Kategorie Innovation & Technologie - 1. April 2019
Der effiziente Weg der Waren durch die Welt
Ohne Logistik wäre Globalisierung nicht denkbar. Die heute selbstverständlichen weltumspannenden Material- und Warenflüsse erfordern ein Heer an professionellen Dienstleistern, die die entsprechenden Transportnetze aufbauen, organisieren und steuern. „Sie stehen vor der Aufgabe, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit in der richtigen Menge an den richtigen Ort zu bringen“, sagt Georg Brunnthaller. „Und die Kosten müssen natürlich auch passen.“
Der 31-Jährige ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Logistiksysteme und Transport (Transport- & Supply Chain Management) bei Fraunhofer Austria in Wien. Die Herausforderungen des modernen Güterverkehrs sind sein Forschungsschwerpunkt. In verschiedenen vom Technologieministerium (BMVIT) und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekten sucht er nach Lösungen, die es Transportdienstleistern erleichtern, trotz Nachfrageschwankungen und kurzfristig vergebener Aufträge Unter- oder Überkapazitäten zu vermeiden.
Pionierarbeit für Bahntransport
„Ich beschäftige mich damit, Entwicklungen vorherzusehen“, verdeutlicht Brunnthaller. „Eine vorausschauende Planung beginnt für mich bereits, bevor ein Unternehmen überhaupt von einem Kunden beauftragt worden ist.“ Dazu entwickelt sein Team einen Computeralgorithmus zur Analyse von Nachfragewahrscheinlichkeiten. Er soll helfen, Auftragsmengen abzuschätzen, Frachtpreise zu prognostizieren und Transportmittel schon vorsorglich zu organisieren. Diese sollen zudem möglichst hoch ausgelastet und umweltverträglich sein. „Mit dem steigenden Mobilitätsbedarf wachsen auch die CO2-Emissionen. Dem wollen wir etwas entgegensetzen.“
So bezweckt etwa das aktuell von ihm geleitete Forschungsprojekt „Backbone PI: Rail“, diese proaktive Kapazitätsanpassung auch für die Schiene zu ermöglichen. Das ist angesichts von Großdimensionen und Trends wie Schnellzustellung oder genau im Moment des Bedarfs beim Kunden eintreffenden industriellen Sonderanfertigungen alles andere als einfach. In puncto Flexibilität sind Lkws fast unschlagbar. Künftig soll deren Effizienz außerdem durch das sogenannte Physical Internet (PI) noch gesteigert werden.
Das ist ein Konzept, das die Speicherungs- und Übertragungsstrukturen, mit denen das Internet virtuelle Daten rund um den Globus schickt, für die Logistikbranche auf physische Güter umlegt und in diesem Sinn auf geteilte Ladekapazitäten, ein gemeinsames Transportnetz und synchronisierte Lieferungen setzt. Mit der Erforschung, wie man das PI für die Bahn nutzbar machen könnte, leistet Brunnthaller Pionierarbeit. „Unter anderem wollen wir modellieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit man die richtigen Waggons zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stellen kann.“ Der ökologische Mehrwert ist ihm dabei wichtig. „Ich möchte den Umweltnutzen mit wirtschaftlichen Vorteilen verknüpfen, um einen Anreiz zu setzen, diesen auch zu heben.“
Selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Bezirk Grieskirchen aufgewachsen, fühlt er sich mit der Natur verbunden: „Sie ist unser aller Lebensgrundlage, wir müssen auf sie schauen.“ Und eine weitere Überzeugung hat er vom elterlichen Bauernhof und auch aus der späteren Internatszeit in seine heutige Arbeit mitgenommen: „Wenn du was machst, mach’s g’scheit.“
Nach dem neusprachlichen Gymnasium hat Brunnthaller an der TU Wien den Studienzweig Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau absolviert, weil er sich davon versprach, „näher am Puls der Zeit zu sein und Innovationen mitgestalten zu können“. Besonders prägend war ein Studienaufenthalt in Finnland. „Dort habe ich zukunftsorientiertes Denken gelernt. Der Start-up-Spirit und die Arbeit in Kleingruppen waren für mich mit meiner klassischen ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung etwas ganz Neues und ungeheuer Spannendes.“
Gern tankt der Oberösterreicher beim Sport auf und joggt oft schon morgens vor der Arbeit, „um den Kopf mit Sauerstoff zu versorgen“. Auch gelegentliche Heimatbesuche sind Highlights: „Das ländliche Idyll bleibt eine Kraftquelle für mich.“
Uschi Sorz, Die Presse