Kategorie Innovation & Technologie - 21. August 2019
Der tiefe Blick in Pilotenaugen
Pilot gilt nach wie vor als absoluter Traumberuf. Bevor die Karriere über den Wolken in Gang kommt, wartet eine komplexe Ausbildung voller Prüfungen in Mathematik, Physik, Koordinationsfähigkeit, Englisch, Fitness sowie neben diversen psychologischen Tests auch die Überprüfung der Teamfähigkeit und der Fähigkeit zur Mehrfachbelastung.
Allein die Aufnahmetests dafür schaffen rund 90 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber nicht. Ist die Vorauswahl jedoch geschafft steht der Sicherheitsaspekt für die kommenden Aufgaben wie in kaum einem anderen Fach an erster Stelle.
Das Eye-Tracking während der Ausbildung könnte das Pilotentraining grundlegend verändern und allen Teilnehmenden sowie Ausbilderinnen und Ausbildern ad hoc wertvolles Feedback liefern – ganz im Sinne der Erhöhung der Sicherheit.
Wie die Eye-Tracking-Technologie als Feedbacktool für Piloten den Ausbildungsfortschritt weiter bereichern kann zeigt Airtention, ein dreijähriges Forschungsprojekt, das vom BMVIT im Rahmen der Initiative TakeOff 2018 gefördert wird, und durch Research Studios Austria Forschungsgesellschaft (RSA FG) sowie den Projektpartnern Austro Control und Lufthansa Aviation Training nun startet.
Die Sicherheit von Flugzeugen hängt wesentlich von der fokussierten Aufmerksamkeit von Piloten ab. Mit neuesten Eye-Tracking-Systemen wird eine signifikante Verbesserung der Pilotenausbildung durch eine kompetenzorientierte Individualisierung angestrebt.
Das RSA FG-Research Studio Pervasive Computing Applications setzt dabei seine besondere Expertise bei der Entwicklung sogenannter Attention Aware Systems ein. Diese vermögen die Aufmerksamkeit von Menschen nicht nur zu messen, sondern auch ganzheitlich zu analysieren. RSA FG Attention Aware Systems sind bereits bei Endkunden wie einem Skihersteller oder der Mountainbike-Nationalmannschaft im Einsatz.
Einfaches Eye-Tracking hat sich in der Pilotenausbildung bereits bewährt. Neu ist hingegen der von der RSA FG forcierte Ansatz, die Aufzeichnung des Blickverhaltens – also von Sakkaden (Blicksprüngen) und Fixationen und deren statistische Analysen – mit anderen Sensoranalysen zusammenzubringen: etwa mit den Interaktionen mit den Instrumenten, mit der durch die Pupillengröße gemessenen kognitiven Belastung oder mit Daten zur Hand-Auge-Koordination.
Eine Lösung, die auch im Training für andere Berufen mit ähnlichen Anforderungen wie bei Piloten eingesetzt werden kann.
„Diese Auswertungen sollen helfen, die Kompetenzen den einzelnen Auszubildenden besser zu verstehen“, sagt Benedikt Gollan, Leiter des Forschungsprojekts und operativer Leiter des Research Studios Pervasive Computing Applications: „Es geht darum, jeden Auszubildenden individuell bestmöglich zu unterstützen und das Trainingsprogramm anzupassen, mit dem Ziel: Weg von Flugstunden als Maßeinheit von Kompetenz, hin zu tatsächlich objektiven Messungen.“
Das tiefere Verständnis der Prozesse der Aufmerksamkeit kann den Fluggästen nur recht sein: Das Passagierflugzeug ist das sicherste Verkehrsmittel der Welt, aber 80 Prozent aller fatalen Unfälle sind immer noch auf menschliches Versagen zurückzuführen.
Lexikon: Mit Eye-Tracking (selten auch: Blickerfassung oder Okulographie) bezeichnet man das Aufzeichnen der hauptsächlich aus Fixationen (Punkte, die man genau betrachtet), Sakkaden (schnellen Augenbewegungen) und Regressionen bestehenden Blickbewegungen einer Person. Als Eyetracker werden Geräte und Systeme bezeichnet, die die Aufzeichnung vornehmen und eine Analyse der Blickbewegungen ermöglichen.