Kategorie Innovation & Technologie - 29. Mai 2016
Die neue Dimension des Selbstbilds
Innsbruck – Perfekt passende Kleidung finden und sich selbst in ein Computerspiel versetzen – was haben diese beiden Wünsche mit einem Forschungsprojekt zu tun? Beides soll durch eine neue Technologie zum Einscannen menschlicher Körper möglich gemacht werden, die von einem Innsbrucker Start-up und dem Austrian Institute of Technology (AIT) entwickelt wurde.
Konkret können damit 3-D-Modelle von Personen in deutlich höherer Detailtreue als bisher angefertigt werden, zugleich soll die Praxistauglichkeit der dafür verwendeten 3-D-Fotostudios erhöht werden. Auf den ersten Blick sind die Anwendungsmöglichkeiten eher profaner Natur: Als Geschenk, beispielsweise für die lieben Großeltern, erfreuen sich die mittels 3-D-Druck erstellten Abbildungen von Menschen steigender Beliebtheit.
Die Innsbrucker Firma 3D Elements fertigt die Modelle dafür sowie die gedruckten Abbilder selbst oder über Partnerfirmen an; bisher waren aber sowohl die Genauigkeit dieser Modelle als auch der praktische Umgang mit den Fotostudios nicht zufriedenstellend. Das soll mithilfe der verbesserten Technologie anders werden – so soll es für die Personen nicht mehr notwendig sein, auf schwarze Kleidung zu verzichten, da diese nicht gut erfasst werden kann.
Simple Geschenke sollen aber nur der erste Schritt sein. Mit der verfeinerten Projektionstechnologie – im Fachjargon spricht man von einem Lichtmusterprojektor für den Nahfeldbereich – sollen Möglichkeiten eröffnet werden, die weit über familiäre Anlässe und Firmenfeiern hinausgehen: Gedacht ist die Aufstellung von 3-D-Fotostudios an öffentlichen Plätzen wie Einkaufszentren, wo man dann in Eigenregie ein detailgetreues Abbild von sich selbst erschaffen und als Datei mit nach Hause nehmen kann.
Dies soll in weiterer Folge genutzt werden, um bei Online-Shops à la Zalando den idealen Anzug oder das perfekt sitzende Kleid zu finden. „Der Onlinehandel hat eine Umtauschquote von 50 bis 60 Prozent, unsere Entwicklung könnte dabei helfen, wirklich passende Kleidung zu finden“, hofft 3D-Elements-Geschäftsführer Florian Tursky. Tursky hat das Unternehmen 2014 gegründet – mit der Motivation, den 3-D-Druck für Konsumenten zugänglich zu machen.
Realistischer Avatar
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit: sich selbst als realistisches Abbild in ein Computerspiel übertragen. Je nach persönlicher Spezifikation und Selbstvertrauen wird man sich dann allerdings überlegen müssen, ob dafür eher ein Simpsons-Spiel oder doch ein Sportspiel wie FIFA infrage kommt. Es könnte schließlich sein, dass man gezwungen ist, mit kleineren Adaptierungsarbeiten aus dem allzu realistischen Avatar seiner selbst doch besser einen mit Umfängen und Eigenschaften eines Ronaldo oder Alaba zu machen.
Noch ist das Zukunftsmusik, zunächst soll das Projekt, das übrigens keinen eigenen Namen erhalten hat, die Massenanwendung der 3-D-Fotografie beschleunigen. Das Investitionsvolumen für die Entwicklung betrug bisher knapp eine Million Euro, wobei 70 Prozent durch Förderungen der Forschungsförderungsgesellschaft FFG abgedeckt wurden.
„Bis jetzt waren die Details der 3-D-Modelle oftmals nicht zufriedenstellend, weil sich die Menschen bei den Aufnahmen bewegen“, sagt Tursky. Gemeinsam mit der Abteilung Safety and Security des AIT wurden daher neue Kameras entwickelt und deren Positionierung überdacht; zum Einsatz kommen Kameras sowie Infrarotkameras. Neu aufgesetzt wurde auch die IT-Lösung, um diese Daten zügig in den nachfolgenden Renderingprozess zur Erstellung realistischer 3-D-Modelle übertragen zu können.
150 Kameras
Bisher war es für die eingescannten Personen notwendig, mehrmals ins Studio zu kommen, da sich Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben. Mithilfe der neuen Technologie soll ein einmaliger Besuch ausreichen. Insgesamt 150 Kameras kommen zum Einsatz, in einer Zehntelsekunde wird das Objekt erfasst. Die Nachbearbeitung der Daten dauert nun weniger als eine halbe Stunde, damit sollen auch die Kosten der 3-D-Fotografie gesenkt werden.
3-D-Fotostudios mit der neuen Technologie, in die man sich nach dem Vorbild der Fotoautomaten am Bahnhof in Szene setzen kann, sollen laut Tursky noch heuer an einigen Standorten in Österreich zu finden sein; zunächst soll dabei erprobt werden, wie sich das in der Praxis bewährt. Sein eigentliches Ziel sei aber, die Technologie zu verkaufen, meint der 3D-Elements-Geschäftsführer. Angedacht sei alternativ, einen strategischen Investor, zum Beispiel aus der Textilindustrie, an Bord zu nehmen, um dann auf breiterer Basis zu starten. (Robert Prazak, 27.5.2016)