23. März 2015
Die Suche nach neuen Ideen aus Stahl
Wien – Härter, leichter, besser verformbar – so lauten die Maximen der Stahlindustrie, wenn es um Produkte für die Autoindustrie geht. Leichtbau ist bei allen Fahrzeugklassen gefragt. Gerade bei der Elektromobilität, wo man noch mit schweren Energiespeichern und geringen Reichweiten kämpft, können die Stahlproduzenten mit hochentwickelten Werkstoffen punkten.
Seit einigen Jahren kommen spezielle Stahlsorten, die Festigkeiten bis zu 1800 Megapascal erreichen, zum Einsatz. Zum Vergleich: Holz kommt auf 80 Megapascal, konventioneller Stahl auf 600 bis 1100. Carbon-Werkstoffe erreichen 4000, kosten aber ein Vielfaches.
Wissenschaftlicher Vorsprung
Stahlkonzerne wie die österreichische Voestalpine sind heute Exponenten einer enorm forschungsgetriebenen Branche. Der wissenschaftliche Vorsprung bleibt das einzige Mittel, um sich gegen die Billigkonkurrenz aus China behaupten zu können.
„Als ich in den 1980er-Jahren bei der Voestalpine angefangen habe, führten wir drei Stahlsorten. Die Festigkeit beschränkte sich auf wenige Hundert Megapascal“, erinnert sich Franz Androsch, der heute Forschungschef des Konzerns ist. „Heute führen wir etwa 2500 Stahlsorten.“
Eine Variante eines ultrafesten Stahls der Voestalpine ist PHS-Ultraform, das beispielsweise zum Schutz der Fahrgastzelle in der Autokarosserie eingesetzt wird. Würde man den Eiffelturm einschmelzen, so könnte man daraus vier gleich hohe Türme aus modernem hochfestem Stahl fertigen, so ein Beispiel, das den Festigkeitszugewinn veranschaulichen soll.
Trotz Festigkeit formbarer machen
„Es geht aber heute weniger darum, den Stahl noch fester zu machen, sondern ihn trotz seiner Festigkeit leichter zu komplexen Bauteilen formen zu können“, sagt Androsch. „Die modernen Stähle falten auch besser bei einem Crash und können die Kräfte besser auffangen, ohne spröde zu brechen.“
Für PHS-Ultraform ist man derzeit dabei, einen schnelleren Prozess für die Warmumformung des Materials zu Bauteilen zu entwickeln. Der Stahl werde dabei zuerst auf etwa 900 Grad aufgeheizt, bei etwa 600 Grad zum Bauteil verformt und gleichzeitig gehärtet, sagt Androsch. Ein Problem dabei ist die Korrosionsschutzbeschichtung aus Zink, die bei diesen Temperaturen abdampfen würde. „Der Prozess ist so gestaltet, dass das Eisen aus dem Werkstoff in die darüber liegende Zinkschicht diffundiert. Zurück bleibt ein schützender Zink-Eisen-Überzug“, sagt Androsch.
Weltweite Forschung
Die Voestalpine kooperiert mit weltweit 80 Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das Forschungsbudget insgesamt lag zuletzt bei 141 Millionen Euro. In Österreich werden 80 Prozent davon ausgegeben. Die dafür erhaltene steuerliche Begünstigung von zehn Prozent (Forschungsprämie) fließt in das Betriebsergebnis.
Hierzulande ist das Unternehmen unter anderem an zehn Projekten des Comet-Programms der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und ebenso vielen Christian-Doppler-Labors beteiligt. Einer der wichtigsten Forschungspartner ist die Montanuniversität Leoben.
„Wir decken die gesamte Prozessroute ab, vom Rohstoff bis zum gegossenen Halbzeug, das in Walz- und Presswerken weiterverarbeitet wird“, beschreibt Johannes Schenk, Leiter des Lehrstuhls für Eisen- und Stahlmetallurgie der Montanuni Leoben, die Arbeit der Hochschule. „Der höchste Energieeinsatz ist im Hochofen nötig“, sagt Schenk. „Wir untersuchen, wie sich Energieträger wie Koks, Öl oder Altkunststoffe darin genau verhalten, um weitere Optimierungen zu erreichen.“ 1950 habe man doppelt so viel Energie wie heute benötigt. Vor 20 Jahren sei der Verbrauch noch 20 Prozent höher gewesen, sagt Schenk.
Höhere Energieeffizienz als Ziel
Die Energieeffizienz zu erhöhen, sei weiterhin ein großer Innovationstreiber. Dennoch: „Die Klimaziele der EU werden mit den derzeitigen Stahlerzeugungstechnologien nicht erreichbar sein.“ Laut Studien könnte bis 2050, wenn alternative Energieformen marktfähiger geworden sind, die Wasserstoffmetallurgie einen Siegeszug antreten. „Aus Erz mithilfe des Energieträgers Wasserstoff Stahl zu erzeugen wäre theoretisch bereits heute möglich“, sagt Schenk. Auch in Leoben wurde bereits daran gearbeitet. „Bis ein Verfahren im industriellen Maßstab eingesetzt werden kann, werden allerdings noch Jahrzehnte vergehen.“ Seine Erforschung könnte zum Teil des laufenden Kompetenzzentrums „K1 Met“ werden.
Ein zweites großes Thema der Leobner Forscher liegt in der Verbesserung der Qualität, die für Elektroautos, aber auch für Elektronik und Energiesysteme relevant ist. „Man benötigt hochreine Stahlbleche zur Herstellung von Kunststofffolien, die in LCD-Schirmen verbaut sind“, sagt Schenk, „und in jedem Windrad steckt ein Elektrogenerator, dessen Effizienz auch von Elektrobändern aus Hochleistungsstahl abhängig ist.“ (Alois Pumhösel, 18.3.2015)
Forschungspreis
2015 wird erstmals der mit 12.000 Euro dotierte „Voestalpine Stahlforschungspreis“ vergeben. Der Call läuft bis 27. März.
Link: www.voestalpine.com/stahlforschungspreis