Kategorie Klima- & Umweltschutz - 14. März 2022
Mit der »Roadmap Geothermie« zur Wärmewende aus der Tiefe
Man muss gar nicht sehr tief bohren, um Erdwärme im kleinen Maßstab nutzen zu können. Bei der oberflächennahen Geothermie genügen dafür oftmals 50 bis 100 Meter. Die Faustregel lautet natürlich: Je tiefer gebohrt wird, desto wärmer wird es. Um etwa drei Grad pro 100 Meter Tiefe nimmt die Temperatur unter der Erde zu. Bei 100 Metern ist der Untergrund dauerhaft etwa elf bis zwölf Grad warm – mit moderner Technik ausreichend, um im Winter Gebäude über eine Wärmepumpe zu heizen und im Sommer zu kühlen. In 400 Meter Tiefe herrschen dann bereits 25 Grad, Richtung Erdkern bis zu 6.000. Eine beständige Wärmequelle, die hier unter der Erdoberfläche schlummert.
Geothermie birgt so ein enormes Potenzial für eine klimafreundliche, leistbare und vor allem importunabhängige Versorgung mit Wärme und Kälte. Eine im Auftrag des BMK und in Abstimmung mit dem Klima- und Energiefonds erstellte „Roadmap Geothermie“ zeigt Potenziale, aber auch Hürden für den Ausbau und ist zentraler Bestandteil einer übergeordneten Gesamtstrategie für Wärme, Kälte und Strom aus der Erde – auch für Projekte im größeren Maßstab, der sogenannten tiefen Geothermie, um etwa das unter Wien in rund 3.000 Meter Tiefe befindliche Heißwasservorkommen anzuzapfen, welches Wien künftig für die Wärmeversorgung nutzen könnte.
Klimaneutralität bis 2040 in Österreich – um dieses gleichermaßen ambitionierte wie alternativlose Ziel zu erreichen, braucht es vor allem eines: den raschen und radikalen Umbau unseres Energiesystems, auch im Wärme- und Kältesektor. Dieser muss schleunigst klimafreundlich werden und dabei zuverlässig, robust und bezahlbar bleiben. Die Fachwelt spricht der Geothermie einen bedeutenden Beitrag zum Erreichen diese Ziele bei. Insbesondere im Wärmebereich liegen die Vorteile quasi auf der Hand: Geothermie ist saisonal speicherbar, kostengünstig, stabil – und importunabhängig. Vor allem letzter Faktor ist in diesen Zeiten ein essentieller, um möglichst schnell den Ausstieg aus Öl und Gas – vor allem aus der Abhängigkeit von russischem Gas – zu schaffen.
Umbau der Wärmeversorgung verlangt Tempo
Geothermie ist dabei eine verlässliche und saubere Alternative, deren Potenzial nach Ansicht von Expert:innen bislang noch nicht mal ansatzweise ausgeschöpft wird. Die im Untergrund gespeicherte Wärme kann zum Heizen und Kühlen von einzelnen Gebäuden bis hin zu ganzen Stadtvierteln oder zur Erzeugung von elektrischer Energie eingesetzt werden und soll künftig in der Raumwärme und -kälte eine größere Rolle spielen.
„Unsere Wärmeversorgung muss sauber, sicher und vor allem unabhängig von Importen funktionieren. Wir haben daher das Gesetz für erneuerbare Wärme auf den Weg gebracht. Gasthermen müssen schon bald der Vergangenheit angehören. Geothermie hat ein enormes Potenzial – die Roadmap zeigt auf, in welchen Bereichen noch Anschub nötig ist. Mit unserer Forschungs- und Umweltförder-angebot werden wir hier ansetzen und so Planungssicherheit bieten“, erklärt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.
Damit die Geothermie mit anderen erneuerbaren Technologien in vergleichbaren Anwendungs- und Leistungsspektren konkurrenzfähig wird, müssen nicht nur die Kosten für Bohrungen und Bohrtechnologien gesenkt, sondern auch die Entwicklungszeiträume um 30 bis 50 Prozent reduziert werden. Forschung und Entwicklung sind daher gefragt – sie müssen noch offene, richtungsweisende Fragen beantworten.
„Für den nötigen Umbau des Energiesystems braucht es vor allem Tempo. Mit unseren Förderungen und Initiativen treiben wir die Entwicklung innovativer Technologien, Made in Austria‘ für den Ausbau der Geothermie in Österreich und im Ausland voran“, so Klima- und Energiefonds Co-Geschäftsführerin Theresia Vogel. „Mit der Roadmap werden wir unsere Angebote weiter schärfen können und so auch Planungssicherheit für Investoren und Investorinnen bieten.“
Energiewende in Österreich in 1. Linie Wärmewende
Österreichs Energiebedarf für Heizen und Kühlen macht mehr als 50 Prozent des Gesamtenergiebedarfes des Landes aus. Eine erfolgreiche Energiewende muss also vor allem im Wärme- und Kältesektor ansetzen. Geothermische Anlagen sind heute vor allem im oberflächennahen Bereich bereits vielfach verbreitet. Betrachtet man jedoch den Anteil der Geothermie an den installierten erneuerbaren Energien für Heizzwecke, ist dieser noch sehr gering (1,6 Prozent) und für die erneuerbare Stromerzeugung geradezu vernachlässigbar (< 0,1 Prozent).
Zurückzuführen ist dies, so ein Ergebnis des Prozesses zur Erarbeitung der Roadmap, in erster Linie auf den allgemein geringen Kenntnisstand über geothermische Technologien und Lösungen in der Öffentlichkeit. Hohe Investitionskosten in der Erschließung und Errichtung hemmen den Ausbau darüber hinaus. Mit der FTI-Roadmap Geothermie soll anhand strategischer Forschungs-, Technologie- und Innovationsfelder das Fundament zu einer verstärkten Nutzbarmachung geothermischer Potenziale in Österreich gelegt werden. Gleichzeitig soll das Strategiepapier als Basis für die Ausrichtung der Forschungs- und Technologiepolitik der kommenden Jahre dienen sowie einen Beitrag zu übergeordneten Strategien des Bundes leisten, wie z.B. die Wärmestrategie.
Zur FTI-Roadmap Geothermie
In einem vom Klimaschutzministerium und Klima- und Energiefonds initiierten partizipativen Prozess konnten Vertreter:innen aus Unternehmen und Forschung sowie relevante Verbände, Anregungen und Beiträge zur Ausrichtung der Forschungs- und Innovationsagenda in der Geothermie einbringen. Dieser Community von Expertinnen und Experten wurde die Möglichkeit eingeräumt, die für die Geothermie relevanten Forschungs- und Innovationsfelder zu identifizieren, zu kommentieren und Schwerpunkte zu priorisieren.
Die Roadmap Geothermie steht unter http://www.nachhaltigwirtschaften.at/geothermie zum Download zur Verfügung.
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