Kategorie Innovation & Technologie - 4. März 2016
Drohnen als Inspektoren in der Luft
Von unten sind sie oft nur mit dem Fernstecher erkennbar. Weit oben im Gelände befestigte Schutznetze verhindern, dass Felsen und Geröll auf die Schienen stürzen und den Bahnverkehr gefährden. Das ist nicht nur im steirischen Gesäuse so. Insgesamt 171 Kilometer Lawinen- und Steinschutzanlagen schützen die Eisenbahnstrecken in Österreich. Doch wer prüft eigentlich, ob Auffangnetze voll oder Lawinengitter beschädigt sind?
„Bisher mussten Inspektoren die oft schwer zugänglichen Anlagen auch bei sehr schlechtem Wetter im Gebirge kontrollieren“, sagt Michael Walter, Leiter des Bereichs Life Cycle Management und Innovationen bei der ÖBB-Infrastruktur AG. Dazu sind Inspektoren oft tagelang im Hochgebirge im Tiefschnee unterwegs, um dort zu Anlagen zu klettern und diese routinemäßig zu überprüfen.
Industriekletterer seilen sich ab
Die ÖBB hoffen hier auf Hilfe aus der Luft. Drohnen könnten künftig für den Menschen schwer zugängliche Stellen anfliegen und den Zustand der Anlagen mit Fotos und Videos dokumentieren. Das ist auch bei großen Brücken gefragt, wo sich mitunter Industriekletterer abseilen müssen, um deren Zustand zu inspizieren. „Wir müssen Brückenpfeiler untersuchen, egal wie“, sagt Thomas Petraschek, im Team von Walter zuständig für Innovationen. Dabei will man jede technische Möglichkeit nutzen, um Menschen nicht in Gefahrenzonen bringen zu müssen.
Nicht nur die Sicherheit der Mitarbeiter steht im Fokus, Drohnen könnten helfen, enorme Kosten zu sparen. Prüft man etwa den Zustand einer Brücke mit einem Kran, kostet das rund 20.000 Euro. Eine Summe, die sich mit Einsatz von Drohnen um rund 50 Prozent reduzieren ließe, schätzen die Experten. Und die ÖBB haben 9108 Brücken mit 13.416 Tragwerken, ältere Brücken müssen alle zwei, neuere alle drei Jahre inspiziert werden. Überprüft werden müssen aber auch Tunnelverschalungen und Mauerkonstruktionen aus Beton.
Dort könnten die Fluggeräte mithilfe eines Computerprogramms nachvollziehen, wie sich etwa feine Risse mit der Zeit verändern. Drohnen könnten Oberleitungen anfliegen und kontrollieren. Und sie könnten Betonflächen mit Georadar zerstörungsfrei untersuchen. „Ideen gibt es viele. Bis man die Technologien wirklich optimal einsetzen kann, braucht es aber noch“, sagt Petraschek. Hier steht man in der Entwicklungsarbeit noch am Anfang.
Dazu orientiert man sich auch am Markt: Man müsse sehen, was es gibt und wie sich das verwenden ließe, so Walter. Dann gelte es, die Produkte weiterzuentwickeln für eisenbahnspezifische Bedürfnisse.
So untersucht man mit Georadar etwa schon den Unterbau, also den Untergrund von Geleisen. Was sonst aufgegraben werden müsste, lässt sich so – ähnlich wie mit einem Röntgengerät, allerdings mit hochfrequenten elektromagnetischen Wellen – durchleuchten. Was am Boden funktioniert, könnte auch in der Luft zur Anwendung kommen, um Schäden unter der Oberfläche genau zu orten. Allerdings wiegt die Technologie für Georadar zumindest 25 Kilogramm.
Auch die Reichweite der Fluggeräte ist noch beschränkt. Für scharfe Bilder muss eine Drohne trotz Wind absolut ruhig in der Luft liegen. Und darf auch nicht ins Schwanken kommen, wenn ein Zug vorbeifährt. Die Prüfarbeit erfordert überdies hohe Präzision: Um Veränderungen an Bauwerken festzustellen, muss eine Drohne das Foto ein Jahr später an exakt derselben Stelle schießen, zentimetergenau.
Erste Probeflüge erfolgreich
Bevor die Fluggeräte also breit eingesetzt werden können, testen die ÖBB sie in Pilotversuchen und entwickelt sie weiter. Erste, breit angelegte Probeflüge fanden im November vergangenen Jahres bei Windischgarsten im oberösterreichischen Pyhrntal statt. Dort inspizierten Drohnen Brücken und Naturgefahrenanlagen. Getestet wurde auch, wie sich Bahnoberleitungen anfliegen lassen.
Das Resümee? „Es hat funktioniert“, sagt Petraschek. Allerdings stecke die Drohnentechnik noch in den Kinderschuhen: „In jedem Baumarkt bekommt man eine Drohne, mit der man privat fliegen kann. Dass eine Drohne lang genug in der Luft bleibt und die Qualität liefert, die man benötigt, ist aber schwierig.“ Hier müsse man noch einiges ausprobieren.
Ein Forschungsprojekt sei eben nicht mit einem klassischen Bauprojekt vergleichbar, bei dem man genau weiß, wann man welchen Stein setzt, sagt auch Walter. Und rechtlich sind noch viele Fragen offen. (Von Alice Grancy, Die Presse)