösterreichischen Firma Peak Technology kommt dafür ein Zündergehäuse.

Im Herbst 2022 will die ESA die Entscheidung für die nächsten europäischen Astronauten bekanntgeben. Mehr als 23.000 Menschen haben eine Bewerbung für diesen Job abgegeben, 464 davon kommen aus Österreich. Sie müssen nun ein sechsstufiges Auswahlverfahren durchlaufen. Gesucht werden vier bis sechs Raumfahrer in Festanstellung sowie bis zu 20 Reservisten.

Schutz vor Asteroiden

Nicht nur die ganz großen Objekte des Sonnensystems stehen 2022 im Mittelpunkt des Interesses, sondern auch die ganz kleinen: Vor wenigen Wochen hat die NASA die Mission DART (Double Asteroid Redirection Test) gestartet, die im Oktober 2022 den Asteroiden Dimorphos – im wahrsten Sinne des Wortes – treffen soll. Geplant ist, die Sonde in den rund 160 Meter im Durchmesser großen Dimorphos krachen zu lassen, eine Art Mond des Asteroiden Didymos, und dadurch seine Flugbahn zu verändern. Davon erhofft man sich Erkenntnisse, wie die Erde vor herannahenden Asteroiden geschützt werden könnte.

Die Planetenbeschützer DART & HERA

Zudem plant die NASA 2022 mit „Psyche“ die erste Mission zu einem metallreichen Asteroiden. Der Start ist für August geplant, die Ankunft bei dem rund 226 Kilometer großen Asteroiden „16/Psyche“ ist für 2026 vorgesehen. Die Sonde soll den möglichen früheren Planetenkern ein Jahr umkreisen. Die Mission hat eine Zwillingssonde als Beifahrer: Die zwei Mini-Sonden der Mission „Janus“ sollen 2026 zwei unterschiedliche Doppelasteroiden untersuchen und mit „Psyche“ Erkenntnisse über Entstehung und Entwicklung kleiner Geröllasteroiden liefern.

China baut Himmelspalast weiter aus

China konzentriert seine Weltraumaktivitäten derzeit auf den Ausbau seiner Raumstation „Tiangong“ („Himmlischer Palast“). Insgesamt plant die chinesische Raumfahrtbehörde elf Missionen zu der Station bis Ende 2022. Dabei sollen unter anderem zwei neue Labor-Einheiten zur Erweiterung der Station in den Orbit gebracht werden. Der „Himmlische Palast“, wo bereits Astronauten leben und arbeiten, soll im kommenden Jahr vollständig in Betrieb gehen.

China plant zudem für Dezember den Start von „Macao Science 1“. Als erster Satellit soll er von einer äquatornahen Umlaufbahn aus das geomagnetische Feld und im Speziellen die Südatlantische Anomalie vom Weltraum aus erforschen. Das Zentrum dieser Zone mit einem deutlich abgeschwächten geomagnetischen Feld und dadurch erhöhten Strahlungsaktivität liegt vor der Küste Brasiliens. Aus Österreich kommen dafür Sensoren und Komponenten vom IWF und der TU Graz.

Das am 25. Dezember erfolgreich gestartete James Webb-Teleskops soll voraussichtlich Mitte 2022 erste Beobachtungsdaten liefern. Zu dieser Zeit ist der Start eines weiteren Weltraumteleskops geplant: Die ESA-Sonde „Euclid“ wird mit einem 1,2-Meter-Spiegel für sichtbares und nahes Infrarot rund 1,5 Mio. Kilometer von der Erde entfernt die Rotverschiebung und Form von Galaxien und Galaxienhaufen in einem sehr großen Bereich des Himmels messen. Damit will man die Verteilung der Dunklen Materie im Universums und dessen Expansion besser verstehen. Möglicherweise erlaubt dies auch Rückschlüsse auf die mysteriöse Dunkle Energie.

Man braucht aber nicht unbedingt Raketen, um mit einem Teleskop das All zu erforschen: Die Max-Planck-Gesellschaft will im Juni 2022 mit der Mission „Sunrise 3“ das mit einem Durchmesser von einem Meter größte Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat, mit einem mit Helium gefüllten Ballon in eine Höhe von 35 bis 37 Kilometer bringen. Dort driftet das zwei Tonnen schwere Teleskop mehrere Tage lang entlang des Polarkreises, ehe es dann per Fallschirm wieder landet.

Bereits in den Jahren 2009 und 2013 gab es erfolgreiche derartige Flüge mit einem ballongetragenen Sonnenobservatorium. Mit der Mission will man Einblicke in die Höhenschichtung der Sonnenatmosphäre von der Photosphäre bis hin zur Chromosphäre gewinnen. Viel näher – mit 50 Mio. Kilometer so nah wie keine Raumsonde je zuvor – wird die 2020 gestartete ESA/NASA-Sonde „Solar Orbiter“ im März 2022 der Sonne kommen und neue Aufnahmen unseres Zentralgestirns liefern.

Webb-Weltraumteleskop greift nach den Sternen